33. Sonntag im Jahreskreis – C

gehalten in St. M. Loretto am 19. November 1997

 

In einem Schauspielhaus hatten hinter der Bühne die Kulissen Feuer gefangen. Es war große Gefahr, dass das ganze Haus in furchtbarer Schnelligkeit niederbrennen und beim Publikum ein schreckliches Unglück passieren würde.

Da kam der Clown auf die Bühne gestürzt, um das Publikum vom ausgebrochenen Feuer zu benachrichtigen. Das Publikum aber glaubte, es sei ein Spaß, was der Clown da sagte, und gab ihm Beifall. Der Clown wiederholte jetzt aber ernst und beschwörend seine Mitteilung. Da dröhnte der Theatersaal von Beifallsstürmen wider. Der große schwedische Denker Kierkegaard hat gesagt: "So ähnlich wird einmal die Welt untergehen: unter dem Beifall derer, die meinen, es sei nur ein Spaß!"

Nein, es ist kein Spaß, kein Witz, wenn wir an diesem vorletzten Sonntag im Kirchenjahr an das Weltende und Weltgericht erinnert werden: Der Herr Jesus Christus hat zu klar von dieser Tatsache und von seiner Wiederkunft gesprochen und hat betont: "Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen!"

Im heutigen Ev fragen die Apostel: "Meister, wann wird denn das geschehen und an welchen Zeichen wird man erkennen, dass es beginnt?" Die Antwort des Herrn lautet hier nur: "Seht euch vor! Lasst euch nicht irreführen!" Dann gibt er freilich verschiedene Vorzeichen an. An anderen Stellen der Evangelien sagt Jesus Christus: "Der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht vermutet. Tag und Stunde kennt niemand, nicht einmal die Engel!" Und zu den neugierig fragenden Aposteln sagt der Herr zuletzt noch (vor seiner Himmelfahrt): "Es steht euch nicht zu, Zeit und Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat!"

Es ist darum müßig zu fragen, wann Weltende und Weltgericht stattfinden, und etwa gar mit dem Rechenstift die Zeit auszurechnen und vorherzusagen, wie es z.B. der Gründer der Sekte der Adventisten William Miller(+1849) getan hat. Von 1831 an predigte er in New York und Boston die baldige Wiederkunft Christi zum Weltgericht. Nach seinen Berechnungen aus dem Buch Daniel sollte die Wiederkunft Christi bei Frühlingsbeginn 1843 eintreten. Tatsächlich kleideten sich die Anhänger des Sektengründers William Miller zu dieser Zeit in weiße Kleider, sie bestellten ihre Felder nicht mehr, verschenkten ihre Besitzungen, um für den großen Tag gerüstet zu sein. Aber das Weltende und Weltgericht kam nicht. William Miller gestand nun, dass er sich um einige Monate verrechnet habe und prophezeite jetzt das Weltende für den 23. Oktober 1847. Der Tag nahte heran. Geschäftstüchtige Kaufhäuser in den USA verkauften in Massen weiße Kleider, in denen die Sektierer das Weltende erwarteten. Das Ende kam wieder nicht, enttäuscht gingen die Harrenden auseinander. Ein Freund des Sektengründers berichtete später, William Miller habe wie ein kleines Kind geweint, als er nach Hause ging, ohne die Erfüllung seiner Prophezeiung erlebt zu haben.

Nein, solche Propheten, wie sie auch in unserer Zeit wieder zahlreich aufstehen und ihre Botschaften verbreiten, brauchen wir nicht. Wir halten uns an Jesus Christus und sein Wort. Er hat gesagt, er werde wiederkommen zum Gericht, Zeit und Stunde aber sei unbekannt. Wohl aber hat uns der Herr verschiedene Vorzeichen angegeben, die uns zur Bereitschaft für das Kommen des Weltenrichters mahnen sollen:

Solche Vorzeichen, wie sie auch im heutigen Ev angegeben. werden: Große Bedrängnisse, Aufruhr, Aufstände, gewaltige Erdbeben, Seuchen, Hungersnöte, das Entbrennen furchtbarer Kriege, Weltkatastrophen ohnegleichen, Verfolgung der Kirche, Erkalten der Liebe, der große Abfall von Christus und der von Ihm geoffenbarten Heilswahrheiten. Dann kommt auch noch der Antichrist, der große Widersacher Christi, der den Entscheidungskampf zwischen Christus und den Mächten des Bösen anführen wird.

Vorzeichen sind das, aber nicht mehr! Ob dann sofort das Ende kommt und die Wiederkunft Christi? Wir wissen es nicht. Im heutigen Ev sagt der Herr: "Wenn ihr von Kriegen und Aufständen hört, lasst euch dadurch nicht erschrecken, Denn das muss alles erst geschehen; aber das Ende kommt nicht sofort!" Das ENDE wird trotz aller Vorzeichen völlig unvermutet für diejenigen kommen, die ihm nicht in heiliger Erwartung entgegenharren.

Dem Erscheinen des Menschensohnes zum Gericht wird noch das Sichtbarwerden des Zeichens des Menschensohnes, des Kreuzes vorausgehen. Das Kreuz wird groß und gewaltig am Himmel erscheinen, das Zeichen der Erlösung, das zugleich das Zeichen des Widerspruches ist: vielgeliebt von den einen, vielgehasst von den anderen, dieses Siegeszeichen des Erlösers!

