27. Sonntag im Jahreskreis – LjB

gehalten in St.M. Loreto am 3.Oktober 1976

 

Der hl. Franziskus

 

Brüder und Schwestern im Herrn!

Das heutige SoEv handelt von der Unauflöslichkeit der Ehe und sagt uns klar und eindringlich, wie Christus, der menschgewordene Sohn Gottes darüber gedacht hat. Es wäre nun sicher sehr angebracht, über die christliche Ehe, ihre Würde, ihre Unauflöslichkeit, ihre Heilighaltung zu predigen, denn wir leben in einer Zeit, in der man sich kalt über dieses fundamentale Gesetz christlichen Zusammenlebens hinwegsetzt. Viele Männer und Frauen leben heute - auch in dieser unserer Stadt - überhaupt schon ohne Eheschließung zusammen, weil es praktischer und bequemer ist und sogar finanziell vorteilhafter; man verzichtet auf die standesamtliche Trauung und erst recht auf den Empfang des Sakramentes der Ehe. Viele Eheleute nehmen es nicht mehr ernst mit der ehelichen Treue, viele Ehen werden heute - auch in dieser unserer Stadt - geschieden, nach ein, zwei, drei Jahren schon oder auch - was eigentlich noch beschämender ist - nach 20, sogar nach 30 Jahren, nachdem man vorher jahrelang nicht mehr miteinander und füreinander, sondern nur noch kalt und lieblos und uninteressiert nebeneinander gelebt hat. Der Staat mit seiner immer mehr sozialistisch manipulierten Gesetzgebung - neuestens gerade auch auf dem Gebiet der Ehe und Familie - hilft dabei tüchtig mit, die Ehe und Familie in ihrem Fundament, in ihrem Zusammenhalt zu zerstören. Und doch geht es bei der Unauflöslichkeit der Ehe nicht um irgendein kirchliches Gesetz bloß, sondern um ein göttliches Gesetz. Auch den Juden war nur wegen ihrer Herzenshärte - wie Christus im heutigen SoEv sagt – durch Mose die Möglichkeit gewährt worden, durch einen Scheidebrief die Ehe – fast immer nur zum Schaden der Frau - aufzulösen. Von Anfang an war es nicht so, sagt der göttliche Heiland. Und er fügt unter dem Einsatz seiner ganzen göttlichen Autorität hinzu: "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen!"

Ich möchte nun dieses Kapitel Ehe und Unauflöslichkeit der Ehe nicht weiterführen, sondern auf einen Mann hinweisen, der sich in einer mystischen Vermählung eine ganz eigenartige, sonderbare Braut angetraut hat: Franziskus, der sich mit der Frau Armut vermählt hat und dieser Gemahlin in ergreifender Weise die Treue gehalten hat bis an sein Lebensende im Jahr 1226.

In dieser Klosterkirche, in der, wie im anstoßenden Frauenkloster, immer am franziskanischen Geist festgehalten worden ist, ist es sicher erlaubt, von der weiteren Erklärung des SoEv's diesmal Abstand zu nehmen und auf diesen großen Heiligen hinzuweisen:

Ich möchte – hoffentlich nicht zum Ärger mancher Zuhörer - mit einem ganz naiven Gedicht beginnen, das sich in einem Kinderbuch findet. Das Gedicht handelt über die Maus und lautet so: "Was denkt die Maus am Donnerstag, am Donnerstag, am Donnerstag? Dasselbe wie an jedem Tag, an jedem Tag, an jedem Tag.

Was denkt die Maus an jedem Tag, am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und jeden Tag und jeden Tag?

O hätt' ich doch ein Wurstebrot mit ganz viel Wurst und wenig Brot!

O fände ich zu meinem Glück ein riesengroßes Schinkenstück!

Das gäbe Saft, das gäbe Kraft! Dann blieb ich nicht mehr mäuschenklein,

da würd' ich bald groß wie ein Ochse sein.

Doch wäre ich erst so groß wie ein Stier,

dann würde ein tapferer Held aus mir.

