Christusbegegnung im Sakrament der Bu§e
Das heilige
Leben, das Gnadenleben, das wir in der ersten Christusbegegnung am Anfang
unseres Lebens im Sakrament der Taufe empfangen haben, tragen wir Menschen wie
einen kostbaren Schatz ãin zerbrechlichen GefЧenÒ, wie schon der hl. Paulus
schreibt im 2 Kor 4,7. Das ist die erschreckende Erfahrung unseres Lebens, dass
wir erbsŸndlich belasteten Menschen ansprechbar sind fŸr die Versuchung,
anfŠllig sind fŸr die SŸnde. Gewiss, die meisten Menschen lachen heute Ÿber SŸnde.
SŸnde und Schuld sind fŸr sie ganz unbedeutende und nebensŠchliche Dinge
geworden.
Wer macht sich
noch etwas aus einer SŸnde? Wer fragt noch lange danach, ob etwas SŸnde ist,
wenn er sich irgendeinen Vorteil, irgendeinen Genuss verschaffen kann? SŸnde?
Das gibt es nicht. Man kennt hšchstens noch das Gerede von verzeihlicher
menschlicher SchwŠche oder von Dummheit. Ein junger Mann aus sogenanntem gutem
Hause hatte aus dem Hinterhalt zwei Menschen niedergeknallt, um sie
auszurauben. Als man den Mšrder bald nach dem Verbrechen in einem Bauernhaus
aufgespŸrt hatte, fragte man ihn, was er denn nach dem Verbrechen gedacht habe.
ãAch, da habÔ ich so vor mich hingebrŸtet und habÔ mir gesagt: Hast eigentlich
eine gro§e Dummheit begangen!Ò Von SŸnde und von Reue darŸber war keine Rede.
Warum wohl?
Wenn man nicht
mehr an Gott glaubt, dann bildet man sich ein, es sei alles erlaubt und der WillkŸr
des Menschen anheimgestellt, dann gibt es keine SŸnde mehr. Gott ist ãtotÒ, wie
es der Prophet des †bermenschen Fr. W. Nietzsche zu verkŸnden wagte, und er
fŸgte hinzu: ãNaivitŠt ist es, zu meinen, es bliebe Moral Ÿbrig, wenn der
sanktionierende Gott fehlt!Ò Der Mensch ohne Gott verliert den Willen zum
Guten, den Willen zum Wahren. Ohne den Willen zum Guten und Wahren aber, so
sagt Fr. W. Nietzsche mit Recht, verliert der Mensch seine Vorrangstellung in
der Welt der Geschšpfe, er ist dann Tier unter Tieren, ãein vielfach
verlogenes, krankes, undurchsichtiges Tier, den anderen Tieren weniger durch
Kraft als durch List und Raffiniertheit Ÿberlegen!Ò
Was diesen
haltlosen Menschen ohne Moral dann aber erwartet? Auch das sagt Nietzsche in
erschŸtternder weise mit den Worten: ãJŸngst
JŠger noch Gottes, das Fangnetz aller Tugend, der Pfeil des Bšsen! Jetzt
– von sich selbst gejagt, seine eigene Beute, in sich selbst verbohrt...
JŸngst noch so stolz, auf allen stelzen seines Stolzes. JŸngst noch Einsiedler
ohne Gott, der Zweisiedler mit dem Teufel, der scharlachne Prinz jedes
†bermuts! ...Jetzt – zwischen zwei nichts eingekrŸmmt, ein Fragezeichen,
ein mŸdes RŠtsel, eine Beute der Raubvšgel; sie flattern schon um ihn den
gehenkten, den Selbsthenker!Ò
Selbsthenker,
selbstgehenkte Baute der Raubvšgel, das ist der Mensch ohne Gott, der
schuldbeladen dennoch nichts mehr wissen will von ãSchuld und SŸhneÒ.
Leider ist das
heute weithin die Einstellung vieler Menschen (im Osten wie im Westen, im SŸden
wie im Norden). Mangelndes SŸndenbewusstsein als Folge und Begleiterscheinung
des materialistischen, atheistischen Zeitgeistes und darum zunehmende sittliche
Verwilderung, in der das Einmaleins vieler Menschen bei Sex endet: 1x6, 2x6,
3x6...; alles dreht sich nur noch um Sex, um sexuelle Lust; und alles hŠlt man
fŸr erlaubt, von vorehelichem Geschlechtsverkehr und gleichgeschlechtlicher
sexueller Befriedigung bis hin zum Gruppensex und zur schaurigsten Perversion. Dabei
macht man dann auch nicht Halt vor Mord am ungeborenen Leben bis hin zur
Vergewaltigung und zum Sexualmord an Frauen und MŠdchen, die man zuerst zum
entpersšnlichten Lustobjekt degradiert hatte... Alles ist heute erlaubt, nichts
ist mehr SŸnde und nach dem Tod ist ja doch alles aus. Das ist doch heute
weithin die moderne Moral.
