12. Sonntag im Jahreskreis – C

gehalten in St. M. Loreto am 19.6.1983

 

Repräsentative Befragungen der Menschen nach ihrer Meinung über das und jenes, etwa vor Wahlen oder bei sonstigen Anlässen sind durchaus üblich geworden. Ganze Volksbefragungsinstitute gibt es da heute schon. Wir lesen immer wieder vor solchen Meinungsumfragen. Oft stimmt das Ergebnis, oft stimmt es nicht. Man kann bei solchen sogenannten repräsentativen Befragungen auch die Meinung der Menschen sehr leicht manipulieren, so dass dann herauskommt, was man gern als die allgemeine Meinung der Menschen hören möchte. Was im heutigen Sonntagsevangelium von unserem Herrn Jesus berichtet wird, war auch so eine Art Meinungsumfrage: "Für wen halten mich die Leute?" So fragte er die Apostel. Er hatte sicher vorher den Aposteln den Auftrag gegeben: Erkundigt euch bei der verschiedensten Leuten, was sie so von mir denken? Und nun sollten sie das Ergebnis der Befragung berichten. Sie taten es: Die einen halten dich für Johannes d. T., andere für Elias, wieder andere glauben, einer der alten Propheten sei auferstanden. Da sagte Jesus zu ihnen: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Da trat nun der Sprecher des Apostelkollegiums, Petrus, vor und sagte: Wir halten dich für den Messias Gottes, d.h. für den von den Propheten vorausgesagten göttlichen Messias. Im MtEv lautet die Antwort des Petrus noch deutlicher als im LkEv: "Du bist Christus, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!"

Da heißt es nun im heutigen Sonntagsevangelium: Jesus verbot den Aposteln strenge, es jemand weiterzusagen. Warum verbot er es ihnen? Etwa deshalb, weil es nicht stimmte? Weil Jesus sich nicht für den Messias Gottes, für den göttlichen Messias, für den messianischen Sohn des lebendigen Gottes hielt? Nein, wahrlich nicht deshalb, sondern nur aus dem Grund, weil sich die Leute den von den Propheten verheißenen Messias ganz anders, allzu irdisch vorstellten und in ihm einen politischer Befreier des unter der römischen Besatzungsmacht leidenden und unterdrückten Volkes erwarteten. Das aber wollte und durfte Jesus gemäß dem Auftrag des himmlischen Vaters nicht sein. Er fügte darum seinem Verbot, dem Volk zu sagen, dass er der Messias sei, gleich die wichtige Feststellung hinzu: Der Menschensohn, der Messias, wird kein politischer Befreier sein, sondern einer, der durch sein Sühnopfer die Menschheit von aller Sündenschuld erlösen wird. Darum: "Der Menschensohn muss vieles erleiden, er wird von der Ältesten, den Hohenpriestern und Schriftgelehrten verworfen werden, er wird getötet, aber am dritten Tag wird er auferstehen".

Jesus Christus ist der Messias, den Gott durch die Propheten verheißen hat und der seinen Weg nicht so geht, wie es die Menschen erwarten, sondern so, wie Gott Vater es ihm bestimmt hat.

Er ist von den Propheten verheißen als der leidende Gottesknecht, wie er beim Propheten Jesaja in den berühmten Gottesknechtliedern so ergreifend geschildert wird als einer, der wie ein Lamm zur Schlachtbark geführt wird, das dabei nicht den Mund auftut, sondern für die Menschen sühnend sich hinopfert im Leiden und Sterben am Kreuz.

Nicht wofür die Menschen Jesus gehalten haben, gilt, sondern was die Propheten im Auftrag Gottes vorausgesagt haben: Jesus ist mehr als die Propheten, er ist mehr als Moses, dem Gott am Sinai unter Blitz und Donner die Gebote übermittelt hat, er ist der eingeborene, wesensgleiche Sohn Gottes, der in einzigartigem Naheverhältnis zum himmlischen Vater steht: Er zeigt es in der Art, wie er Gott Vater anredet, nämlich mit dem so zarten, intimen Kosenamen Abba, Väterchen, lieber, guter Vater! Er verkündet nicht nur das Reich Gottes, sondern sagt, dass es in ihm schon angebrochen ist und in ihm schon da ist: Das Reich Gottes ist mitten unter euch! Hier, wo ich bin, da fängt die Königsherrschaft Gottes an, glaubt nur daran!

Zu dem, was Jesus wirklich zu sein beansprucht, nämlich mehr zu sein als die Propheten, mehr als Moses, mehr als alle anderen Heilbringergestalten, die bisher über diese Erde gegangen sind, kommt noch dazu, dass er das, was er selber an Leidvollem und Hartem auf sich nimmt, um die Menschen zu erlösen und zum ewigen Heil zu führen, auch von seinen Jüngern erwartet.

