8. Sonntag im Jahreskreis – LjB

gehalten im Hohen Dom zu Salzburg am 29. 2.1976

 

Wir stehen vor dem Beginn der sogenannten 40-tägigen Fastenzeit am kommenden Aschermittwoch. Da erinnert uns die Kirche im heutigen SoEv an die Einstellung Christi zum Fasten: Eines Tages kamen die Jünger des Täufers Johannes zu Jesus mit einer Frage, die eigentlich ein sehr massiver Vorwurf war: "Warum fasten wir Johannesjünger und die Pharisäer so viel, deine Jünger aber, Rabbi Jesus, fasten nicht?!" Es klingt so, als wollten diese Johannesjünger, die noch eifersüchtig waren, dass ihrem Meister, dem Täufer Johannes, fast alle Anhänger davongegangen waren und zu Jesus übergewechselt hatten, nun sagen: Du Jesus bringst ja eigenartige neue Lehren und Praktiken auf! Jetzt schaffst du gar die alten frommen Bräuche wie das Fasten ab!

Aber hat Jesus Christus wirklich das Fasten abgeschafft?

Nein! Er hat es nur auf das rechte Maß und auf die rechte Zeit zurückgeführt und ihm den rechten Sinn zurückgegeben.

Die Pharisäer hatten das Fasten maßlos übertrieben und zu den im AT vorgeschriebenen Fasttagen noch zwei in jeder Woche, am Montag und am Donnerstag, hinzugefügt. An diesen Tagen gaben sie sich überdies ein trübselig trauriges Aussehen, damit ihnen ja jeder gleich den Ernst ihres Fastens ansehen könnte.

Jesus aber, der in allem echt menschlich und natürlich auftrat und alles, was nur des äußeren Eindrucks und Scheins wegen getan wurde, hasste, er ließ seine Jünger diese von den Pharisäern eingeführten zusätzlichen Fasttage nicht halten, er führte das Fasten auf das bisher übliche Maß zurück und erklärte den Fragestellern dann auch noch, warum er es so halte. Er sagte ihnen: Die große messianische Hochzeit, die lang erwartete und ersehnte, in der sich Gott mit seinen Volk bräutlich vermählt, ist angebrochen. Wo Hochzeit gehalten wird, da muss festlich gefeiert und nicht etwa gefastet werden. Die Braut ist die Kirche, der sich Christus mit wunderbar beglückender Liebe vermählt. Die Jünger Christi sind Gottes Hochzeitsleute. Sie sollen sich ob der angebrochenen hochzeitlichen Gnadenzeit freuen. Freilich werden für diese selige Hochzeitsschar noch traurige Tage anbrechen, wenn der Bräutigam Christus seiner Braut, der Kirche genommen wird im Leiden und Sterben am Kreuze. Dann wird die Jüngerschar Christi, die Kirche, in einem neuen, berechtigten Sinn ihr Fasten halten in dankbarem Gedenken an den Sühnetod des Herrn.

So hat Jesus Christus in Voraussicht seines Opfertodes am Kreuze am blutigen Karfreitag auf seinen Wunsch hingewiesen, den Freitag das Jahr über, vor allem in der 40-tägigen Fastenzeit, in dankbarer Erinnerung an sein Erlöserleiden und –sterben zu einem Fasttag zu machen.

Die Kirche aber hat diesen Wunsch des Herrn zu erfüllen getrachtet. Darum gehört von der apostolischen Zeit an neben dem Beten und Almosengeben auch das Fasten an bestimmten Tagen und Zeiten zur Praxis christlichen Lebens. Erinnern wir uns heute in diesem Zusammenhang an die vor 10 Jahren erlassene Neuordnung der Fastenvorschriften durch die österreichische Bischofskonferenz:

Es gibt dieser Neuordnung der Fastenvorschriften entsprechend nur noch zwei strenge Fasttage im ganzen Jahr mit der herkömmlichen Verpflichtung, auf Fleischspeisen zu verzichten und sich nur einmal am Tag zu sättigen, nämlich den Aschermittwoch und den Karfreitag. An allen übrigen Freitagen des Jahres aber soll der gläubige Christ irgendein spürbares, selbstgewähltes Opfer des Verzichtes bringen. Die Enthaltung von Fleischspeisen an den Freitagen des Jahres ist — außer am Karfreitag — nicht mehr verpflichtend, wohl aber blieb das Fastenopfer in irgendeiner Form an jedem Freitag verpflichtend. Wir sollen dabei als mündige Christen selber bestimmen, worauf wir am Freitag jeder Woche, am Erinnerungstag an den Kreuzestod Christi, fastend verzichten; es sollte jedenfalls ein spürbares Opfer, ein spürbarer Verzicht, der auch wehtut, sein, ganz gleich ob es, wie bisher, der Verzicht auf Fleischspeisen ist oder der Verzicht auf Alkohol und Nikotin oder der Verzicht auf einen Geldbetrag zu Gunsten des Bruders in Not, der vielleicht das ganze Jahr über am Hungern und Verhungern ist. Jedenfalls soll christliches Fasten sinnvoll sein und nicht eine pharisäisch legalistische Angelegenheit.

