8. Sonntag im Jahreskreis – LjB

 

gehalten in St. M. Loreto am 25.2.1973

 

Ein schwieriges Evangelium, dieses heutige SoEv., das auf den ersten Blick den Neuerern unserer Tage, den Progressisten in allem Recht gibt und die Konservativen, die am alt Hergebrachten hängen, verurteilt. Die Progressisten werden nämlich – ich möchte wetten – aus dem heutigen SoEv herauslesen, dass das Fasten und die alten Bräuche und Gesetze in der Kirche völlig überholt sind und dass das alte, geflickte Kleid der traditionellen Liturgie weggeschmissen gehört, um dem neuen Kleid einer völlig neuen Liturgie Platz zu machen, einer entsakralisierten Liturgie, die man am besten ohne jedes sakrale Kleid und Zeichen in den Wohnungen und Gaststätten um den Tisch herum feiert im Sinne eines Mahls der Mitmenschlichkeit. Und sie werden weiter aus dem heutigen Ev herauslesen, dass die alten Schläuche der Dogmen brüchig geworden seien und der neue Wein eines humanistischen, weltzugewandten, modernen Christentums der Mitmenschlichkeit in neue Schläuche hineingehöre. Und diese Progressisten werden aus dem heutigen SoEv weiter herauslesen, dass sich Christus von den Konservativen, die in falschem pharisäischem Traditionalismus erstarrt sind und dauernd auf das Althergebrachte pochen, distanziere; es brauche gerade heute allem Veralteten und Erstarrten gegenüber die Weite und Aufgeschlossenheit eines großzügigen Aggiornamento; so habe es doch Christus gehalten, der in der Bergpredigt erklärt hat: "Den Alten ist gesagt worden..., ich aber sage euch."

Wie ist nun also dieses schwierige Ev. zu verstehen? Schauen wir genauer zu:

Da kommen die Jünger des Täufers Johannes zu Jesus mit einer Frage, die eigentlich ein sehr massiver Vorwurf war: "Warum fasten wir und die Pharisäer so viel, deine Jünger aber fasten nicht?" Es klingt, als wollten sie, die noch eifersüchtig waren, dass ihrem Meister, dem Täufer Johannes, fast alle Jünger davongegangen und zu Jesus übergewechselt sind, nun sagen: Du Jesus bringst ja eine höchst eigenartige neue Lehre, die damit anfängt, alte fromme Bräuche wie das Fasten einfach abzuschaffen! Aber hat Jesus das Fasten wirklich abgeschafft? Nein, er hat es nur auf das rechte Maß zurückgeführt und auf die entsprechende Zeit und hat ihm den rechten Sinn zurückgegeben.

Die Pharisäer hatten damals zu den wenigen im AT vorgeschriebenen Fasttagen noch freiwillig zwei wöchentliche Fasttage am Montag und Donnerstag jeder Woche hinzugefügt. An diesen Tagen gaben sie sich, wie der Apostel Mt 6,16 berichtet, eigens "ein trübseliges Aussehen, damit man ihnen den Ernst ihres Fastens auch ja gleich ansehen könne". Jesus aber, der in allem so echt menschlich und natürlich auftrat und alles, was nur des äußeren Eindrucks wegen getan wurde, hasste, er ließ seine Jünger diese von den Pharisäern eingeführten Überfasttage nicht mithalten, er führte das Fasten also auf das bisher übliche Maß zurück und erklärte dann auch noch den Fragestellern, warum er es so halte. Er sagt ihnen: Die große messianische Hochzeit, die lang erwartete und angekündigte, in der Gott sich in seinem Sohn mit seinem Volk vermählt, ist angebrochen. Wo Hochzeit gehalten wird, da muss gefeiert und nicht gefastet werden! Die Jünger, die zum Bräutigam Christus gehören, der sich mit seiner Braut, der Kirche, vermählt hat in wunderbar beglückender Liebe, sind Gottes Hochzeitsleute. Sie sollen sich ob der angebrochenen, hochzeitlichen Gnadenzeit freuen und jubeln. Freilich werden für diese selige Hochzeitsschar noch traurige Tage anbrechen, wenn der Bräutigam Christus seiner Braut genommen wird. Es ist das ein geheimnisvoller Hinweis auf den kommenden Kreuzestod Jesu, auf seine Auferstehung und Himmelfahrt, durch die der Gottmensch in leiblich sichtbarer Gestalt den Menschen wieder entzogen werden sollte. Dann aber werde auch die Jüngerschar Jesu, die Kirche Christi, in einem neuen, berechtigten Sinn ihr Fasten halten, als dankbares Gedenken an den Tod des Herrn, wie wir es jeden Freitag und in der ganzen Fastenzeit gewohnt sind, und auch als Ausdruck der Sehnsucht nach dem wiederkommenden Bräutigam der Kirche.