Er kündigt ihnen in seiner Nachfolge Leiden und Verfolgungen an: Haben sie Mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen! Und nun im heutigen Sonntagsevangelium: "Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich. So folge er Mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es retten!" Was ist das doch für eine Sprache! Kein leichtes und bequemes Leben wird denen verheißen, die Ernst machen mit der Nachfolge Christi, sondern Kreuz und Leid. Dafür dann aber einmal Siegesgemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn die ganze Ewigkeit hindurch!

Nehmen wir zuletzt zum Petrusbekenntnis im LkEv noch die Antwort Jesu, die er dem Petrus im MtEv gibt, hinzu: Dort hat Petrus zu Jesus nicht bloß gesagt: "Du bist der Messias Gottes!“, sondern: Du bist Christus, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! Was aber hat Christus darauf dem Petrus erwidert? Hat er zu Petrus etwa gesagt: Petrus, ich freue mich, dass du so groß von mir denkst, aber bleiben wir doch bei der Wahrheit! Ich bin auch nur ein Mensch , genau wie du. Nein, der Herr sagt dem Petrus: Was du über meine Gottessohnwürde gesagt hast, stimmt voll und ganz. Das hast du ganz richtig gesagt. Aber das hast du nicht aus dir selbst, das hat dir nicht Fleisch und Blut geoffenbart, sondern Mein Vater, der im Himmel ist! Ich aber sage nun dir: "Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen!"

Hier hören wir, dass Jesus eine Kirche stiften will, erbauen will, und zwar auf dem Felsenfundament des Petrus! Und diese Kirche Christi wird zwar verfolgt werden wie Christus selbst und wie alle Jünger Christi, die es ernst nehmen mit der Nachfolge Christi, aber auch die gegen die Kirche anstürmenden höllischen Mächte und Gewalten werden die Kirche nicht vernichten können. Aber wie Kreuz und Leid zu Christus gehört und wie Kreuz und Leid zum Jünger Christi gehört, der täglich sein Kreuz auf sich nehmen und so Christus nachfolgen muss, so gehört Kreuz und Leid, Verkennung und Verfolgung auch zur Kirche Christi.

 

Wir hätten in den vergangenen Jahren in Solidarität und Dankbarkeit viel mehr an jene Brüder und Schwestern in der so grausam verfolgten Kirche des Ostens denken sollen. Sie litten für uns, stellvertretend für uns!

Diese Bischöfe und Priester, diesen katholischen Männern und Frauen, die im kommunistischen Machtbereich lebten und es wagten, öffentlich gegen ihre Unterdrücker aufzutreten, sind zu bewundern.

Erinnern wir uns immer wieder an die tapferen Priester, Glaubensbrüder und Glaubensschwestern, die so viele Opfer um des Glaubens willen bringen mussten und die auf so vieles, was uns auf religiösem, liturgischem und insgesamt kirchlichem Gebiet zur Verfügung stand, verzichten mussten, dabei Spott und Hohn, Zurücksetzung und Einkerkerung zu leiden hatten und wahrhaftig in der Nachfolge des göttlichen Kreuzträgers einen oft sehr schmerzvollen Kreuzweg zu gehen hatten. Sie taten es auch für uns verweichlichte Katholiken im freien Westen und sie taten es in einem geheimnisvollen Lastenausgleich zur Sühne für unsere Glaubensschwäche und für den Glaubensabfall bei uns im freien Europa. "Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder des Leibes mit". So schreibt der hl. Paulus im 1 Kor 12,26. Leiden wir wirklich mit den verfolgten Glaubensbrüdern und Glaubensschwestern mit! Wie feige und opferscheu sind doch viele Katholiken bei uns!

Bedenken wir auch, dass es bei uns nicht bloß einer Korrektur des Christusbildes, sondern auch einer Korrektur des Kirchenbildes bedarf. Wie es falsch gewesen ist, sich einen politischen, triumphierenden Messias in Jesus vorzustellen - er wollte nicht triumphieren, sondern dienen, leiden und sühnen - so wollte er wohl auch keine billig triumphierende Kirche! Und wie er von sich gesagt hat: Der Menschensohn muss viel leiden..., so wollte er wohl auch - trotz aller Zusicherung, dass die Pforten der Hölle, die Mächte und Gewalten des Bösen die Kirche nicht zerstören können - ganz sicher auch, dass die Kirche viel leiden muss, auch wohl zur Sühne.

Christus und die Kirche: sie gehören zusammen in Freud und Leid. Sie lassen sich nicht auseinanderdividieren: Wo Christus ist, da ist die Kirche. Wie Christus ist, so ist die Kirche. Wir glauben an Ihn und seine Gottheit, wir glauben an sie, die Kirche, und ihre Göttlichkeit.

Wir halten uns an das Lied:

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land; aus ewigem Stein erbauet von Gottes Meisterhand. Gott, wir loben dich, Gott wir preisen dich. 0 lass im Hause dein uns stets geborgen sein.

WOHL tobet um die Mauer der Sturm in wilder Wut, das Haus wird's überdauern: Auf festem Grund es ruht.

Ob auch der Feind ihm dräue, anstürmt der Hölle Macht; des Heilands Lieb und Treue auf seinen Zinnen wacht.