Welch ein Augenblick, welch ein Anblick wird das sein, wenn in wunderbarer Weise die Balken des Kreuzes über den ganzen Himmel sich erstrecken und zwar so, dass alle das Kreuz sehen müssen, auch jene, die bis zuletzt Feinde des Kreuzes waren.

Nun ist es genug der Vorbereitung: Jetzt, jetzt kommt dann Er selbst, der Menschensohn, auf den Wolken des Himmels, in großer Macht und Herrlichkeit! Ganz anders jedenfalls, als Er einst gekommen war! Damals klein, hilflos, als Kind, als Bittender und Bettelnder, dem aber bei seiner Geburt die Herberge verweigert wurde: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen Ihn nicht auf! Und Er kam einst in Niedrigkeit: zum Leiden, zum Sterben, zum Sühnopfer: Gerichtet, verurteilt, verhöhnt, verworfen, hinausgestoßen, zwischen Himmel und Erde hängend... Jetzt wird Er aber in großer Macht und Herrlichkeit kommen, nicht mehr um sich richten zu lassen, sondern um zu richten die Lebenden und die Toten!

Dann beginnt der letzte Akt im Drama der Weltgeschichte: Er, der Weltenrichter, wird seine Engel aussenden mit lautem Posaunenschall. Dann strömen sie zusammen von allen vier Winden, von einem Ende der Erde zum anderen. Und nun beginnt das Gericht.

In dieser Erdenzeit kann ein Verbrecher, ein Briefbomben-Versender, ein Terrorist sich verstecken, kann untertauchen, unter falschem Namen. Am Jüngsten Tag werden alle antreten müssen. Keiner wird dann fehlen in dem unermesslichen Heer, niemand. Jedermann wird Rechenschaft geben müssen.

Wie es wohl zugehen wird im Gericht? Sicher unendlich gerecht!

Worüber wohl vor allem gerichtet werden wird? Wir brauchen nur an die Gerichtsrede des Herrn denken: "Ich war hungrig, durstig, nackt, obdachlos... und ihr habt mir geholfen..."

Also nach der hilfsbereiten Liebe, nach der Barmherzigkeit, die wir geübt oder nicht geübt haben, wird vor allem gerichtet werden, und nach unserem Stehen zu Christus, der sich mit dem Ärmsten identifiziert hat!

 

Werden wir Ihn dann wohl fürchten müssen, den zum Gericht kommenden Christus? Meine Antwort: Warum sollten wir Ihn fürchten, wenn wir Ihn auf Erden geliebt haben, an Ihn geglaubt haben, auf Ihn geschaut haben, Ihm gedient haben, Ihm nachgefolgt sind?

Aber tun wir denn das alles auch wirklich? Gilt nicht von vielen, allzu vielen auch unter jenen, die Katholiken sind, die traurige Inschrift im Dom zu Lübeck?

 

"Ihr nennt mich Meister und fragt mich nicht.

Ihr nennt mich Licht und seht mich nicht.

Ihr nennt mich Weg und folgt mir nicht.

Ihr nennt mich Leben und sucht mich nicht.

Ihr nennt mich weise und glaubt mir nicht.

Ihr nennt mich schön und liebt mich nicht.

Ihr heißt mich reich und bittet mich nicht.

Ihr heißt mich ewig und traut mir nicht.

Ihr heißt mich edel und ehrt mich nicht.

Ihr heißt mich gerecht und fürchtet mich nicht.

Wenn ich euch verdamme, so wundert euch nicht!"

 

Das Jüngste Gericht im gewaltigen Gemälde von Michelangelo in der Capella Sixtina im Vatikan: ein gewaltiges, erschütterndes, riesenhaftes Gemälde, vor dem die Menschen gewöhnlich still, schweigsam, ernst und beklommen stehen. Wie mag es erst einmal in Wirklichkeit sein? Ein großes Bangen und Wehklagen!

 

Was können wir tun, um einmal im Gericht, im persönlichen Gericht in der Todesstunde und im allgemeinen Gericht am Jüngsten Tag bestehen zu können? Mit sich selber oft zu Gericht gehen, ernst und ehrlich und gewissenhaft in der Gewissenserforschung am Abend, in der sakramentalen Gewissenserforschung in einer regelmäßigen Beichte in diesem so milden Gericht göttlicher Barmherzigkeit. – Und dann vor allem: gut sein zueinander, die Werke der Barmherzigkeit üben. Und ganz besonders: auf Christus schauen! Ihm folgen, Ihn sich in allem zum Vorbild nehmen! Mit Ihm in Verbindung bleiben durch die Gnade, durch eine häufige aber würdig empfangene Kommunion!

Schließen wir die Überlegungen zum heutigen SoEv mit der ergreifenden Sequenz der Totenmesse: „Dies irae, dies illa … Tag des Zornes, Tag der Zähren, wird die Welt in Asche kehren, wie Sybill und David lehren.“

 

Ein Plakat der „Gesellschaft für Verkehrssicherheit“, das einmal in der Stadt angeschlagen war, hat es mir angetan gehabt: Ein Schulmädchen verabschiedet sich von der Mutter, die dem Kind noch einen Kuss auf die Wange drückte. Daneben standen die Worte, die die Mutter dem Kind sagte: „Komm gut heim!“ Seht, so ist es heute an diesem vorletzten Sonntag im Kirchenjahr, an dem die Mutter Kirche uns an die Wiederkunft Christi zum Gericht erinnert und einem jeden ihrer Kinder damit sagen will: Komm einmal gut heim! Amen.