Vergessen und übersehen wir es also nicht, was uns der Herr im heutigen SoEv sagen will: Es gibt im Kirchenjahr, das uns an das österliche Geheimnis des Leidens und Sterbens und Auferstehens Jesu Christi erinnert, Fasttage und Festtage, Fastenzeiten und Festzeiten hochzeitlicher Freude in sinnvollem Wechsel. Halten wir uns an diese auch psychologisch so sinnvolle Verfügung. Denn nur dort ist der Mensch zum festlichen Feiern fähig, wo er sich vorher durch Verzichtleistungen bereit gemacht hat.

Zu allen Zeiten aber sollte dem echten Christen klar sein, dass sein Glaubenszeugnis nur dann wahrhaft glaubwürdig ist, wenn er aus seinem Innern heraus bereit ist, um unseres Herrn Jesus Christus willen dann und wann, besonders an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten, sich freiwillig etwas zu versagen und darauf zu verzichten. Zum Christsein gehört genau so wie die festliche Freude auch der Ernst des Fastens. Wenn unser Fasten in den Augen Gottes aber etwas gelten soll, dann darf es nicht erzwungen sein, sondern soll aus ganzem, frohem Herzen Gott angeboten werden gemäß dem Christuswort: Nur „den freudigen Geber hat Gott lieb!“ Das meinte doch Christus auch, als er sagte: „Wenn ihr fastet, so sollt ihr nicht trübselig dreinschauen wie die Heuchler; wenn du fastest, richte dich vielmehr festlich her, damit die Leute nicht sehen, dass du das tust, sondern nur Gott, dein Vater, der ins Verborgene sieht.

Mögen auch andere darüber lächeln oder spotten, wir halten daran fest: Wie das Beten und das Almosengeben gehört auch das Fasten zum echten, rechten Christenleben. Darum halten wir

1.                      den Aschermittwoch und Karfreitag als strenge Fasttage auch im Verzieht auf Fleischspeisen.

2.                       an jedem Freitag ein selbstgewähltes spürbares Fastenopfer im Verzicht auf etwas, das unserer Triebhaftigkeit und Sinnlichkeit zusetzt.

3.                       erinnern wir uns daran, dass das Fasten im Sinn von Verzicht und Selbstbeherrschung erst die rechte Ordnung in unser sittliches Leben bringt und uns befähigt, jene Grenzen einzuhalten, die etwa im Bereich des Sexuellen zur rechten Persönlichkeitsentfaltung, zur ehelichen Treue, zur rechten, menschenwürdigen Weitergabe des Lebens unbedingt notwendig sind, wie die päpstliche Glaubenskongregation in ihrer viel geschmähten Erklärung zu Fragen der Sexualethik mit Recht klar aufgezeigt hat.

Gegenüber dem Sittenverfall durch sexuelle Freizügigkeit und Haltlosigkeit wollen wir Christen beherzigen, was der Völkerapostel Paulus als ernste Mahnung nicht bloß für die Christen von damals, sondern auch für die von heute niedergeschrieben hat:

„Von Unzucht und Schamlosigkeit jeder Art oder von Habsucht soll bei euch, wie es sich für Heilige (d.h. für Gläubige) gehört, nicht einmal die Rede sein. Auch Sittenlosigkeit, albernes und zweideutiges Geschwätz schickt sich nicht für euch, sondern Dankbarkeit. Denn das sollt ihr wissen: kein unzüchtiger, schamloser oder habsüchtiger Mensch erhält Anteil am Reich Christi und Gottes…“

Das bewährte Mittel aber, um in allen menschlichen Bereichen, auch in dem des Sexuellen, die von Gott gezogene Grenze einhalten zu können, ist das Fasten im Sinn von Selbstbeherrschung, Verzicht und Enthaltsamkeit, wie die Kirche in der Fastenpräfation mit Recht betont: „Durch das Fasten des Leibes hältst du die Laster nieder, erhebst du den Geist, spendest die Tugendkraft und den Sieg durch unseren Herrn Jesus Christus.“