Die SŸnde aber
ist da und ist furchtbare Wirklichkeit seit jener gewaltigen Auseinandersetzung
zwischen Luzifer und Michael, wobei der Schlachtruf des einen lautete: ãIch
will nicht dienen!Ò, der Schlachtruf des anderen aber ãWer ist wie Gott?!Ò
– Die SŸnde ist da in der Menschheitsgeschichte seit jenem ersten
traurigen SŸndenfall, da die Stammeltern der Versuchung und VerfŸhrung zur
SŸnde nachgaben. Heute suchen zwar leider auch katholische Theologen und
Exegeten den SŸndenfall am Anfang der Menschheitsgeschichte als
ungeschichtlichen, harmlosen Mythos hinzustellen. Aber der Einbruch des Bšsen
in die Menschheit ist bitteres Faktum. Die sehr reale UrsŸnde pflanzte sich
fort und wird vererbt (und ist nicht nur das sŸndige Milieu, die ãsŸndige
SituiertheitÒ, in die halt jeder Mensch hineingeboren wird, wie modernistische
Theologen heute die ErbsŸnde zu verharmlosen suchen) ; sie ist, wie uns der hl.
Paulus im Ršmerbrief (5,12) schreibt, folgenschwere Wirklichkeit: ãDurch einen
Menschen ist die SŸnde in die Welt gekommen und durch die SŸnde der Tod. So ist
der Tod auf alle Ÿbergegangen, weil alle in dem einen gesŸndigt habenÒ. Die
ErbsŸnde ist verschuldete Gnadenberaubtheit in jedem neu empfangenen Menschen, sie
ist der Makel einer verratenen und erloschenen Freundschaft mit Gott.
Und die Folge der
ErbsŸnde ist nicht nur der harmlose innere Pluralismus, im Menschen und
seelische Gleichgewichtsstšrung, sie ist folgenschwere Gnadenberaubtheit
verbunden mit der bšsen Begierlichkeit, die aus der SŸnde stammt und zur SŸnde
reizt. Und darum im Gefolge der UrsŸnde und ErbsŸnde der schaurige
Rattenschwanz unzŠhliger persšnlicher SŸnden. Jede persšnliche SŸnde aber, zumindest jede schwere SŸnde, ist
Beleidigung des unendlich gro§en, heiligen Gottes, ist grš§ter Undank gegen
Gott, ist bewusste Abkehr von der Ordnung Gottes, der einmal Ÿber jede SŸnde
unendlich gerecht richten wird.
Je bewusster und
tiefergehend die Gottbeziehung eines Menschen ist, desto tiefer ist auch sein
SŸndenbewusstsein, wie sich im Leben der Heiligen oft in ergreifender Weise
zeigt, wenn sie sich auch Ÿber kleine und kleinste SŸnden in tiefer Reue anklagten.
Wo aber Gott ãtotÒ ist, wo der Glaube an Gott, an seine Grš§e, MajestŠt und
Heiligkeit erloschen ist, da fehlt das SŸndenbewusstsein. Wo der persšnliche
Gott nicht mehr als Lebensmitte geglaubt und erlebt wird, da bleibt zunŠchst
vielleicht noch das Gebot Gottes irgendwie im Bewusstsein, aber auch nur noch
als unpersšnliche, abstrakte Norm, die bald verblasst, entwertet und
relativiert wird, bis man in der †bertretung des Gebotes Gottes, auch wenn sie
ganz bewusst und ganz freiwillig in einer wichtigen Sache geschieht, nichts
weiter mehr sieht als eben nur noch eine verzeihliche menschliche SchwŠche und
Dummheit!
Und doch ist die
SŸnde, die schwere SŸnde auf jeden Fall, das gro§e Unrecht gegen Gott, der
grš§te Undank gegen den besten Freund und WohltŠter, das grš§te UnglŸck aber
auch fŸr den Menschen selbst, der sich von Gott trennt und hinter sich die TŸre
zuschlŠgt – ãdrau§en vor der TŸrÒ -, in der Seele aber herrscht nun
Finsternis, weil das Licht der Gnade erloschen ist. Das macht zwar auf den ganz
im Irdischen befangenen Menschen wenig Eindruck. Aber man muss es sich an
Vergleichen veranschaulichen, worum es denn bei der TodsŸnde geht: Ich denke
etwa vergleichsweise an den Krebs, der den Organismus auffrisst; man merkt
anfangs nichts, nach au§en ist vielleicht noch blŸhendes Leben da; dabei ist es
vielleicht lŠngst zu spŠt, weil die Wucherungen und Metastasen, die
Zersetzungen des Organismus schon zu weit fortgeschritten sind. Oder der
Aussatz als Bild fŸr die schwere SŸnde: Im Aussatz in seiner schlimmsten Form
stirbt im letzten Stadium ein Glied nach dem anderen ab, fault ab. Wenn man fŸr
jede TodsŸnde ein Glied am Leib einbŸ§en wŸrde..., wie man sich dann wohl vor
jeder TodsŸnde hŸtete! Dabei geht es bei der TodsŸnde nicht blo§ um ein
erstorbenes Glied am Leib, sondern um den Tod der Seele: ãDer Sold der SŸnde
ist der TodÒ, sagt der hl. Paulus (Ršm 6,23).
