29. Sonntag im Jahreskreis – LjB

gehalten in St. M. Loreto am 21.10. 1973

 

Prof. Dillersberger hat in seinem Kommentar zum MkEv diesen Abschnitt, der unser heutiges SoEv bildet, überschrieben mit dem zweifachen Titel: "Die große Bitte - die große Lehre". Das ist richtig gesehen.

 

1. Die große Bitte:

Sitzen zur Rechten und Linken des Herrn, wenn er in seine Herrlichkeit kommt! Was da die beiden Apostelbrüder Jakobus und Johannes dem Meister vortragen, ist wahrlich eine große Bitte. Sie spürten es selber, weil sie sich, bevor sie diese Bitte aussprachen, sehr kompliziert ausdrückten und — wie uns Mt berichtet - sogar ihre Mutter zu Hilfe nahmen als Fürsprecherin. Man wird dabei aber nicht nur tadelhaften Ehrgeiz und ungestüme Geltungssucht im Verlangen der beiden Jünger sehen dürfen, es war sicher auch Liebe zu Jesus, und Eifer für seine Sache und die große Begeisterung für das messianische Reich, das sie nahe glaubten. Aber es steckt wohl zu irdische Sicht des kommenden messianischen Reiches dahinter. Es klingt ja fast, als ob sich die beiden um die ersten Ministerposten an der Seite Jesu beworben und gemeint hätten, Jesus fange nun bald glorreich zu herrschen an und treibe die römische Besatzungsmacht aus dem Land hinaus. Wie haben die beiden doch das von Christus in seinen Predigten immer wieder angekündigte Reich Gottes missverstanden!

Und dennoch ist die Bitte der beiden groß! Der Herr bestätigt es mit der Antwort, die er ihnen gibt: "Ihr wisst nicht, um was ihr bittet!" Ja, es geht um etwas Großes in der Herrlichkeit beim Herrn zu sein, aber die Herrlichkeit des Menschensohnes beginnt erst, wenn er durch das Leiden und durch den Sühnetod am Kreuz hindurchgeschritten ist. Und die Anteilnahme an der Herrlichkeit des Menschensohnes, an der Auferstehungsherrlichkeit, beginnt für die Jünger Jesu erst, wenn sie zuerst auch teilgenommen haben an seinem Leiden, an seinem Sühnetod. So fragt nun Jesus die beiden Apostel: "Könnt Ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Oder könnt Ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?" Es geht um den Leidenskelch, den Jesus trinken musste und vor dem er in der Todesangst am Ölberg draußen in seiner wahren, echten Menschlichkeit sogar zurückschreckte, dass er den Vater bittet: "Vater, lass den Kelch an mir vorübergehen? Aber nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine!" Und es geht um die Bluttaufe des Sühnetodes, in welchem er von den Wasserfluten des Leidens, der Schmach, der Verlassenheit, der Schmerzen und der Trübsal ganz überflutet werde "Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Oder könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?"

Die beiden haben damals wohl kaum erfasst und verstanden, was sie da gefragt wurden. Sonst hätten sie nicht so spontan und selbstbewusst geantwortet "Wir können es!" Allzu schnell und rasch, ohne sich auch nur Mühe zu geben, zu erfassen, um was es ging gaben sie diese Antwort. Sie beachteten in ihrem Eifer und in ihrer Freude nur das eine, dass der Meister sie anscheinend mit ihrer großen Bitte nicht abgewiesen hatte; so wollten sie alle Bedingungen erfüllen, die Er stellte, damit sie zu seiner Rechten und zu seiner Linken sitzen können, wenn er in sein Reich kommen werde.

Ihre Antwort: "Wir können es!" will wohl besagen: Auch wenn das sehr arg werden sollte, was du, geschätzter Meister, mit dem Kelchtrinken und dem Getauftwerden meinst, auf jeden Fall lohnt sich jede Mühe, wenn wir dafür dann mit Dir herrschen und triumphieren können. Wir sind also zu allem bereit!

Nun folgt die Gewährung der großen Bitte: "Da sagte Jesus zu ihnen: 'Den Kelch, den ich trinke, werdet ihr trinken, und die Taufe, mit der ich getauft werde, werdet ihr empfangen. Doch es steht nicht mir zu, die Plätze zu meiner Rechten oder Linken zu verteilen; auf ihnen werden die sitzen, die dafür bestimmt sind!"

Jesus sagte es also den beiden zu und bestätigte es ihnen: sie dürfen trinken von seinem Kelch und dürfen getauft werden mit seiner Taufe. Sie dürfen also in die Leidensgemeinschaft mit Ihm eintreten; sie dürfen teilnehmen am Martyrium, am Kelch des Leidens und an der Bluttaufe. Und, wenn ihnen das in der rechten Haltung und Gesinnung gelingt, dann brauchen sie sich gleichsam gar nicht weiter darum zu kümmern, ob sie auch die Siegesgemeinschaft mit Christus teilen dürfen in seiner Herrlichkeit. Das sollen sie dann nur dem Vater überlassen. Der wird es schon richten!

