16. Sonntag im Jahreskreis C

gehalten in St. M. Loreto am 17.7.1977

 

Christus in Bethanien bei den drei gastfreundlichen Geschwistern Lazarus, Martha und Maria! Was hat uns wohl dieses Sonntagsevangelium zu sagen? Ist es etwa speziell für einen Sonntag in der Urlaubs- und Ferienzeit bestimmt? Das wäre gar nicht so unwahrscheinlich, denn wir erfahren in diesem heutigen Evangelium, dass auch Christus selbst bisweilen bei lieben, wohlgesinnten, gastfreundlichen Menschen ausgespannt hat, freilich immer so, dass er dabei nicht versäumte, die Menschen, mit denen er zusammentraf, durch Wort und Beispiel zu belehren und höher zu führen.

Der liebliche Ort, wo das gastliche Haus der drei Geschwister Lazarus, Martha und Maria sich befand, lag am südöstlichen Abhang des Ölbergs, ungefähr 15 Stadien, das wären ungefähr 40 Minuten zum Gehen, von Jerusalem entfernt an der Straße nach Jericho.

Der Menschensohn, der während seines öffentlichen Wirkens kein Heim hatte und sich von der Gastfreundschaft guter Menschen abhängig gemacht hatte, kehrte nun gern nach seiner anstrengenden und oft so aufregenden Missionstätigkeit bei den drei Geschwistern ein. Mit ihnen verband ihn eine edle Freundschaft, denn der Apostel und Evangelist Johannes berichtet ausdrücklich: "Jesus hatte Martha, ihre Schwester Maria und den Lazarus lieb."

Die beiden Schwestern des Lazarus bezeugen ebenfalls ausdrücklich, dass Jesus ihrem Bruder freundschaftlich zugetan war, denn als Lazarus eines Tages schwer erkrankte, schickten Martha und Maria zu Jesus die Nachricht: "Herr, der, den Du lieb hast, der ist krank!" Und schließlich bezeugten es sogar die Juden, dass Jesus mit Lazarus freundschaftlich verbunden war, denn als Jesus an Grab des Lazarus in Tränen ausbrach, sagten sie: "Seht, wie lieb Er ihn hatte!"

Es muss etwas Beglückendes und überaus Schönes um diese Freundschaft gewesen sein, die nicht aus sentimentalen Gefühlen oder gar aus Sinnlichkeit geboren war, auch nicht auf äußere materielle Vorteile ausgerichtet war und sicher nicht selbstsüchtige, egoistische Motive kannte; es war eine erhebende Seelenfreundschaft. Wenn Jesus und sein Freund Lazarus nach dem gemeinsamen Mahl mit einander, wie es in Israel schöner Brauch war, Psalmen beteten zum Lobpreis des Vaters im Himmel und Jesus dann im religiösen Gespräch seinen Freund Lazarus in das rechte Verständnis der Psalmen einführte und so neben dem mit guten Speisen gedeckten Tisch auch der Tisch des Wortes Gottes reichlich gedeckt wurde, da mag diese Freundschaft, die sich in der Treue bis in den Tod, ja wortwörtlich bis über das Grab hinaus` wunderbar bewährte, beglückende Höhepunkte erreicht haben.

Ist das alles nicht auch für uns beachtenswert? Es geht ja nichts über eine innige Freundschaft mit unserem Herrn und Heiland Jesu Christus, denn nur diese Freundschaft kann über dunkle, einsame, schwere Stunden, über Prüfungen und Schwierigkeiten, Versuchungen und Krisen hinweghelfen! Man müsste nur im Lauf des Lebens immer tiefer in diese Freundschaft mit Jesus hineinwachsen und sich vor allem in der Treue zu diesem besten Freund bewähren.

Was braucht es denn zur rechten, trauten Seelenfreundschaft mit Christus?

  1. Vor allem das Leben im Gnadenstand. Als uns in der Hl. Taufe die hlgm. Gnade, das göttliche Leben der Gnade eingegossen wurde, in diesem Augenblick wurde die Freundschaft mit Christus geschlossen und besiegelt. Durch die schwere Sünde aber geht die hlgm. Gnade verloren und die Freundschaft mit Christus hört zu bestehen auf. Auf Grund des Gnadenstandes aber pulst das gleiche göttliche Leben durch das Herz Jesu und durch mein Herz. So kann sich dann Freundschaft zwischen mir und Ihm auswirken und froh und glücklich machen für Zeit und Ewigkeit.
  2. Was braucht es noch zur Pflege der rechten Freundschaft zwischen uns und Christus? Das häufige Beisammensein mit ihm zu trauter Zwiesprache! Wann geschieht das am schönsten? Sicher bei der würdig empfangenen hl. Kommunion und in den kostbaren Augenblicken nach der hl. Kommunion, wenn man in der Danksagung Christus, dem besten Freund, der nun wahrhaft und wirklich bei mir weilt, alles sagen alles klagen, alles ans Herz legen kann. Ähnliche Gelegenheiten zur freundschaftlichen Aussprache mit Christus bietet die Besuchung des Allerheiligsten zu stillem Gebet vor dem Tabernakel oder vor dem ausgesetzten Allerheiligsten.
  3. Noch etwas braucht es zur Pflege der rechten Seelenfreundschaft mit Christus, nämlich das Bemühen um die rechte Innerlichkeit, indem man sich fernhält von jeder oberflächlichen, gedankenlosen Ausgegossenheit in rein äußerer Betriebsamkeit und erst recht von jeder geisttötenden Vergnügungssucht !

