4. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C

gehalten in St. M. Loreto am 1. Februar 1980

 

Das heutige SoEv - es ist die Fortsetzung des Ev vom vergangenen So - berichtet über die Reaktion der Nazaretaner auf die Tatsache, dass sich Jesus in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazaret eindeutig klar als den von den alttestamentlichen Propheten verheißenen Messias ausgegeben hatte: „Der Geist des Herrn ruht auf Mir, weil er mich gesalbt und gesandt hat, um den Armen die Heilsbotschaft zu bringen...“ Jesus hatte dieses vom Propheten Jesaja überlieferte Wort vorgelesen und dann ganz knapp und kurz, aber eindeutig klar erklärt: „Heute ist dieses Schriftwort, das ihr jetzt gehört habt, erfüllt!“

 

Die Reaktion der Nazaretaner war darauf zwiespältig: Zuerst Staunen u. Verwunderung, wohl auch beifällige, von Lokalpatriotismus beseelte Ergriffenheit, dass einer, der in ihrer Mitte aufgewachsen war, sich ein so gewaltiges Sendungsbewusstsein zutraute... Dann aber wurde sehr rasch ungläubiger Zweifel laut: Ist das nicht doch Größenwahn, was der sich da zutraut, wo er doch nur der Sohn Josefs, des Zimmermanns, ist? Zwar wird in letzter Zeit von überall her berichtet, dass er da und dort wunderbare Heilungen und Dämonenaustreibungen vorgenommen hat. Das können aber doch nur phantastische Gerüchte sein; bei uns jedenfalls hat er noch kein einziges Wunder gewirkt. Sicher waren dann im Volk auch schon pharisäische Hetzer an der Arbeit, die das Volk gegen Jesus aufputschten, so dass gar schnell die Stimmung aus einem Pro in ein Contra Jesum umschlug; aus der Begeisterung für Jesus war im Handumdrehen Ablehnung Jesu, ja sogar Hass gegen Ihn entstanden. Man versuchte zuletzt sogar, Jesus zu lynchen, ihn vom Rand des Felsenabgrunds draußen am Rand der Stadt Nazaret hinabzustürzen „ER ABER SCHRITT MITTEN DURCH DIE MENGE HINDURCH UND GING WEG“. So der Schluss des heutigen Evangeliums. Eigentlich ein zu tiefst erschütternder, tragischer Schluss: Jesus ging weg von seinen Landsleuten, wohl für immer, weil sie Ihm keinen Glauben geschenkt hatten.

Ich dachte mir beim Meditieren über dieses Ev.: Wie es Jesus wohl heute in seiner Heimatstadt Nazaret erqinge?

Aber fragen wir nicht danach, wie es Ihm in Nazaret, wie es Ihm heute in Israel, wie es Ihm heute anderswo erginge, fragen wir danach, wie es Ihm heute in unserem Land, in unserer Stadt erqinge. Oder fragen wir noch besser, wie es Ihm, dem Herrn Jesus Chnistus,in unserem Land, in unserer Stadt heute ergeht. Glaubt man denn in unserem Land, in unserer Stadt wirklich noch an Ihn und seine Heilsbotschaft? Oder ist man nicht vielfach — trotz dem noch äußerlichen Festhalten am Traditionschristentum — schon weit davon entfernt, auch wenn man nicht gerade aus der von Jesus Christus gestifteten Kirche austritt, wie in den vergangenen Jahren Tausende aus der Kirche ausgetreten sind, weil sie ihnen nichts mehr bedeutet; gewiss stehen manche dabei noch auf dem Standpunkt: diesen vorbildlichen, selbstlosen Menschen Jesus bejahe ich, aber die Kirche lehne ich ab. Dabei vergessen diese Menschen, dass sich Jesus Christus und die von Ihm gestiftete Kirche nicht auseinanderdividieren lassen. Im übrigen ist es ja nicht mit dem Bejahen und Anerkennen des vorbildlichen, selbstlosen Menschen Jesus getan. Man muss auch seine Gottheit, die sein eigentlichstes und tiefstes Persongeheimnis ausmacht, bejahen und daran glauben. Aber wie wenige tun das wirklich noch! Gerade in der Diskussion um den sogenannten Fall „Hans Küng“ hat sich das sehr deutlich gezeigt.