Und noch ein
Vergleich: Ein eigenartiger Hochzeitsbrauch in Anatolien in der šstlichen
TŸrkei: Die Braut, bei der in der Hochzeitsnacht festgestellt wird, dass sie
nicht mehr Jungfrau ist, wird vom BrŠutigam erbŠrmlich ausgepeitscht und mit Schimpf
und Schande ins Elternhaus zurŸckgejagt. Muss es Gott, der mit der Seele in der
Taufe einen brŠutlichen Liebesbund einging, nicht ganz Šhnlich machen? Er verhŠngt
Ÿber den TodsŸnder, wie wir wissen, zeitliche und ewige Strafen: Zeitliche
Strafen hier auf Erden; diesbezŸglich sollten wir manchmal mehr zur Kenntnis
nehmen, dass viel mehr Leid im Menschenleben, im Eheleben, im Familienleben, im
staatlichen Leben auf begangene SŸnden zurŸckgeht, als wir ahnen und zugeben
wollen. Die schwerste zeitliche SŸndenstrafe besteht wohl darin, dass Gott
einen SŸnder ungestšrt weitersŸndigen lŠsst und dieser dann von einer TodsŸnde
in die andere fŠllt und schlie§lich aus eigener Kraft nicht mehr den RŸckweg
findet; die SŸnde hat ihr Schwergewicht, sie hŠngt am SŸnder bisweilen wie
Bleigewicht und zieht ihn in die Tiefe. – Dazu kommt als weitere Straffolge
der schweren SŸnde neben dem Verlust des Gnadenstandes und der Freundschaft mit
Gott der Verlust aller erworbenen Verdienste; und nicht blo§ das; auch die
Verdienstmšglichkeit geht dem TodsŸnder, solange er im Stand der TodsŸnde
verbleibt, verloren.
In antiken Sagen
wird von Menschen, die ein gro§es Verbrechen begangen hatten erzŠhlt, sie
hŠtten zur Strafe in der Unterwelt Wasser in ein Fass schšpfen mŸssen, das Fass
aber sei nie voll geworden, weil es einen durchlšcherten Boden hatte, sodass
alles mŸhsam hineingeschšpfte Wasser wieder ausfloss; alles Schšpfen war
umsonst, alle MŸhe vergeblich. So geht es dem Menschen, der im Stand der
TodsŸnde lebt: Er mŸht sich ab, arbeitet und plagt sich – und was bringt
er an Verdiensten fŸr die Ewigkeit zustande? Nichts, rein gar nichts!
Dazu kommt
schlie§lich noch beim TodsŸnder das schaurige Risiko der ewigen Verdammnis, die
er verdient hat; auch wenn er sich Ÿber den Ernst seiner Situation
hinwegtŠuschen kann, heute vielfach auch durch unglŠubiges Spotten Ÿber die
Glaubenswahrheit von der ewigen Hšlle, das furchtbare Risiko ist dennoch da,
dass die bewusst und freiwillig herbeigefŸhrte Trennung von Gott in der
TodsŸnde, fortdauert in alle Ewigkeit! Der heilige Pfarrer Johannes Vianney von
Ars sagte einmal in einer Predigt in seiner schlichten, aber anschaulichen Art:
ãWenn ihr sehen wŸrdet, dass ein Mensch einen gro§en Scheiterhaufen errichtet,
ihn in Brand setzt , um sich darin zu verbrennen, was wŸrdet ihr euch wohl
dabei denken? Nun, genau dasselbe tut einer, der schwer sŸndigt. Denn nicht
Gott stŸrzt den Menschen ins ewige Verderben, der TodsŸnder selbst tut es!Ò Der
Vergleich ist eigentlich gar nicht so ausgefallen, wenn man an den jungen
Tschechen Jan Palak und andere aus jŸngster Zeit
denkt, die – in diesen FŠllen aus fehlgeleiteten Idealismus oder aus
Verzweiflung – sich selbst verbrannten.
