28. Sonntag im Jahreskreis - C

gehalten in St. M. Loreto am 13.Oktober 1974

 

Ein Wunderbericht aus dem Leben Jesu, den wir alle längst kennen, ist der Inhalt des heutigen SoEv.: Schlicht und einfach wird es berichtet: Zehn Aussätzige nahen sich dem Heiland und flehen ihn an, ihnen in ihrer furchtbaren Krankheit zu helfen. Der Herr schickt sie - scheinbar ohne ihre Bitte zu erfüllen - von sich weg zu den Priestern. Auf dem Weg zu diesen werden sie wunderbar geheilt. Ein einziger von den zehn Geheilten, der noch dazu ein Samariter, ein Fremdling war, findet es für nötig, umzukehren und dem Herrn zu danken. Und nur dieser eine ist wirklich zum Glauben gekommen und auch seelisch geheilt und gerettet worden. .Dabei war das, was er tat, gar nicht die An e1egenheit besonderer Frömmigkeit, besonderer Religiosität, o nein, durchaus nicht; was er tat, war ganz einfach primitivster Anstand, ein Stück guter Erziehung, ein Stück echter Menschlichkeit. Denn warum sollte er nicht umkehren und danken, nachdem er das Größte erfahren hatte, nämlich das, was er niemals mehr zu hoffen gewagt hatte: Totale Heilung vom Aussatz, volle Gesundheit und damit gleichsam der Beginn eines neuen Lebens! Dafür zu danken war wahrhaftig den kleinen Umweg, diesen minimalen Zeitverlust, den er dabei auf sich nahm, wert.

Und die anderen? Die große Mehrzahl? Die neun? Haben sie etwa aus Bosheit so gehandelt, aus gemeiner, niedriger Gesinnung? Wohl kaum! Sie unterließen das Danken wohl nur aus einer gewissen Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit heraus. Vielleicht steckte wirklich nichts weiter dahinter, dass sie auf das Danken vergaßen. Und doch liefen sie dadurch Gefahr, ihr Heil zu verscherzen.

Eine ernste Mahnung steckt dahinter für uns alle: Es sind bei dem, was wir gewöhnlich fehlen und sündigen, nicht nur und nicht einmal zuerst Todsünden dahinter, meist ist es auch bei uns nur die Unterlassung des Selbstverständlichen, und zwar aus Oberflächlichkeit, aus Gedankenlosigkeit, aus Vergesslichkeit. Dabei bringen wir uns vielleicht gerade dadurch um das einzig Entscheidende, um Gottes Gnade, um unser ewiges Heil, um den Himmel.

Bei vielen Menschen ist es heute jedenfalls oft so, dass hinter dem Mangel an echtem Glauben genau das steckt, was wir an den neun geheilten Aussätzigen beobachten: Undankbarkeit aus Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit. Es gibt aber tatsächlich eine Form der Undankbarkeit, die unverzeihlich ist, sonst hätte der Heiland nicht geklagt: "Wo sind denn die übrigen neun?" Dass sie vom Schrecklichsten, was es damals an Krankheit gab, vom lebenslänglichen Aussatz geheilt wurden, buchstäblich ein neues Leben geschenkt bekamen und dann doch dem Urheber dieser Wohltat zu danken vergaßen, so etwas ist unverzeihlich!

Ist es nicht eigentlich ein erschütterndes Bild: Der Herr Jesus mit diesem einen, der ihm zu Füßen liegt und Gott mit lauter Stimme dankbar lobt - und schon weit weg in der Ferne die neun anderen. "Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind denn die übrigen neun?"

Undankbarkeit unter den Menschen kann wirklich eine schwere Sünde sein, denn der Undank bricht dem Menschen das Herz! Mir sagte einmal ein Altersheim-Seelsorger: "Es gibt da in diesem Altersheim erschütternde Fälle von Undankbarkeit. Da sitzt z.B. Tag für Tag, Jahr für Jahr eine achtzigjährige, halbgelähmte Mutter im Lehnstuhl. Keines ihrer Kinder hat Zeit für sie. Kaum je ein Besuch. Man bezahlt über den Postscheck die billige Pension, ziemlich genau 10 Prozent von dem, was man monatlich für Kosmetika und alkoholische Getränke ausgibt; über das Wochenende ist man weg und während der Woche hat man seine Arbeit und unmöglich Zeit für die alte, gelähmte Mutter im Altersheim. Dabei hat diese Mutter alles, aber auch alles für ihre Kinder getan. Ihr einziger Fehler war: Man wird sie nicht beerben können, sie hat es dummerweise nicht verstanden, Reichtum anzusammeln." Dieser schwarze Undank vieler erwachsener Kinder gegen ihre alten Eltern ist oft erschütternd. Auch sonst gibt es genug Undank unter den Menschen.

