25. Sonntag im Jahreskreis - C

gehalten in Goldenstein am 19.9.1971

 

Die Frohbotschaft der Hl. Schrift soll Sonntag für Sonntag dem Christen sittliche Maßstäbe an die Hand geben, um die Anforderungen des Lebens und des Berufes in wahrhaft christlicher Haltung bewältigen zu können. Wenn es aber im Evangeliums dieses heutigen So. heißt, dass der Herr "den unehrlichen Verwalter lobt und sagt, er habe klug gehandelt (Lk 16,8), dann scheinen im Ev. die Dinge auf den Kopf gestellt zu sein, Tatsächlich bietet dieses Gleichnis vom ungerechten Verwalter eine Menge von Schwierigkeiten. Es hat darum im Laufe der Jahrhunderte eine Fülle von Deutungsversuchen gegeben, um diesen Schwierigkeiten zu entgehen oder man hat es sich besonders einfach gemacht und gesagt: Wir streichen am besten diesen Text; er ist ja für das religiös-sittliche Leben völlig unfruchtbar; wir haben so viele andere kostbare Texte in der Hl. Schrift, so dass wir leicht ohne diesen Text mit dem Gleichnis vom ungerechten Verwalter auskommen. Eine solche Einstellung wäre so ähnlich, wie wenn eine Familie einen Sohn, der ihr Schwierigkeiten macht, einfach auf die Straße setzt, weil sie noch andere, gut erzogene Kinder hat.

Nein, das Gleichnis steht nun einmal da im heutigen Ev., es ist auch Wort Gottes, Wort des Herrn, und die Kirche setzt es uns heute als SoEv vor. Also müssen wir aus diesem Gleichnis dennoch für unser religiös-sittliches Leben einiges oder vielleicht sogar viel herausholen können. Es kommt nur alles auf die richtige Auslegung dieses Gleichnisses an, das so recht aus dem Leben genommen ist, denn dieser ungerechte Verwalter, ein richtiger Gauner und Betrüger, hat ja zu allen Zeiten viele Nachahmer gefunden. Betrug, Schwindel, Korruption hat es überall gegeben: in jedem staatlichen Gebilde, in jeder Partei, in jeder Gemeinschaft, wo Menschen egoistisch nur an sich denken und meinen, dass ihr selbstsüchtiger Zweck die schäbigen Mittel, die sie gebrauchen, heilige.

Aber was lobt denn der Herr an diesem ungerechten Verwalter und seinen Nachahmern unter den Kindern dieser Welt? Lobt er etwa seine Ungerechtigkeit, seine Betrügereien? Nein, wahrlich nicht. Der Herr lobt an ihm nur die Klugheit, mit der er sich in höchster Not zu helfen weiß.

Worin besteht die Klugheit des ungerechten Verwalters? Er überschaut jetzt, da man ihm auf seine Tricks, Machenschaften und Betrügereien gekommen ist, sofort den Ernst seiner Lage, er nimmt unvoreingenommen und nüchtern seine Notlage wahr, er überlegt und denkt an die Zukunft: "Was wird jetzt aus mir werden?" Er schöpft die noch vorhandenen Möglichkeiten aus, um die momentane Notlage zu wenden. Daraus sollten wir lernen. Wir alle sind in noch viel größerer Not angesichts des kommenden Gerichtes. Es kommt alles darauf an, die rechte Entscheidung für die letzte, entscheidungsvollste Stunde und für die Ewigkeit zu treffen. Wir müssen unsere Situation angesichts der über kurz oder lang über jeden von uns hereinbrechenden Ewigkeit richtig erfassen und beurteilen. Der ungerechte Verwalter hat nicht vorschnell kapituliert und Schluss gemacht, er hat den Mut aufgebracht, weiter zu denken, er hat sich gesagt: Meine Situation ist jetzt verzweifelt ernst, aber noch nicht zum verzweifeln. Es ist noch nicht aller Tage Abend. Er macht das Beste aus dem, was nicht mehr zu ändern ist.