Die SŸnde und das
ihr anhaftende furchtbare Risiko ist jedenfalls eine unleugbare RealitŠt. LŠsst
sie sich wieder tilgen? Hier bekennen wir nun mit der Urkirche im apostolischen
Glaubensbekenntnis die tršstliche Wahrheit:Ò Ich glaube an die Vergebung der
SŸndenÒ. Wir kšnnen nur darum an diese Tatsache glauben, weil der Gottmensch
Jesus Christus unendliche SŸhne fŸr alle Menschenschuld geleistet hat. Er hat
auch reumŸtigen Menschen, wie dem GelŠhmten, der Ehebrecherin, der šffentlichen
SŸnderin Maria Magdalena und dem rechten SchŠcher die SŸnden vergeben, und er
hat seinen Aposteln die ihm eigene SŸndenvergebungsgewalt Ÿbertragen: ãWie mich
der Vater gesandt hat, so sende Ich euch! Empfanget den Heiligen Geist! Wem ihr
die SŸnden nachlasset, dem sind sie nachgelassen...Ò (Joh 20,21)
Die
SŸndenvergebung erfolgt nun vor allem im Sakrament der Bu§e! Christus mit
seiner verzeihenden SŸnderliebe und seinem sŸhnenden Erlšserblut ist es, dem
wir da begegnen. Christusbegegnung im Sakrament der Bu§e! Christus mit seiner
verzeihenden SŸnderliebe und seinem sŸhnenden Erlšserblut ist es, dem wir da
begegnen. Christusbegegnung im Sakrament der Bu§e! Gewiss beichten wir beim
Empfang des Bu§sakramentes unsere SŸnden dem Priester, der selbst ein armer,
schwacher, sŸndiger Mensch ist; aber er steht doch an Christi Stelle vor uns.
In seinem Namen, in seinem Auftrag, in seiner Vollmacht vergibt er die Schuld
und spricht das Wort der Lossprechung. Ich wei§, wie wenig heute das Sakrament
der Bu§e geschŠtzt wird. Man glaubt, durch Teilnahme an einer Bu§andacht viel
billiger als durch die Beichte, die
zu schwer fŠllt, von seiner SŸndenschuld befreit zu werden. Und doch
mŸsste man lŠngst wissen, wie notwendig das Aussprechen und Eingestehen von
Schuld ist.
Auch dem Arzt stellt
man sich ja im Krankheitsfall nicht nur mit dem allgemeinen Bekenntnis: ãIch
bin krank, machen Sie mich wieder gesund!Ò Es bedarf der Šrztlichen
Untersuchung, der gewissenhafte Arzt lŠsst sich nichts vormachen; dem Arzt
meines Vertrauens mache ich auch nichts vor, sondern verrate ihm aufrichtig
auch die verborgensten Defekte und Krankheitsherde.
Man redet heute
so viel von der unbewŠltigten Vergangenheit, tut aber vielfach so wenig, sie
wirklich zu bewŠltigen. Im Glauben bekennen wir uns immer wieder zur wahren,
echten BewŠltigung der Vergangenheit: Die von den Stammeltern ererbte
schuldbeladene Vergangenheit wird bewŠltigt im Sakrament der Taufe, die eigene,
persšnliche Vergangenheit, soweit sie schuldbeladen ist, wird bewŠltigt im
Sakrament der Bu§e mit dem reumŸtigen SŸndenbekenntnis und der sakramentalen
Lossprechung durch den Priester; diese sakramentale BewŠltigung der
Vergangenheit geschieht auf Grund der Tatsache, dass unser Herr und Heiland
Jesus Christus in seinem Tod am Kreuze stellvertretend fŸr alle Menschenschuld
dem himmlischen Vater unendliche SŸhne geleistet hat: ich werfe mich beim
Empfang des Bu§sakramentes im Geiste vor dem gekreuzigten Heiland nieder und
halte Zwiesprache mit ihm, schon in der Gewissenserforschung und erst recht in
der aufrichtigen Reue und danke ihm dabei, dass Er am Kreuze auch an mich
gedacht hat; alle meine dunklen Stunden sah Er voraus und sŸhnte sie; all
meinen guten Willen, wie er handgreiflich wird in meinem SŸndenbekenntnis und Beichtvorsatz,
sah Er voraus und knŸpfte daran seine helfende und stŠrkende Gnade. Im
aufrichten Eingestehen der SŸnden vor dem Priester als dem Stellvertreter
Christi und seiner Kirche sage ich mich los von meiner Vergangenheit und werde
dafŸr dann gnadenhaft zugerŸstet fŸr einen mutigen Neubeginn.