Noch viel schwerer wiegt die Undankbarkeit Gott gegenüber! Dem Heiland hat der Undank der Menschen Gott gegenüber wortwörtlich das Herz gebrochen, als er am Kreuze hing und klagen musste: "Mein Volk, mein Volk, was tat ich dir? Antworte mir!" So viele reden sich dort, wo sie Gott im Gebet und in der Teilnahme am Gottesdienst den Dank abstatten sollten, darauf aus, sie hätten keine Zeit. Es gibt nun aber Dinge, für die man einfach Zeit haben muss oder man versündigt sich eben schwer.

Undank gegen Gott ist Mangel an Glauben! Dankbarkeit im Herzen und daraus resultierend Danksagung auf den Lippen ist eine Form des Glaubens, durch den Heil und Rettung geschieht. Was sagt der Heiland zu dem einen dankbaren Samariter? "Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gesund gemacht!“ Erst durch die Abstattung des Dankes für die wunderbare Heilung zeigte sich an diesem Menschen sein echter, tiefer Glaube. Dieser Glaube aber wieder bewirkt an diesem Menschen die volle Heilung und Gesundung: über die Heilung und Gesundung des kranken, aussätzigen Leibes hinaus auch die Heilung, Gesundung und Rettung seiner unsterblichen Seele für die Ewigkeit.

Wir feiern die Eucharistie! Eucharistie kommt aus dem Griechischen und heißt nichts anderes als Danksagung! Je mehr wir es verstehen, uns für die Teilnahme an der Eucharistiefeier Zeit zu nehmen, nicht bloß sonntags, sondern auch werktags, umso mehr bekunden wir dabei dann unsere Dankbarkeit Gott gegenüber für alle seine Gnaden und Wohltaten, mit denen er uns schon überhäuft hat; Dankbarkeit vor allem dafür, dass er unsere Seele vom Aussatz der Sünde geheilt hat. Er sprach auch zu uns schon oft das, was er zu den 10 Aussätzigen gesprochen hat: Zeiget euch den Priestern! Wir haben uns im Bußsakrament einem Priester gezeigt in aller Demut und Reue und Aufrichtigkeit unseres Sündenbekenntnisses und wurden dann vom Aussatz der Sünde wunderbar geheilt! Wie wenig Dankbarkeit ist heute gerade für dieses heilende Sakrament, für das Bußsakrament in den meisten Katholiken vorhanden! "Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott!" - "Das ist        würdig und recht!" Sagen wir es nicht nur. Halten wir uns daran. Und danken wir Gott immer wieder und allezeit für alles, für Gnaden und Wohltaten und alles Freudige und Schöne in unserem Leben, aber auch für alles Harte und Leidvolle, mit dem er uns etwa geprüft und heimgesucht hat, denn Er meint es auch dann unendlich gut mit uns. Wenn ich das sage, steht jener Fürst Windischgrätz vor meinen Augen, dem ich am Ende meiner römischen Studienzeit, weil ich von den deutschen Behörden kein Visum zur Heimfahrt nach Salzburg bekam, ein halbes Jahr als Sekretär und Hauskaplan diente. Dieser damals kaum 50jährige Fürst hatte durch Kreislaufstörungen zuerst ein Bein und dann vollständig das Augenlicht verloren. Eines Abends sagte der Fürst, der noch einen Besitz von 60.000 ha besaß, zu mir: "Hochwürden, ich möchte Ihnen etwas anvertrauen: Schauen Sie, ich weiß ganz genau, wie meine Umgebung, meine Frau, die Fürstin, meine Söhne, meine Beamten und Angestellten von mir denken: Sie meinen doch alle, es wäre bei meinem Zustand das Gescheiteste, ich würde mir eine Kugel durch den Kopf jagen. Ihnen aber verrate ich es: Seit ich blind geworden bin, habe ich keinen Tag unterlassen das Te Deum zu beten, denn seit damals bin ich innerlich sehend geworden!"

Seht, das ist wahre Dankbarkeit gegen Gott, auch noch bei schwerer Prüfung und Heimsuchung. Täglich durfte ich mit päpstlicher Erlaubnis im Arbeitszimmer des Fürsten die hl. Messe feiern. Der Fürst aber ministrierte mir vom Lehnstuhl aus und kommunizierte mit größter Andacht. Er wusste: Eucharistie heißt Danksagung!