26. Sonntag im Jahreskreis – LjB

gehalten in St. M. Loreto am 26. September 1976

 

Ärgernis, das ist im heutigen SoEv das große Stichwort in der Belehrung, die der göttliche Meister seinen Jüngern gegeben hat.

Ärgernis?! Ja, so vieles gibt es heute in der Welt, aber auch in der Kirche, über das wir uns ärgern und entsetzen, oft zu Recht, manchmal vielleicht aber auch zu Unrecht. Man muss da genau zusehen, worum es beim Ärgernis—nehmen und beim Ärgernis—geben geht.

1. Im heutigen SoEv hören wir zuerst von einem falschen, kleinlichen, pharisäischen Ärgernis—nehmen, wo jemand, noch dazu ein späterer großer Heiliger, der gute, liebe Apostel Johannes, völlig zu Unrecht Ärgernis genommen hat.

Eines Tages kommt Johannes ganz bestürzt zum Herrn Jesus und meldet Ihm entrüstet: „Meister, wir haben gesehen, wie jemand, der uns nicht nachfolgt, in Deinem Namen Dämonen ausgetrieben hat. Wir wollten ihn daran hindern, weil er uns ja nicht nachfolgt!" Was sagte der Heiland darauf dem Apostel Johannes? "Hindert ihn doch nicht daran (Dämonen auszutreiben). Keiner, der in Meinem Namen Wunder wirkt, kann so leicht schlecht von Mir reden. Wer nicht gegen uns ist, der ist ja eigentlich schon für uns!"

(Man muss sich nur in das Ärgernis—nehmen des Apostels Johannes und seiner Mitapostel hineindenken: Da haben sie alles, Haus und Hof, Vater und Mutter und Geschwister verlassen und den bisherigen Beruf aufgegeben und sind Jesus nachgefolgt. Und nun hören sie oder sehen sie es sogar mit eigenen Augen, wie da Leute, die sich bisher an der Christusnachfolge und all den damit verbundenen Opfern herumgedrückt haben, im Namen Jesu auch böse Geister austreiben. Da regte sich bei ihnen — begreiflicherweise, möchten wir entschuldigend sagen — die Eifersucht: "Meister, schau doch, was sich diese Leute erlauben! Das musst Du ihnen doch verbieten!" Aber der Meister verbot es nicht. Wer im Namen Jesu böse Geister austreibt, ist doch sicher nicht gegen Jesus eingestellt und Ihm feindlich gesinnt. Warum sollte der Meister es ihm also verbieten, in seinem Namen den Kampf gegen den Bösen und gegen das Böse aufzunehmen und so die Sache Jesu zu unterstützen?)

Gibt es diese kleinliche Eifersucht heute nicht noch genau so wie damals bei den Aposteln? Geht es uns selber nicht gar manchmal so wie dem Apostel Johannes? Wir ärgern uns, weil wir sehen, dass andere, die vielleicht nie in die Kirche gehen, auch etwas tun für den Bruder in Not. Wir ärgern uns darüber, dass auch außerhalb unserer Kirche, in anderen christlichen Gemeinschaften, ja vielleicht sogar in Sekten, Gutes geschieht! Wie dumm, engstirnig und intolerant ist doch ein solches Ärgernis nehmen! Kleinliche Eifersucht, die dann so weit gehen kann, dass ein Priester Ärgernis nimmt, weil ein anderer mehr Erfolg hat als er selbst. Wenn nur Christus gepredigt, Christus verkündet wird und Christus dann auch dadurch mehr geliebt wird, und wäre es sogar durch Menschen, die nicht zur Kirche Christi oder noch nicht zur Kirche Christi gehören!

Falsches, kleinliches Ärgernis—nehmen, davor sollen wir uns hüten! Einmal sagte der Heiland: "Selig, wer an Mir kein Ärgernis nimmt!“ Die Pharisäer haben damals an Christus Ärgernis genommen, weil er nicht als der Messias auftrat, wie sie sich diesen vorgestellt und erwartet hatten. Und dann kam auch noch das Ärgernis des Kreuzes dazu! Wir wissen, wie sogar Petrus anfangs daran Ärgernis nahm und deshalb von Christus ganz hart zurechtgewiesen wurde. Für die Juden blieb das Kreuz und der Gekreuzigte das große Ärgernis, das Kreuz in seiner scheinbaren Sinnlosigkeit, es wurde den auf einen glorreich triumphierenden Messias wartenden Juden zum Ärgernis. Das Ärgernis des Kreuzes, des Opfers, des selbstlosen Sich—hinopferns für die Sünden der Menschen, bleibt! Es kann und darf nicht aus dem Christentum eliminiert werden. Dieses Ärgernis kann und darf der Welt und den Menschen in ihr nicht erspart werden, denn das Kreuz gehört nun einmal zum Heilsplan Gottes ganz wesentlich dazu und wer daran Ärgernis nimmt, denkt eben nicht die Gedanken Gottes, sondern denkt allzu menschlich wie die Pharisäer damals. Man spricht darum von einem pharisäischen, kleinlichen und kurzsichtigen Ärgernis—nehmen, das sogar sündhaft ist.