Darin kann sogar dieser Gauner uns Vorbild sein. Wir brauchen dort, wo es um unser ewiges Heil geht, nur diesen ungerechten Verwalter und seine Nachahmer, die "Weltkinder" ansehen: Mit was für einer Energie, Ausdauer, Umsicht, Folgerichtigkeit und Klugheit betreiben sie ihre Geschäfte! Sind wir Kinder des Lichtes mit gleicher Energie und Ausdauer und Umsicht auf das ewige Heil, auf das Reich Gottes, auf das Streben nach Vollkommenheit und Heiligkeit bedacht? Was wird alles von Menschen eingesetzt und investiert, um das Böse zu erreichen, wie viel Intelligenz und Tatkraft setzen manche Gauner daran, um ihre Verbrechen auszuführen, Kriege vorzubereiten oder zu verlängern! Wie erbärmlich schwach ist da doch oft unsere Ausdauer, unsere Energie, um bei uns, in unseren Gemeinschaften dem Guten zum Durchbruch zu verhelfen! Wie müde und lahm kämpfen und arbeiten doch oft die Christen, heute leider gerade auch durch die Priester, die Ordensleute in unserer Zeit für das Gute, für das Reich Gottes! Wie viel Trägheit des Herzens, wie viel Bequemlichkeit, wie viel Halbheit, wie viel Uninteressiertheit an den Intentionen Gottes und der Kirche! Wie viel Lahmheit und Halbheit und Herzensträgheit in der Verwirklichung des Ideals, dem man einmal sein Leben geweiht hat, etwa auch im Priesterstand, im Ordensstand!? Wie viel armselige Anpassung an die Welt im Großen wie im Kleinen, statt den Weltkindern vorzuleben, dass alles, was diese vergängliche Welt zu bieten hat, nicht das Letzte, nicht das Entscheidende, nicht das Bleibende ist! Wie viel Augenlust, Fleischeslust und Hoffahrt des Lebens, bei jenen, die dem Herrn ihr Leben geweiht haben und die nun in der Zeit der Suchtwelle und Sexwelle in erbärmlicher Opferscheu beschämt werden von den Weltkindern, die für ihre weltlichen Geschäfte, für ihre berufliche Karriere und für ihre Hobbys oft unglaublich große Opfer bringen und einen Einsatz wagen, der eines Besseren wert wäre!

Da lautet die Gebetsmeinung des Hl. Vaters für diesen Monat September 1971: "Dass die religiösen Orden durch gewissenhafte Beobachtung der evangelischen Räte das Zeugnis vollkommener Liebe geben!" Aber wenn man so manche Ordensleute heute ansieht, nicht bloß fahnenflüchtige und abtrünnige, so merkt man so wenig von einem echten Zeugnis vollkommener Gottesliebe, weil die evangelischen Räte der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams nicht mehr gewissenhaft beobachtet werden in falscher Anpassung an die Welt Da schreibt der angesehene und ungemein aufgeschlossene französische Theologe Henri de Lubac in seinem lesenswerten Büchlein "Krise zum Heil?" u.a. wörtlich: "Welche Karikierungen erleben wir heute nur zu oft bei der lautstark vertretenen Absicht, die vom Konzil ausgesprochenen Grundsätze einer zeitgemäßen Erneuerung des Ordenslebens großzügig in die Praxis zu übertragen, während man in Wirklichkeit das gerade Gegenteil tut! Gerade hier zeigen sich vielleicht die Verheerungen der Krise zugleich in der ernstesten und in der aufschlussreichsten Form, weil sie diejenigen erfassen, von denen man eigentlich die tätigste und konsequenteste geistige Treue zum 'duc in altum' des Konzils zu erwarten berechtigt war und weil ihr Einfluss zum Bösen wie zum Guten auf alle anderen Glieder der Kirche besonders stark ist. Welcher Abfall aller Art verbirgt sich dabei oft hinter dem lügenhaft missbrauchten Wort von der 'Erneuerung' !"

So viele meinen heute, zwei Herren dienen zu können, Gott und dem Mammon, Gott und der Welt. So viele meinen heute gleichzeitig vor Gott auf den Knien liegen und den Tanz um das goldene Kalb mitmachen zu können! Und so viele haben die Treue im Großen eingebüßt, weil sie vorher die Treue im Kleinen geringschätzten und sich leichtfertig über alles, was bisher für zum rechten Ordensgeist gehörig erachtet worden war, hinwegsetzten! Paulus sagt uns, was wir zu tun haben: "Wir aber müssen uns rühmen im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus, der sich als Lösegeld hingab für alle: ein Zeugnis zur rechten Zeit!" Treue zum echten Christentum, Treue zum Beruf fordert die Zeit von uns, nicht ein Gleichförmigwerden mit der Welt, sondern bei aller Bejahung der Aufgaben in der Welt und an der Welt die rechte Distanz zur Welt, ja sogar richtig verstanden Weltverachtung im Sinn des uns von Christus vorgelebten Mysterium crucis!