Die große Bitte der beiden Apostel ist ausgesprochen, die Antwort Jesu darauf, die große Lehre, ist gegeben: Es kommt alles auf die rechte Verbundenheit und Gemeinschaft mit Jesus im Leiden, im Opfer, der Sühne an! Das und das allein ist entscheidend.

Aber die große Bitte der beiden so ehrgeizigen Apostel hat nun den Unwillen der übrigen Apostel ausgelöst: Was bilden sich die zwei nur ein!? Es regt sich bei ihnen Eifersucht; der alte Rangstreit wird wieder spürbar; sie ärgern sich über die beiden!

2. Nun folgt als Antwort auf Eifersucht und Ärger der 10 Apostel die weitere große Belehrung Jesu für die Apostel und alle seine Jünger damals und heute und in aller Zukunft:

Wer Ihm nachfolgen will, wer Gemeinschaft mit Ihm haben will im Leiden und in der Herrlichkeit, der muss immer bedenken: Es kommt nicht auf Macht und
Einfluss, auf Stellung und Titel und Karriere an, sondern auf das, was Er uns in ergreifender Weise vorgelebt hat. Er konnte von sich sagen: "Der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für die vielen!"

Im Sinn des Evangeliums Jesu Christi bedeutet wahre Größe nicht Macht, sondern Dienst. Wer der Erste sein will in einer Gemeinschaft, muss der Diener, der Knecht aller sein, so wie Jesus Christus stellvertretend für alle zum Leidensknecht geworden ist.

Ach, wie schwer fällt solche Haltung im weltlichen und politischen Bereich, wo heute die allermeisten Menschen darauf aus sind, immer mehr zu verdienen, aber kaum bereit sind zum Dienen! Wie schwer fällt solche Haltung auch im kirchlichen Bereich! Das II. Vaticanum hat zwar sehr viel vom Dienstcharakter aller Ämter in der Kirche gesprochen. Es gelingt aber doch nur sehr schwer den Amtsträgern, solche Haltung immer und in allem zu verwirklichen! Es bräuchte dazu viel Demut, d.h. Dien-Mut.

Der Heiland wird mit dem Blick auf die Großen seiner Zeit zuletzt noch sehr konkret und sagt: „Ihr wisst, dass die irdischen Herrscher ihre Völker unterjochen und dass die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen! Der Herr denkt an die Fürstenhöfe und an die Tyrannen seiner Zeit. Die Kennzeichen heidnischer Vorrangstellung waren damals nur Herrschsucht und ungehemmtes Streben, alles mit Gewalt durchzusetzen und die anderen, die Untergebenen zu unterdrücken, zu beherrschen, zu erniedrigen; dabei vergaßen sie ganz darauf, dass jedem Menschen, ob hoch oder niedrig die gleiche Menschenwürde zukommt.

"Bei euch soll es nicht so sein!" So mahnt der Herr. Nicht Egoismus und Machtstreben und Herrschsucht, sondern ein neues Denken muss bei Euch Platz greifen: Bereitschaft zum Dienen, zum selbstlosen Dasein für die anderen. Wer unter den Christen groß sein will, darf nur einen Ehrgeiz, haben: wie Christus den anderen dienen, selbstlos, opferbereit, hilfsbereit, hingabebereit! Wie viele Glaubensboten und Missionäre haben uns das nach dem Vorbild Christi in ergreifender Weise vorgemacht! Denken wir heute, mit dem Blick auf den Weltmissionssonntag an sie! An Franz Xaver, P. Damian Deveuster, an P. Michael Pro, an Maximilian Kolbe und an Mutter Theresa und an die vielen, vielen Namenlosen und Unbekannten, die sich hingeopfert haben für die Brüder in Not, in seelischer und leiblicher Not, um ihnen zu helfen, um ihnen die Frohbotschaft Christi zu verkünden, um ihnen die Gnade aus dem Sühnetod Christi zu vermitteln und ihre Seelen zu retten. Wie klein, wie selbstsüchtig und egoistisch, ja erbärmlich ehrgeizig sind wir alle im Vergleich zu diesen Helden des Gottesreiches, die die Letzten waren, aber die Ersten wurden in ihrer Dienstbereitschaft! Sie haben den Kelch des Herrn getrunken, haben sich taufen lassen mit der Taufe, die Christus in seinem Leiden und Sterben auf sich nahm, sie mögen uns durch ihre Fürbitte und ihr Vorbild helfen, dass auch wir - wenigstens im Ansatz - zu solcher Haltung kommen, weil wir sonst keine echten, wahren Christen, keine echten, wahren Jünger Christi wären. Nicht lange reden von Mitmenschlichkeit, Brüderlichkeit und Dienstbereitschaft, wie es heute leider so manche tun, sondern handeln! Amen.