Ach, wir sollten
viel dankbarer dafŸr sein, dass wir uns mit der Christenheit der Urkirche im
Apostolischen Glaubensbekenntnis zur Tršstlichen Wahrheit von der Vergebung der
SŸnden bekennen und diese Wahrheit im Empfang des Bu§sakramentes dann auch
beglŸckt erfahren dŸrfen! Die Menschen der frŸhchristlichen Zeit, die sich zum
Nachlass der SŸnden bekannten, hatten ein GespŸr fŸr das, was wir heute
seelische Hygiene nennen. Sie kannten dieses Wort noch nicht, wussten aber,
worum es dabei geht, denn sie spŸrten, dass der Mensch, um seelisch gesund,
froh und glŸcklich zu sein, immer wieder der Tilgung der SŸndenschuld, der
Reinwaschung von ihr bedarf. Im seelischen Bereich sind heute aber viele Menschen
in ihrem mangelnden SŸndenbewusstsein und in dem noch grš§eren Mangel an BedŸrfnis
nach wahrer SŸndentilgung wie richtige Gammler. So entsetzt manche Ÿber diese
Art von Zeitgenossen auch sind, so sind sie doch weithin ein Symptom fŸr die
seelische Haltung vieler Menschen in unserer Zeit.
(Und
typisch ist, was in einem šsterreichischen Kirchenblatt als vermeintlicher Witz
zu lesen war: Da fragte eine Tante ihren fŸnfjŠhrigen Neffen Fritz: ãWas willst
du einmal werden, wenn du gro§ bist?Ò Prompt lautete seine Antwort: ãGammler!Ò
Und die entsetzte Tante darauf: ãJa du meine GŸte, wie kommst du denn auf so
etwas?Ò Und die Antwort des Buben: ãWei§t Tante, dann brauche ich mich nicht
mehr waschen und kŠmmen!Ò)
Genau so sind
heute viele Menschen im seelischen Bereich vergammelt. Ob nicht die immer mehr
zurŸckgehende HochschŠtzung des Bu§sakramentes bei den GlŠubigen und bei den
Priestern einem geistigen Einbruch des Gammlertums in den Raum der Kirche
gleichkommt? Wir sind auf keinem guten Weg, wenn die Wandlungsgewalt der
Priester geleugnet wird durch Uminterpretierung und Aufweichung des Dogmas der
Transsubstantiation und die SŸndenvergebungsgewalt, die der auferstandene Herr
Jesus Christus am Ostersonntag den Aposteln und ihren Nachfolgern, den
Bischšfen und Priestern, verliehen hat, praktisch geleugnet wird durch VernachlŠssigung
und GeringschŠtzung des Bu§sakramentes.
Wenn wir es doch
in aller GlŠubigkeit, Ehrlichkeit und Demut wieder besser verstŸnden, den
Empfang des Bu§sakramentes in der Gewissenerforschung, der Reue und der Beichte
zu einer Christusbegegnung zu machen, zu einer Begegnung mi9t dem barmherzigen
SŸnderheiland, dann wŸrden wir wieder dankbar fŸr dieses Ostergeschenk des
Auferstandenen, durch das Er es uns erleben lŠsst, dass es auch eine ãfelix
culpaÒ, eine glŸckliche Schuld gibt. Maria Magdalena wŠre wohl nie eine so
gro§e Heilige geworden, wenn sie vorher nicht so schwer gesŸndigt, aber auch so
tief bereut und so demŸtig sich vor Christus angeklagt hŠtte. Gleiches gilt von
Augustinus, von Margarita von Cortona und vielen
anderen Heiligen. Sie sind dem barmherzigen Samaritan begegnet. Er hat ihre
Wunden geheilt. Er will es auch bei uns tun, wie er uns ergreifend erzŠhlt hat im
Gleichnis vom verlorenen Sohn, von der verlorenen Drachme und von dem
verlorenen Schaf (vgl. Lk 15) und noch unmittelbar vor seinem Sterben
ergreifend gezeigt hat in der Antwort, die Er, der gŸtige SŸnderheiland, dem
rechten SchŠcher am Kreuz gegeben hat, weil dieser in seiner šffentlichen
Generalbeichte eine ehrliche, aufrichtige Reue Ÿber sein SŸnderleben gezeigt
hat, als er – zum linken SchŠcher gewandt – sagte: ãWir erleiden, was
wir verdient haben. Er aber (Jesus in der Mitte) hat nichts Bšses getan!Ò, und
dann – zu Christus sich wendend – die demŸtige Bitte aussprach:
ãHerr, gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich kommst!Ò Da erhielt der rechte
SchŠcher in der Antwort Jesu: ãHeute noch wirst du bei Mir im Paradiese sein!Ò
die Absolution und den vollkommenen Ablass aller SŸndenstrafen.
Am rechten SchŠcher
kann man auch sehr gut ablesen, was zum Empfang des Bu§sakramentes, zu einer
guten Beichte, die wirklich SŸndenvergebung bewirken soll, dazugehšrt:
Das Erste ist das
Besinnen, die Gewissenserforschung.