2. Nun aber ist im weiteren Verlauf des heutigen SoEv vom Ärgernis—nehmen der Kleinen, der Kinder und der schlichten, einfachen Gläubigen die Rede. Da kommen etwa moderne Theologen daher und sagen den schlichten, einfachen Gläubigen: auf Grund von angeblich genauerer Erforschung mancher Schriftstellen dürfe man nicht überall den Teufel am Werk sehen, man müsse Abschied nehmen vom Teufel. Und manche durch Jesus von bösen Geistern Befreite seien vielleicht gar keine wirklich Besessenen, sondern Epileptiker gewesen. Man hat solches Reden vielleicht wirklich ehrlich und ernst gemeint, aber man hat dabei nicht bedacht, wie solches Reden leicht missverstanden werden könnte, nämlich so, als ob es den gefallenen Erstengel Luzifer gar nicht gäbe; und man hat den kleinen, schlichten, einfachen Gläubigen dadurch Ärgernis gegeben, dass man sie im Glauben verunsichert. Heute ist es ja gar manchmal so, dass schlichte, einfache Gläubige mit Recht sagen: Wir wissen überhaupt nicht mehr, was wir glauben müssen! Mit so vielen neuen Ansichten und Hypothesen werden wir in der Predigt und unsere Kinder im Religionsunterricht konfrontiert, dass wir uns einfach nicht mehr auskennen: Gibt es noch Engel? Gibt es noch einen Teufel? Ist Maria immerwährende Jungfrau oder ist sie es nicht? Ist Christus in der Hl. Eucharistie wirklich gegenwärtig oder ist er es nicht? So vieles wird unüberlegt und unvorsichtig in der Predigt und im Religionsunterricht den Kindern vorgemacht, dass diese mit Recht Ärgernis nehmen, weil angeblich auf einmal in der Hl. Schrift so vieles anders, ganz anders zu verstehen sei oder weil grundlegende Glaubenswahrheiten auf einmal ganz anders ausgelegt und uminterpretiert werden.

Schlimm ist dieses Ärgernis-geben, wenn es nicht mehr bloß durch unüberlegtes und unvorsichtiges Reden geschieht, sondern durch bewusstes Verbreiten falscher, irriger Ansichten, die den Glauben untergraben!

Und fast noch schlimmer ist das Ärgernis—geben durch schlechtes Beispiel, wenn das gepredigte Wort nicht mehr mit dem Leben übereinstimmt und wenn es jene, die wohl durch Berufung und Beruf Jünger Christi sind im Priester— oder Ordensstand, es aber an Treue zu Christus, an Treue zur Kirche, an Treue zum heiligen Beruf fehlen lassen.

Hier gilt dann wirklich das harte Heilandswort im heutigen SoEv: "Wer einen von den einfachen Gläubigen um seinen Glauben bringt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde!" Bei Mt 18,7 stehen noch die Heilandsworte dabei: "Wehe der Welt um der Ärgernisse willen! Es müssen zwar Ärgernisse kommen. Aber wehe den Menschen, durch die das Ärgernis kommt!"

Wir denken hier auch an jene, die heute durch die schaurige Pornographie und durch eine total verfehlte wertfreie Sexualaufklärung an den Kindern und Jugendlichen zu Verführern werden! Wehe den Menschen...!

(Es gibt heute leider so manche Theologen, die förmlich darauf aus sind, unser schlichtes, einfaches, noch gläubiges Volk im Glauben zu verunsichern und in der sittlichen Haltung zu verwirren durch In—Frage—stellen oder gar offenes Leugnen grundlegender Glaubenswahrheiten und durch Aufweichen und Verdrehen oder offenes Preisgeben wichtigster sittlicher Grundsätze!)

Mit Recht nimmt das gute, gläubige Volk daran Ärgernis!

