Christus und sein Vaterland

Gehalten in St. M. Loreto am 26.10.1002

 

Der heutige Nationalfeiertag legt uns die Frage nahe, wie unser Herr Jesus Christus zu seinem irdischen Vaterland stand.

Die Antwort auf diese Frage kann in drei Sätzen gegeben werden:

1.Christus hat sein Vaterland geliebt,

2.das Vaterland hat ihm seine Liebe schlecht gedankt,

3.und trotzdem blieb Christus seinem Volk treu, treu bis in den Tod.

 

Zum 1.: Christus hat sein Vaterland geliebt:

Er hat zwar darüber nie ausdrücklich gesprochen. Die Liebe zum Vaterland war ihm etwas Selbstverständliches, Naturgegebenes. Er hat es auf Schritt und Tritt gezeigt, wie er an der Heimat, am irdischen Vaterland hing. Er zeigte es in seinem Wanderleben landauf, landab von Galiläa bis Jerusalem in seinem Wirken, in seinen Worten, in seinen Wundern. Wie hat er sinnend und sehend die Schönheiten seiner Heimat in den Bergen und Tälern, in den Flüssen und Seen in sich aufgenommen; seine Gleichnisse legen Zeugnis dafür ab.

Wie hing Christus an der Sprache seines Volkes, seiner aramäischen Muttersprache, in der er dann zum ersten Mal die Frohbotschaft vom himmlischen Vater und dem himmlischen Vaterland, der ewigen Heimat verkündet hat.

Und wie liebte Christus dieses Volk in das er hineingeboren worden war, wie liebte er dieses Volk, das ihn in seinem öffentlichen Wirken so oft umdrängte: die Armen, die Bedrückten, die Kranken, die Kinder! Und wie liebte er ganz besonders den Tempel und die heilige Stadt Jerusalem. Und wie hat er geweint beim Gedanken an die Zerstörung Jerusalems, die er voraussah...

Auch wir, die wir uns nach Christus Christen nennen, dürfen und sollen unser Vaterland lieben: das Land, das uns das Leben gab, die Sprache, die uns unsere Mutter lehrte, die Menschen, die die gleiche Sprache sprechen, die Geschichte unseres Volkes, die Schönheit unseres Landes, wie sie von anderen immer wieder gerühmt wird.

Auch wir wollen - wie Christus - nicht viele Worte machen über die recht verstandene Vaterlandsliebe, wir wollen aber - wie Christus - treu zu unserem Vaterland stehen, seine Schönheit hüten und hegen.

 

Zum 2.: Das Vaterland hat Christus seine Liebe schlecht gedankt:

Wer das Christusleben auch nur ein wenig kennt, der weiß, dass der Herr mit all seiner Liebe bei seinem Volk aufs ganze gesehen nur Undank und wachsenden Widerstand gefunden hat:

Wie heißt es im Prolog zum JohEv? " … doch die Seinen nahmen Ihn nicht auf." In diesem Satz ist eigentlich alles gesagt. Es war der Dank des Vaterlandes für all die große Liebe des Herrn! Und der Grund?

Wir stehen hier vor einem Punkt von größter Wichtigkeit: Weil Christus nicht den Erwartungen entsprach, die die Führer des Volkes sich von einem Freund des Vaterlandes erwarteten; sie kannten nur engstirnigen, kurzsichtigen Nationalismus: Christus aber wollte dem universellen Auftrag seines Vaters nicht untreu werden; das Reich, das er im Auftrag seines Vaters zu gründen gekommen war, das Reich Gottes, wie er es nannte, dieses Reich kannte keine Grenzen, eine Waffen, keine nationalistische Bevorzugung eines einzelnen Volkes, es sollte vielmehr allen offenstehen, die guten Willens sind, nicht nur den Juden. Das haben ihm seine Gegner nicht verziehen; dafür musste er sterben; denn er war in den Augen seiner Gegner kein Freund des Volkes, sondern ein Verräter.

Verstehen wir von daher, warum Christus über Jerusalem weinte? Er sah mit prophetischem Blick, wie sein Volk an der widergöttlichen, engstirnig nationalistischen Haltung zerschellen wird, wie sein Vaterland mitsamt der heiligen Stadt Jerusalem zu Boden geschmettert wird, weil es seinen wahren Freund und Retter nicht erkannt und nicht aufgenommen hat: Das Jahr 70 hat die Voraussage Christi Wort für Wort erfüllt. Es war die Strafe für den Undank des Vaterlandes. Wie oft hat sich auch das im Lauf der Jahrhunderte wiederholt! Dass man den Getreuen Christi ihre Vaterlandsliebe mit krassem Undank vergolten hat, nur weil sie sich weigerten, den Menschen mehr zu gehorchen als Gott und seinen Geboten.

 

Zum 3.: Christus blieb seinem Volk und Vaterland treu trotz allem, bis in den Tod. Er hat sein Heimatland, sein Volk nicht verlassen, als man ihn verließ, er hat das Volk nicht verflucht, als man ihn verfluchte, segenspendend ging er durch das Land, bis zuletzt. Er hat sein Volk nicht verraten, auch nicht, als man ihn verriet und an die Römer auslieferte, um ihn ans Kreuz zu bringen. Noch am Kreuz hat er für seine Gegner gebetet. Er gab sein Leben hin für sein VolK, das ihn als Heiland und Messias verworfen hat. Damit hat Christus allen Christen den Weg vorgezeichnet, den wir zu gehen haben.