Die erste Frage
bei diesem unserem Besinnen mŸsste immer lauten: ãWie stehe ich vor dir, o
Gott, da? Herr, mein Gott, wie siehst du mich? Welchen Platz gebe ich dir in
meinem Leben? Habe ich dich nicht allzu oft hintangesetzt, statt dir den ersten
Platz in meinem Sinnen und Denken zu geben? Habe ich dich nicht allzu oft zu
einer Nebensache degradiert, statt dass du die Hauptsache in meinem Leben
wŠrest? Habe ich etwa einen Menschen oder gar nur eine Sache zu meinem Gott
gemacht, auch wenn ich ihn nicht so nenne: etwa die Arbeit, den Erfolg, den
Genuss, den Sex, das Ich?Ò Ist nicht ein allzu tief sitzender Egoismus die
eigentliche Krankheit, an der wir leiden? Ich-ich-ich – und dann lange
nichts. Und dann vielleicht einmal Gott, der praktisch fŸr mich tot ist!
Wir kšnnten beim
ehrlich-ernsten Besinnen hier auch weiter fragen: Ist mein Beten ein wirkliches
Sprechen mit Gott? Nehme ich mir Ÿberhaupt Zeit dazu? Wie viel Zeit verwende
ich fŸr meinen Beruf, fŸr meine Freizeit, fŸr meine Unterhaltungen, fŸr die
Zeitung, fŸr das Radio, fŸr das Fernsehen? Und wie wenig Zeit mache ich n
meinem Tagewerk wirklich frei fŸr Gott, meinen Herrn und Vater, fŸr meinen
Ursprung und mein Ziel?
Je mehr wir die
Liebe Gottes zu uns begreifen, desto mehr spŸren wir unsere Dankesschuld und so
kšnnten wir dann so recht von Herzen das Zweite tun: bereuen: ãMein Gott, wie
bist du zu mir und wie bin ich zu dir?Ò ãO Gott, du hassest die SŸnde, du
strafest sie streng, und ich habe so viel gesŸndigt. Du bist voll Liebe gegen
mich. Du bist fŸr mich am Kreuze gestorben. Und ich habe dich so oft beleidigt.
Es reut mich jetzt von Herzen.
Liegt nicht
unsere grš§ere Schuld darin, dass wir so wenig an die Liebe Gottes zu uns
glauben, obwohl wir tŠglich davon leben?
Aber auch unsere
Schuld gegenŸber den Mitmenschen erkennen wir erst dann richtig, wenn wir im
Mitmenschen mehr sehen als nur den Menschen neben uns; wir mŸssen ihn sehen als
das Ebenbild Gottes, als das Kind des gleichen himmlischen Vaters, das genauso
wie wir selbst erlšst ist durch das kostbare Blut Jesu Christi. Der NŠchste
neben mir bedarf meines Gutseins zu ihm, bedarf meiner Hilfe auf dem gemeinsamen
Weg zur ewigen Heimat.
Wir mŸssen uns
unbedingt auch fragen, wo das ãzweite GebotÒ (vgl. Mt 22,40), das der Liebe
Gottes gegenŸber ganz Šhnlich ist, in unserem Leben sichtbar wird: Was tue ich
fŸr die Hungernden in der Welt, fŸr die AussŠtzigen und Kranken, fŸr die
seelisch Leidenden und einsamen Menschen, fŸr die schwer im Leben
Zurechtkommenden? Vielleicht lebt einer von diesen Menschen in meiner
allernŠchsten NŠhe, und ich merke es gar nicht. Das kann der Ehepartner sein
oder ein Mitarbeiter, einer, fŸr den ich beruflich Verantwortung trage. Wie
blind sind oft unsere Augen, dass wir gar nicht sehen, was den Menschen neben
uns bewegt und worunter er leidet. Wie oft wŠre schon alleine in gutes Wort,
eine kleine Aufmerksamkeit auf die der andere wartet, so kostbar!
Alle diese
Verfehlungen und VersŠumnisse trage ich in einer ehrlichen Reue vor das
Angesicht Gottes und erbitte seine Verzeihung.
Da setzt dann das
Dritte ein, das zu einem guten, gnadenreich sich auswirkenden Bu§sakramentsempfang
dazugehšrt: das Beichten, ehrlich, aufrichtig, gewissenhaft...
