21. Sonntag im Jahreskreis

gehalten in Salzburg – Lehen am 22.8.1971

 

Sind es wenige, die gerettet werden? Sind es viele, die verdammt werden? Eine ganz entscheidungsvolle Frage, die die Menschen immer wieder beschäftigt hat, wurde eines Tage dem Herrn Jesus auf seiner Wanderung durch die Dörfer Palästinas gestellt.

Die einen, die einem sogenannten Heilspessimismus huldigten - und sie waren in früheren Zeiten weitaus die meisten - sie meinten: es würden nur wenige gerettet werden. Heute denkt man in einem eigenartigen Heilsoptimismus genau umgekehrt: Es werde kaum jemand verlorengehen und verdammt werden. "Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel!" So singt man in Heurigen-Seligkeit. Aber auch ernst zu nehmende moderne Theologen meinen heute, es würde kaum jemand verlorengehen und verdammt werden, denn Gott sei viel zu gütig und barmherzig und er sei nicht kleinlich, und schwere Sünde, für die man verdammt würde, gäbe, es ja doch kaum. Auch sogar der kürzlich verstorbene, bedeutende französische Dominikanertheologe Kardinal Yves Congar meint in seinem kleinen Büchlein "Außer der Kirche kein Heil" (Essen 1961, S.156), wir dürften einen hoffnungsvollen Heilsoptimismus vertreten; und er erzählt zur Veranschaulichung folgende Geschichte: "Im Oktober 1955 spielte sich folgende Begebenheit ab: Der Vater eines 10jährigen, praktisch von Geburt an blinden Jungen, hatte den Kleinen in mühevoller Pilgerfahrt aus der Bretagne nach Lourdes gebracht, um dort zu bitten: "Herr, lass mein Kind sehend werden!" In Lourdes öffneten sich dann tatsächlich während des Kreuzweges plötzlich die Augen des Knaben. Der erste Blick des sehend gewordenen Knaben traf den Vater, dessen Gesicht er zum ersten Mal entdeckte; sein ersten Worte aber waren: "Vater, sind hier aber viele Menschen!" Da meint nun der Theologe Y. Congar: "Ist das nicht ein Gleichnis für das, was sich am Ende abspielen wird, wenn viele Menschen endlich die Augen öffnen und das Angesicht ihre himmlischen Vaters entdecken werden und wenn sie erstaunt über die Großzügigkeit Gottes ausrufen werden: "Sind hier aber viele Menschen!" Und der Theologe fügt noch die Bemerkung an: "Man möge doch nicht befürchten, dass sich aus einem solchen Heilsoptimismus bei den Gläubigen Leichtsinn ergeben könnte. Haben nicht eher überstrenge Predigten zu Leichtsinn geführt? Der moderne Mensch lehnt eine Religion leidenschaftlich ab, die sich als Erpressung offenbart oder zu offenbaren scheint. Wegen seiner seelischen Umschichtung führt beim modernen Menschen der Weg zum Heil weniger über das Grauen vor Schuld und Hölle als vielmehr über seine Verantwortung am Nächsten und an der Welt.

 

Die Haltung des Christen wird eifriger, froher und erlöster, wenn ihm gesagt werden kann: "Viele werden gerettet", entsprechend der Schau des Apostels Johannes in der GehOffb (7,9):"Siehe, da war eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Völkern, Stämmen, Geschlechtern und Sprachen" ...Starke Hoffnung schließt den Ernst um die Ewigkeit nicht aus; der Ernst um die Ewigkeit muss durchaus gewahrt werden. Dieser Ernst gründet aber nicht im Wissen um die Zahl der zur Hölle Verdammten, sondern im Wissen um den unerhörten Aufwand Gottes und Jesu Christi, uns Menschen vor der Hölle zu retten und uns das ewige Heil zu erwerben."

Das sind sicher richtige Gedanken. Und doch meine ich, wir sollten weder einem falschen Heilspessismus noch einem übertriebenen Heilsoptimismus huldigen in der Beantwortung der Frage, ob viele oder wenige gerettet werden, ob viele oder wenige nur verdammt werden.