Hier kann man nur den Wunsch und die Bitte aussprechen: Lasst euch, liebe Gläubige, nicht verwirren und nicht verunsichern durch solche, die heute alles besser wissen als die großen Kirchenlehrer und Heiligen vergangener Zeiten! Haltet euch an die klaren Worte und Weisungen des Papstes, der in grundlegenden Fragen des Glaubens und der Sitten unfehlbar ist, wenn er ex cathedra spricht, und der als Nachfolger Petri in der Kraft des Hl. Geistes den Auftrag Christi zu erfüllen hat, seine Brüder im Glauben zu stärken. "Satan hat verlangt,..."

Papst Paul VI. hat in all den Jahren seiner Regierungszeit - das kann niemand leugnen - immer wieder klar und eindringlich auf die grundlegenden Glaubenswahrheiten und sittlichen Grundsätze des Christentums hingewiesen. Ich erinnere an sein Credo des Gottesvolkes, an seine Ehe-Enzyklika Humanae vitae und an die Erklärung, zu Fragen der Sexualmoral.

3. Zuletzt werden wir im heutigen Ev durch den göttlichen Heiland noch an jenes Ärgernis erinnert, das uns allen die Augen, die Hände, die Füße bereiten können. Hände, Füße und Augen stehen in diesem Heilandswort für alles, was dem Menschen lieb und wert und für den Lebensvollzug sogar unbedingt erforderlich ist. All das kann uns zum Ärgernis werden, wenn, wir bei unseren Augen, Händen und Füßen und allem, was wir durch sie wollen und begehren, die Triebhaftigkeit und Leidenschaft und unsere erbsündliche Belastetheit nicht zügeln und vom Verstand und Willen her nicht zu beherrschen suchen. All das könnte uns dann zur Versuchung und nächster Gelegenheit zur Sünde werden und unser ewiges Heil gefährden. Da heißt es dann hart sein gegen sich selbst! Da heißt es dann - wenn es sein muss - auch Verzicht leisten auf etwas, das uns so lieb und teuer ist wie die Augen, die Hände und die Füße! Da haben wir uns dann - das meint wohl Christus mit dem Abhauen und Wegwerfen - von allen Gedanken, Wünschen, Begierden und Vorstellungen zu trennen, die nicht mit dem Geist des Christentums, nicht mit der echten Christusnachfolge in Einklang stehen. "...hau sie ab und wirf sie von dir!" Das ist orientalische Sprechweise, die zwar nicht wörtlich, buchstäblich, sondern nur dem Geist nach verstanden sein will, aber dennoch sehr ernst genommen werden muss, weil man sich von dem, was einem zum Ärgernis gereicht und was einen zur Sünde verführt, trennen muss, wenn es um das ewige Heil geht!

Ziehen wir zuletzt aus dem Gehörten über das Ärgernis—nehmen und Ärgernis—geben die Konsequenzen in ein paar wichtigen Leitsätzen:

1. Nicht in kleinlicher, pharisäerhafter Weise Ärgernis nehmen! Tolerant sein im rechten Sinn des Wortes und sich freuen, wenn über die Grenzen unserer Kirche hinaus Gutes geschieht und Christus verkündet wird!

2. Nicht selber Ärgernis geben durch unkluges, unvorsichtiges Reden und Benehmen!

3. Die Verführer und Ärgerniserreger mutig und ohne Menschenfurcht in die Schranken weisen! Besonders die Kleinen, die Kinder vor all dem bewahren, was ihnen Anlass zur Sünde und zur Verunsicherung im Glauben werden könnte!

4. Das beste Gegengewicht gegen alles Ärgernis ist das gute Beispiel, der den anderen glaubwürdig vorgelebte Glaube im Apostolat der guten Tat in selbstloser, hilfsbereiter Liebe!

Mit dem Ausspruch eines Heiligen darf ich schließen: Der hl. Bernhard v.Cl. hinterließ, nachdem er 38 Jahre seinem Kloster vorgestanden hatte, seinen Mönchen ein letztes Vermächtnis. Darin heißt es u.a.: "Vielleicht habe ich euch, liebe Brüder, zu wenig ein gutes Beispiel echter Frömmigkeit hinterlassen. Aber drei Dinge sind es, an die ich mich jederzeit mit ganzer Kraft gehalten habe: 1. Ich habe mich immer mehr auf das Urteil der Kirche verlassen als auf mein eigenes. 2. Wenn mich jemand verletzt hatte, so habe ich niemals danach getrachtet, mich an ihm zu rächen. 3. Ich habe, soweit es in meinen Kräften stand, alles vermieden was anderen Ärgernis geben könnte. Geschah es, so habe ich es nach bestem Können wieder gutzumachen gesucht!"

Glücklich, wer im Sterben zu seinen Angehörigen, Freunden oder Untergebenen auch so sprechen kann. Amen