Das wäre herrlich, das wäre recht –

und der Katze, der Katze ging es dann schlecht!"

(aus: J. Guggenmoos: Was denkt die Maus am Donnerstag? G. Bitter-Verlag Recklinghausen)

 

Man braucht nicht lange die Hintergedanken des Verfassers dieses Kindergedichtes zu suchen, sie sind sehr schnell entdeckt. Denn solche Mäusegedanken werden immer wieder auch in Menschenhirnen ausgebrütet. Denn immer, wo Menschen Katze und Maus miteinander spielen - in der Ehe, in der Familie, am Arbeitsplatz, in den verschiedenen anderen kleinen und großen Gemeinschaften, immer wo ein Mensch den Mitmenschen gegenüber Überlegenheit, seine Macht, seine Kraft, seine Position ausspielt, da regen sich solch primitive und oft leider recht abscheuliche Mäusegedanken. Da fühlt sich dann der Kleine dem Großen, wie ein Mäuslein der Katze, ausgeliefert, ob das nun ein liebloser, herrschsüchtiger Ehemann, ein launischer Chef, ein kleinkarierter Vorgesetzter, ein lieblos autoritärer Lehrer und Seelsorger oder sonst einer ist, der dem Untergebenen, dem Dienst- und Arbeitnehmer, dem Partner in der Ehe, den Kindern in der Familie, seine Überlegenheit, seine stärkeren Muskel und seine Energie kundtun will.

"O hätt' ich doch... - dann wäre ich...- und der Katze ging es schlecht!"

So denken dann die Kleinen, die Unterdrückten, die Unterjochten, die sich der Macht anderer ausgeliefert fühlen. Mäusegedanken sind es, die dann in ihnen aufsteigen. Es sind leider Gedanken, die nicht auf mehr Menschlichkeit ausgehen, sondern auf Unmenschlichkeit und Rache zielen.

Das Leben des hl. Franziskus verlief eigenartig: Sein Vater war ein reicher, einflussreicher Textilkaufmann. Franziskus selbst, dieser kontaktfreudige, fröhliche junge Mensch, war auf dem besten Weg, die einflussreiche Karriere seines Vaters fortzusetzen. Eines Tages aber jagte er die ihn quälenden Gedanken, größer und größer, stärker und stärker, mächtiger und mächtiger werdend, aus seinem Kopf hinaus, er krempelte mit Hilfe der Gnade Gottes sein Leben um: Er verzichtete auf Karriere, auf Reichtum, auf Einfluss und Macht. Aus dem reichen Sohn, der ein großes Erbe antreten sollte, wurde ein Bettler, und zwar aus ganz freien Stücken; er wurde klein und arm, er hielt es fortan mit den unteren Schichten, mit den Minderen, die den Großen oben immer zu gering war, und nannte sich Minderbruder unter den Minderen. Er begann ein sonderbares Programm zu verwirklichen: Er wollte allen, vor allem den Kleinen, Verachteten und Unterdrückten Bruder sein und ihnen selbstlos in Liebe dienen nach dem Vorbild dessen, der gesagt hat, dass er nicht in die Welt gekommen sei, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für die vielen.

Seinen Freunden, die Franziskus nachfolgten, gab er den Rat: nach unserer Lebensnorm soll niemand „Prior“, d.h. Ranghöherer, Erster genannt werden, sondern wir wollen alle insgesamt nur Minores, Fratres Minores, Minderbrüder genannt werden und es auch sein. Und wir wollen einander dienen!

Dazu vermählte sich Franziskus mit der Frau Armut und verzichtete darum auf alles, selbst auf die Kleider, die er von seinem Vater bekommen hatte, und gab sich fortan mit einem Bettlergewand zufrieden, um ja nicht mehr zu besitzen als die Notleidenden und Armen, mit denen sich Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, identifiziert hatte, als Er sagte: "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr Mir selbst getan!"