Welche Antwort hat denn der göttliche Heiland auf die ihm gestellte Frage: „Herr, werden nur wenige gerettet werden?“ gegeben. Er hat weder gesagt, dass nur wenige gerettet werden, noch hat er gesagt, dass viele oder gar alle gerettet werden. Er hat vielmehr gesagt: "Gebt euch Mühe, und zwar mit allen Kräften, durch die enge Pforte hineinzukommen. Denn ich sage euch: viele werden wohl versuchen, hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen!" Der Herr beantwortet also die Frage weder mit Ja noch mit nein. Seine Antwort ist eine Mahnung, ist ein sehr ernster Rat: Gebt euch Mühe! Das Reich Gottes wird nicht zu Schleuderpreisen verkauft! Es kostet Mühe!

Die Sportler in der Bundesliga wissen es: Wir leben in einem scharfen Wettkampf! Die Gewerbetreibenden einer Stadt wissen es: Wir leben in einem scharfen Konkurrenzkampf! Es ist nicht leicht, sich eine Existenz aufzubauen. Wer es zu etwas bringen will, muss sich schon anstrengen. Es gibt im Leben viele enge Pforten: Nicht jeder wird ein Meister. Nicht jeder erreicht einen Posten, nach dem er sich gesehnt hat. Das Leben schenkt uns nichts. Noch weniger können wir vom Reich Gottes erwarten, dass es uns ohne jegliche Anstrengung geschenkt wird. Es hat eine enge Pforte.

"Gebt euch Mühe! Und zwar mit allen Kräften, durch die enge Pforte hineinzukommen!" Wie äußert sich dieses Sich—Mühe—geben? Sicher geht es hier nicht darum, wer die besten Ellenbogen hat. Sicher geht es hier ganz allgemein nicht darum, wer sich durchsetzen kann mit der Taktik der Taktlosen nach dem Motto "Frechheit siegt". Hier geht es um das liebende Erkennen und Erkanntwerden. Alle werden klopfen, die vor der Pforte stehen. Sie werden umso mehr klopfen, wenn die Pforte geschlossen ist. Und wenn wir uns an das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen erinnern, wissen wir, warum die törichten Jungfrauen vor der verschlossenen Türe stehen und rufen: Herr, Herr, mach uns doch auf! Sie sind zu spät gekommen und stehen nun vor verschlossener Tür, weil sie die Zeit des Erdenlebens und Wirkens verschlafen haben und weil ihnen das Öl für ihre Lampen ausgegangen ist, das Öl der Liebe, der Gnade, der guten Werke.

Sie werden klopfen und rufen: "Herr, mach uns doch auf!" Er aber wird ihnen antworten: "Ich weiß nicht, woher ihr seid! Ich kenne euch nicht!" Und wenn sie dann sagen: "Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken... so wird es dann heißen: "Das nützt jetzt gar nichts, dass Ihr bei mir gewesen seid, dass ihr Mitglieder meiner Kirche gewesen seid, dass ihr katholisch gewesen seid und manchmal sogar praktiziert habt, so von oben herab, als ob ihr mir großmütig einen Gefallen erweisen wolltet...Ich kenne euch trotzdem nicht. Es fehlt jetzt meinerseits euch gegenüber das, was euch mir gegenüber gefehlt hat: die Liebe! Darum weg von mir! Weg mit euch!"

Dann wird es - so sagt der Herr im heutigen Sonntagsevangelium – ein Heulen und Zähneknirschen darüber geben, dass es andere geschafft haben, hineinzukommen in das Himmelreich, andere, von denen man es gar nicht vermutet hatte Nichtkatholiken, ja sogar Nichtchristen, Juden und Heiden, denen so viele Gnaden versagt blieben und denen so viele Gnadenmittel nicht zur Verfügung standen wie etwa einem Mitglied der wahren Kirche Christi, die aber doch redlich sich bemüht haben, in allem den Willen Gottes zu erfüllen, soweit sie ihn erkannten, und Gott von Herzen zu lieben... Ja, von Ost und West, von Süd und Nord werden solche Menschen dann kommen und im Reiche Gottes zu Tische sitzen... Die Kinder des Reiches aber, die Glieder der Kirche aber, die sich des ewigen Heils so sicher waren und gemeint hatten, durch die Taufe, durch den katholischen Taufschein auch schon eine Blankovollmacht und eine Versicherungspolizze für die Ewigkeit schon in der Hand zu haben, und dabei das kostbare Erbe verprassten und die anvertrauten Talente des wahren Glaubens und der ihnen zu Gebote stehenden Gnadenmittel unbe­nützt vergruben, werden vom ewigen Heil ausgeschlossen bleiben und jene, die die Ersten hätten werden sollen, werden höchstens die Letzten, die Allerletzten sein! Wahrlich, eine ernste Mahnung ist es, die da Christus heute uns allen gibt!