Entweder in der
AnonymitŠt des Beichtstuhls oder in einem sogenannten BeichtgesprŠch, das heute
vor allem junge Menschen suchen. Das BeichtgesprŠch ist freilich eine Sache des
Vertrauens und eignet sich nicht fŸr alle. Viele wollen lieber in der
AnonymitŠt verbleiben, viele mŸssen es sogar, weil sie nicht den Priester
finden, vor dem sie sich offen aussprechen mšchten. Das BeichtgesprŠch bedarf
Ÿberdies des geeigneten Raumes und verlangt ein gutes Ma§ an Zeit, die heute so
selten ist. Doch besteht kein Zweifel: das BeichtgesprŠch wŠre von
entscheidender Bedeutung fŸr die HšherfŸhrung einer Seele, fŸr den Abbau von
Fehlhaltungen und fŸr den Aufbau eines neuen Lebens. Gerade bei
Lebensentscheidungen, etwa in Exerzitien, wŠre das BeichtgesprŠch wertvoll und
vielleicht sogar wichtig, vor allem etwa bei der Berufs- und Standeswahl oder
bei besonderer gefahrvoller Situation. Bischof Rudolf Graber hat in seinem
Fastenhirtenbrief des Jahres 1976 auf ein ergreifendes BeichtgesprŠch
hingewiesen, das von dem gro§en Komponisten Max Reger berichtet wird:
Es war im MŠrz
1916 in einem Hotel in Amsterdam. Drei Herren sa§en nach einem bedeutsamen
Konzert im Gastzimmer ihres Hotels beisammen, als tief in der Nacht der
Komponist Max Reger den Raum betrat. Er fragte den einen der drei Herren, den
er an seiner Kleidung als Priester zu erkennen glaubte, ob er katholischer
Priester sei. Auf dessen Ja bat er ihn um eine Unterredung unter vier Augen. An
einem Nebentisch kam es dann dazu. Da enthŸllt Max Reger dem Priester die
Todesahnungen, die mit furchtbarer Wucht auf ihm liegen. ãIch muss noch in
dieser Nacht mit dem Himmel abrechnen und bitte Sie, HochwŸrden, eine
Lebensbeichte ablegen zu dŸrfen. Ich fŸhle den Tod in meinen Adern und will
mich mit meinem Schšpfer aussšhnen, noch jetzt, auf der Stelle.Ò Es kam dann
zur Generalbeichte. Am nŠchsten Morgen traf Max Reger mit dem Priester wieder
zusammen: ãHochwŸrden, nein, ich nenne sie von jetzt an meinen besten Freund.
Du hast mich gerettet, denn ich wei§, ich sterbe bald. Jetzt bin ich glŸcklich
und ruhig. Ich habe nichts mehr auf dem Gewissen. Aber noch etwas. Ich sagte
heute Nacht nach der Beichte, ich mšchte noch das Vaterunser komponieren. Das
mšchte ich jetzt zurŸcknehmen. Ich mšchte lieber das Salve Regina in Tšne
setzen, das man bei meinem BegrŠbnis zu Ehren der Gottesmutter singen soll,
denn sie hat mich zu Dir, mein Freund, gefŸhrt. Denn wenn ich auch nie meinen
Glauben richtig betŠtigt habe, so habe ich doch von Zeit zu Zeit ein Ave Maria
zur Gottesmutter gebetet. Sie hat jetzt geholfen.Ò Das war am 23. MŠrz 1916.
Sieben Wochen spŠter, am 11. Mai 1916 war Max Reger tot.
Zuletzt noch ein
wichtiger Gedanke Ÿber die Christusbegegnung im Sakrament der Bu§e: Der
Gottmensch Jesus Christus hat am Anfang seines šffentlichen Lehrens die Bu§e,
die Metanoia, das Umdenken und umkehren in den Mittelpunkt seiner VerkŸndigung,
seiner Predigt gestellt. Diese Bu§e in ihrer ganzen Weite und Tiefe ist das,
was wir von uns aus tun und einbringen mŸssen, damit uns Verzeihung unserer SŸnden
zuteilwird durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Am Ende seines
Lebens hat der Herr am Kreuz das barmherzige Gericht der Erlšsung vollzogen,
indem Er als das Lamm Gottes unsere SŸnden auf sich und von uns weggenommen hat.