(Hier war einer, der auf dem besten Weg gewesen war, in der Nachfolge seines reichen, herrschsüchtigen Vaters den Mitmenschen gegenüber die Rolle einer raubgierigen Katze zu spielen, zur kleinen Maus, zum bescheidenen Mäuslein geworden, wortwörtlich zur armen Kirchenmaus. Aber diese arme Kirchenmaus half, die dem Verfall nahe Kirche von damals wieder aufzubauen, in der nicht mehr im Sinn des Katze-Maus-Spiels die Oberen auf die Unteren, die Reichen auf die Armen, die Großen auf die Kleinen steigen, sondern in der sich alle dem Auftrag Christi gemäß als Brüder und Schwester fühlen, die wissen, dass gar alle in den Augen Gottes gleiche Menschenwürde und gleichen Wert besitzen und zu gleich hohem Ziel berufen sind, und dass nur einer über allen ist: der Vater im Himmel, und dass nur einer Lehrer ist: Christus!

Wenn ich Franziskus jetzt mit seinen eigenen Worten schildern soll, dann brauchen wir nur an sein ergreifendes Gebet zu denken, das in seinem Leben immer mehr, bis hin zur Stunde seines seligen Heimgangs, Erfüllung und Vollendung gefunden hat. Franziskus hat gebetet:

"Herr, mache aus mir ein Werkzeug deines Friedens!

Wo Hass ist, lass mich Liebe bringen,

wo Kränkung, lass mich die Vergebung,

wo Zwietracht die Versöhnung bringen;

wo Trennung ist, lass mich Einigung bringen,

wo Irrtum die Wahrheit,

wo Zweifel den Glauben,

wo Verzweiflung die Hoffnung;

wo es finster ist, lass mich Licht bringen,

wo man traurig ist, die Freude!"

Und nun stellen wir uns im Geiste in die große, gewaltige Basilika von S. Maria degli angeli in der Ebene unter der Bergstadt Assisi. Dort, wo hinter der kleinen, gnadenreichen Portiunkulakapelle die Strohhütte stand, aus der die Sterbezelle des hl. Franziskus geworden ist. Da denken wir uns nochmals hinein in die ergreifende Tatsache, wie Franziskus in der Nachfolge Christi ganz klein, ganz arm werden wollte, damit einzig und allein Gott in seiner ganzen Größe, Macht und Herrlichkeit aufleuchte. Und so sprach Franziskus: "Meine Brüder, meine Brüder! Auf den Weg der heiligen Armut, Einfalt und Demut hat mich der Herr gerufen. Diesen Weg hat er in Wahrheit für mich und alle geoffenbart, die mir trauen und folgen wollen. Darum will ich nicht, dass ihr mir irgendeine Regel nennt, nicht die des hl. Benedikt, nicht die des hl. Augustinus, nicht die des hl. Bernhard, noch sonst eine Weise und Form zu leben, außer der, welche der Herr selbst mir in seiner Barmherzigkeit gezeigt und übergeben hat. Und mir hat der Herr gesagt, ich solle ein armer Narr sein in dieser Welt. Keinen anderen Weg will er uns führen als den Weg des Evangeliums... Nichts anderes lasst uns darum wünschen, nicht anderes begehren, nichts anderes gefalle und beglücke uns, als unser Schöpfer und Erlöser und Heiland, der eine wahre Gott: er ist das volle Gut, das Gut in jeglichem Gut, er allein ist groß und gut, getreu und milde, lieb und erquickend, er allein ist heilig, gerecht, wahrhaftig und gütig,... Nichts soll auf dem Weg zur Freudengemeinschaft mit Gott im Himmel uns im Wege stehen, nichts soll uns scheiden, nichts sich dazwischendrängen. Überall lasset uns alle, an jedem Ort, zu jeder Stunde, zu jeder Zeit, täglich und stetig in Wahrheit und Demut glauben, im Herzen hochhalten, lieben, ehren und anbeten...den erhabenen, ewigen Gott, den Dreifaltigen,... der ohne Anfang und ohne Ende ist, lobwürdig und hocherhaben, und der einmal unseren ganzen Reichtum und unsere ewige Freude ausmachen wird." Amen.