 

Lazarus spürte es sicher bei jeder Begegnung mit seinem Freund Jesus, wie ihn dieses Zusammensein bereicherte, innerlich froh und frei und friedvoll ausgeglichen machte. Immer mehr mag es ihn gedrängt haben: Ich muss so werden wie Er, ich muss Ihm immer ähnlicher werden, ich muss von Ihm lernen; Er hat ja selber gesagt: "Lernet von mir, denn Ich bin sanft und demütig von Herzen!"

Und wie es dem Lazarus in seiner Freundschaft mit Christus erging, so erging es auch den beiden Schwestern des Lazarus. Das wird uns ja heute im Evangelium so anschaulich geschildert, wie diese beiden Schwestern - jede in ihrer Art - die Freundschaft mit Christus zu pflegen ja sogar im schönsten Sinn des Wortes - zu genießen verstanden: Martha drückte ihre freundschaftliche Verbundenheit mit Christus vor allem durch Gastfreundschaft aus, in der sie dem zu stiller Rast eingekehrten Gast alles nur Erdenkliche darbieten wollte aus Küche und Keller. Sie wusste, dass Jesus kein Heim und kein Lager hatte, wo er sein Haupt hinlegen kann (vgl. Mt 8,20). Darum entfaltete sie solchen Eifer, um dem Meister den Aufenthalt in jeder Beziehung angenehm zu gestalten. Sie wollte darum auch die Sorglosigkeit nicht recht begreifen, in der ihre Schwester ihr die Arbeit überließ, ohne auch nur irgendwie Hand anzulegen bei der Bedienung Jesu. Halb bittend, halb vorwurfsvoll wandte sie sich an Jesus: "Sag ihr doch, sie solle mir helfen!" (Lk 10,40). Man braucht gar nicht annehmen, dass Martha vielleicht von Eifersucht gegenüber ihrer Schwester Maria getrieben wurde. Es war nur ihr ehrliches Bemühen um das leibliche Wohl des Herrn, das sie leitete. Jesus aber sagte ihr nun, dass sie in ihrer Sorge um sein leibliches Wohl etwas zu weit ging und dass er diesbezüglich mit weniger auch schon zufrieden sei: „Martha, Martha, du sorgst und kümmerst dich um gar viele Dinge! Eines nur ist notwendig!" Manche Exegeten haben gemeint, Jesus habe unter dem einen Notwendigen eine ganz schlichte, einfache Bewirtung verstanden. Das war aber sicher nicht der eigentliche Sinn der Worte Jesu. Es handelte sich hier sicher nicht um das, was Jesus für sich wünschte, sondern um das, was für die beiden Schwestern Martha und Maria, bzw. für alle, die mit Christus freundschaftlich verbunden sein wollen, in religiöser Hinsicht von Nutzen ist: Jesus wollte in keiner Weise die gastfreundlich-frauliche Arbeit der Martha, dieser Verkörperung des aktiven Lebens, verurteilen. Dienst an Christus ist ja immer auch Gottesdienst im eigentlichen Sinn des Wortes und was wir dem Geringsten seiner Brüder getan haben, das haben wir bekanntlich Ihm selbst getan. Aber höher als der Hände Arbeit beim Verrichten der Werke der Barmherzigkeit steht im Wert die Erhebung des inneren Menschen zu Gott im Gebet, in der Betrachtung, in der Meditation, in der Kontemplation.

Maria, die andere Lazarusschwester, war von Anfang an ein stilles, beschauliches Wesen eigen. Sie setzte sich zu Füßen des Meisters und lauschte seinen Worten, ohne von ihm sich abzuwenden, unbekümmert um die Hausfrauensorgen ihrer Schwester Martha. Sie wollte die wenigen Stunden, die Jesus in ihrem Haus zubrachte, voll ausnützen und im besten Sinn des Wortes genießen. Wie erfrischender Tau trafen die von göttlicher Weisheit erfüllten Worte Jesu in die wahrheitshungrige Seele Marias. Alles um sich herum vergaß sie, ganz versunken in die Tiefen göttlicher Geheimnisse, die Christus ihr im Gespräch erschloss. Was könnte sie denn mehr beglücken als diese traute Zwiesprache mit dem besten Freund Christus, dem Künder ewiger Wahrheiten? Was könne sie jetzt mehr fesseln als die greifbare Nähe des Göttlichen in diesem Menschen, in welchem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt? Und wie mag sich auch Christus selbst gefreut haben, in Maria eine für die Wahrheit so aufgeschlossene Seele vor sich zu haben! Kardinal Faulhaber hat einmal die beiden Schwestern treffend so charakterisiert: "Martha war die lebendige Küche, Maria die lebendige Kapelle im Hause des Lazarus!“

Ob es nicht darauf ankäme, möglichst harmonisch beides im geistlichen Leben zu verbinden, was diese beiden Schwestern in ihrer Freundschaft mit Christus so unübertrefflich verkörpert haben: das aktive Leben Marthas im liebenden Einsatz für Christus und für all jene, mit denen Er  sich identifiziert hat, und das kontemplative Leben Marias, die ganz Ohr war für die Worte aus dem Munde Jesu und die sich nicht sattsehen und satthören konnte an diesem liebenswürdigsten und besten, edelsten und treuesten Freund!

Eins sollten wir jedenfalls aus dem heutigen SoEv lernen: Es geht nichts über Schönheit, Wert, Glück und Segen einer innigen Freundschaft mit Jesus Christus, der nicht nur zu den Aposteln, sondern zu uns allen, die wir Ihn von Herzen lieben und Ihm in Treue nachfolgen wollen, gesagt hat: "Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch kundgetan habe. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch aufgetragen habe! Das ist mein Gebot: Liebet einander, wie Ich euch geliebt habe!"(Joh 15,12ff)