– Ein doppeltes Gericht ist somit am Kreuze erfolgt: Gott hat am Kreuz
die SŸnde gerichtet und uns SŸnder begnadigt. Der heilige Gott hat am Kreuz
gezeigt: die SŸnde, die schwere SŸnde verdient den Tod. Denn sie ist die
trotzige Auflehnung gegen den heiligen Gott und will den Menschen an die Stelle
Gottes setzen. Gott richtet am Kreuze Jesu die SŸnde, Er heftet den Schuldschein
ans Kreuz, wie der hl. Paulus im Kol 2,14 schreibt. Der heilige Gott offenbart
aber am Kreuz seines Sohnes nicht blo§ seine Gerechtigkeit im Verdammungsurteil
Ÿber die SŸnde, Er offenbart am Kreuz noch viel mehr seine rettende,
verzeihende Liebe: ãGott (Vater) sandte seinen Sohn nicht in die Welt, dass er
die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde!Ò (Jo 3,17) Das
Bu§sakrament ist Begegnung mit dem leidenden und sterbenden Herrn. Denken wir
doch immer daran im Augenblick der Lossprechung: jetzt Ÿberstršmt mich das
sŸndentilgende Blut des Heilands, der fŸr mich gestorben ist. Das Konzil von Trient
hat ausdrŸcklich Ÿber das Bu§sakrament erklŠrt: ãIn ihm wird den nach der Taufe
in SŸnden Gefallenen die Wohltat des SŸhnetodes Christi zugewandtÒ. Wie gut ist
doch Gott, dass Er vor dem letzten, alles entscheidenden Gericht der
unerbittlichen Gerechtigkeit das barmherzige Gericht des Kreuzes davor
geschaltet hat, in welchem sein menschgewordener Sohn die ganze Schwere des
Gerichtes Ÿber unsere SŸnden stellvertretend auf sich genommen hat. Ist es da
zu viel verlangt, dass wir im Bu§sakrament ganz aufrichtig und ernst mit uns
selber ins Gericht gehen?
Nehmen wir es
aber nicht nur mit der Aufrichtigkeit im Bekennen unserer SŸnden im
Bu§sakrament ganz ernst, sondern auch mit der herzlichen Reue und mit dem
ernsten Vorsatz, die SŸnden fortan nach KrŠften zu meiden. Und wenn wir dennoch
wieder und wieder in unsere SŸnden zurŸckfallen, so wollen wir nicht verzagen
und mutlos werden, weil unsagbar grš§er als die Schwachheit unseres guten
Willens die Barmherzigkeit unseres Herrn und Heilands ist. Ihr kennt doch
sicher alle die ergreifende Legende, die an ein uraltes Kruzifix in
einer spanischen Kirche geknŸpft ist:
Am Gekreuzigten
ist bei diesem Kruzifix der rechte Arm vom Nagel gelšst und neigt sich etwas
herab. Im Volksmund aber geht folgende Legende: Einst beichtete ein schwerer
SŸnder zu FŸ§en dieses Kreuzes mit allen Zeichen aufrichtiger Reue. So schwer
und zahlreich waren die SŸnden, dass der Beichtvater mit der Lossprechung
zšgerte. Schlie§lich gab er doch die Absolution, aber er warnte den Mann
eindringlich vor dem RŸckfall. Dieser versprach aufrichtig Besserung und hielt
eine Zeitlang getreu seine VorsŠtze, bis ihn die SchwŠche wieder der SŸnde
zutrieb. Bittere Reue fŸhrte ihn abermals zum Beichtstuhl. Der Priester gab ihm
diesmal die Lossprechung nach noch lŠngerem Zšgern und sagte schlie§lich:
ãDiesmal ist aber das letzte Mal!Ò Nach lŠngerer Zeit brachte Gewohnheit und
SchwŠche den armen Mann neuerdings zu Fall. Und wieder suchte er reumŸtig den
Beichtvater auf. Der Priester aber zeigte sich diesmal unerbittlich. ãJetzt ist
es ausÒ, sagte er. ãDu fŠllst ja immer wieder in diene alten schweren Laster
zurŸck. Deine Reue kann unmšglich echt sein!Ò ãUnd doch ist meine Reue echt und
aufrichtig!Ò, sagte der Mann. ãIch bin nur wieder gefallen, weil ich schwach
und krank bin, aber es tut mir im tiefsten Grund meines Herzens leid!Ò –
ãNeinÒ, sagte der Priester, ãfŸr dich gibt es keine Verzeihung mehr!Ò –
Da war es, als ob vom Kreuze her ein Weinen zu hšren wŠre. Erschrocken sah der
Priester empor. Da lšste der Gekreuzigte seine rechte Hand vom Nagel und mache
Ÿber das Haupt des BŸ§ers das Zeichen der Lossprechung. Der Beichtvater aber
hšrte eine vorwurfsvolle Stimme, die sagte: ãDu hast dein Blut nicht fŸr ihn
vergossen!Ò
Diese Legende zeigt
uns ergreifend schšn die langmŸtige, immer wieder zur Versšhnung bereite
SŸnderliebe unseres Herrn und Heilands. Wir aber sind oft so unversšhnlich,
hart und lieblos. Ob es nicht gerade deshalb einmal geschehen kšnnte, dass der
Herr fŸr uns umsonst gelitten und umsonst sein Blut vergossen hŠtte? Tragen wir
darum in der rechten Versšhnungsbereitschaft dem Herrn die Bitte vor: ãHerr,
lass dein Blut und deine Pein doch nicht an mir verloren sein!Ò