Da wurde in der Sitzung eines kirchlichen Gremiums berichtet, dass der Papst, die Päpstliche Glaubenskongregation und die deutschen Bischöfe festgestellt haben, Prof. Hans Küng verkürze die Lehre über Jesus Christus, weil er Jesus zu einem bloßen vorbildlichen Menschen für andere, einem bloßen Stellvertreter und Sachwalter Gottes und zu einem Menschen, der ungewöhnlich stark mit Gott verbunden war, mache, so dass sich in ihm Gott gleichsam manifestiert habe, niemals aber gebe Hans Küng offen und eindeutig zu, dass Jesus Christus der ewige, wesensgleiche Sohn Gottes des Vaters und damit „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ sei, und deswegen habe diesem Theologieprofessor die Lehrbefugnis als katholischer Theologe, der Priesterkandidaten ausbildet, entzogen werden müssen; da gab einer in diesem kirchlichen Gremium die Meinung von sich, man solle sich doch nicht um so nebensächliche Fragen streiten, entscheidend sei doch, dass wir alle gute Christen seien und die wahre Mitmenschlichkeit üben.

Wir sind heute so weit, dass die Frage nach der Gottheit Christi von vielen als nebensächliche Frage abgetan wird. Wie viele aber denken in unserem Land, in unserer Stadt nicht sch

on genau so? Kann man aber überhaupt noch ein echter Christ sein?

Wird heute nicht vielfach Jesus Christus in seinem eigentlichsten Wesen als menschgewordener Sohn Gottes des Vaters abgelehnt? Ist der Glaube an das, was wir im nicaeno-konst. Glaubensbekenntnis, im sogenannten Messcredo von Jesus Christus bekennen: „Gottt von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ nicht tatsächlich stark im Schwinden?! Und ist der Glaube an die wahre, wirkliche, reale Gegenwart Jesu Christi im heiligsten Sakrament des Altares nicht auch weithin im Schwinden? Die Nazaretaner glaubten damals vor allem deshalb nicht an Jesus, weil er die Wunder, die in Karphanaum und anderswo von Ihm gewirkt worden waren, in ihrer Stadt nicht wirkte. Er wirkte aber in Nazaret keine Wunder, weil er eben bei seinen Landsleuten keinen Glauben fand. Die Wunderzeichen Jesu weckten den Glauben der Menschen. Aber bisweilen ging Jesus umgekehrt vor: Er forderte zuerst Glauben an Ihn, an seine Sendung, an seine Messiaswürde, an sein geheimnisvolles Einssein mit Gott Vater, und dann erst wirkte Er, als Besiegelung und Bestätigung für diesen Glauben an Ihn Zeichen und Wunder.

Für uns wirkt der Herr Jesus immer wieder das Wunder der Hl. Eucharistie, von dem das Konzil von Trient feierlich erklärt hat, dass es dabei um eine „conversio singularis et mirabilis“ um eine einzigartige und wunderbare Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu geht. Wie aber steht es mit dem Glauben der Menschen in unserem Land, in unserer Stadt an dieses „Geheimnis des Glaubens“?

Man könnte sich heute wirklich oft vorstellen, dass Jesus — wie damals in Nazaret — durch die Menge armseliger Taufscheinkatholiken und Traditionschristen in dieser Stadt und in diesem Land hindurchschreitet und weggeht, weil wir seine tröstliche, beglückende, Heil und Gnade bringende Gegenwart unter uns gar nicht mehr verdienen!

Wer ist Jesus Christus? Was halten die Leute vom Menschensohn? Ist er nur einer der Propheten, ein charismatisch und prophetisch begnadeter Mensch? Oder ist er der wahre, wirkliche, wesensgleiche Sohn Gottes? Herr, wir glauben und bekennen: Du bist der Messias, der Sohn Gottes, der in diese Welt kommen soll.