Wir sollten diesen tiefen Sinn des christlichen Fastens: dankbare Erinnerung an den Kreuzestod des Heilands und sehnsuchtsvolles Warten auf seine Wiederkunft, nicht übersehen. Darum schreibt ja der hl. Paulus in seinem Brief an Titus: "Nüchtern, gerecht und fromm wollen wir leben in dieser Welt, erwartend die selige Hoffnung und das Aufleuchten der Herrlichkeit ... unseres Heilands Jesus Christus"(Tit 2,12–13). – Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang daran, dass die Kirche auf dem II. Vaticanum das Fasten nicht abgeschafft hat. Es wurde dem Fasten nur ein neuer Sinn gegeben: Wir sollen als mündige Christen selber aussuchen und wählen, worauf wir am Freitag jeder Woche, am Erinnerungstag an den Kreuzestod Christi, verzichten. Es soll jedenfalls ein spürbares Opfer, ein spürbarer Verzicht, der auch wehtut, sein, ob es, wie bisher, der Verzicht auf Fleisch ist oder der Verzicht auf Alkohol und Nikotin oder der Verzicht auf Geld, um dem Bruder in Not helfen zu können. Jedenfalls soll christliches Fasten sinnvoll sein und zur rechten Zeit geübt werden. Es gibt seit je im Jahr der Kirche, das uns nicht bloß an den Kreuzestod Jesu, sondern auch an seine glorreiche Auferstehung erinnert, Fasttage und Festtage, Fastenzeiten und Festzeiten hochzeitlicher Freude in stetem, sinnvollem Wechsel. Denn einerseits ist der Bräutigam uns genommen, seit Er nicht mehr sichtbar auf Erden weilt, anderseits aber lebt Er immer sakramental mitten unter uns und wir sind Rebzweige an Ihm, dem wahren Weinstock. Da kann also in dieser Weltzeit nur ein Nacheinander in wechselndem Rhythmus uns die Fülle dessen aufzeigen, was sich in der Heilsgeschichte für uns ereignet hat: Bald fasten wir trauernd, weil Er, Christus, uns genommen ist, bald können wir nicht fasten, weil wir — wie Christi Jünger damals — Söhne des Brautgemachs sind und den Bräutigam bei uns haben. Seit Christus erschienen ist und für uns in seinem Leiden und Sterben und Auferstehen das Heil gewirkt hat, hat das Fasten einen anderen Sinn bekommen und die Freude erst recht. Alles ist getaucht in die hochzeitliche Liebe und Sehnsucht der Braut Kirche zum Bräutigam Christus. Das sollten wir beachten.

Und wo von der Hochzeit von Braut und Bräutigam die Rede ist, da ist es am Platze, auch von festlichem Kleid und festtagsmäßigem Wein zu sprechen. So müssen wir den Zusammenhang sehen, wenn nun Christus im heutigen SoEv vom neuen Kleid und neuen Wein spricht: "Niemand näht ein Stück ungewalkten Tuches auf ein altes Kleid. Denn der eingesetzte Fleck reißt vom Kleid ab und der Riss wird nur noch schlimmer!"— Zur Hochzeit gehört ein neues Kleid, zum Neuen Bund — so will Christus sagen — gehören auch neue Formen. Die alten Formen, die von den Pharisäern verzerrt und ihres inneren Sinnes beraubt worden waren, sind nicht mehr brauchbar. Es hat keinen Sinn, sie mühsam zusammenzuflicken, der neue Geist des Ev schafft sich neue Formen: Die alttestamentlichen blutigen Tieropfer wurden abgeschafft durch die neutestamentliche Liturgie, in der in den Gestalten von Brot und Wein das göttliche Opfer— und Osterlamm Christus dem himmlischen Vater dargebracht wird. Dass auch an dieser neuen, neutestamentlichen Liturgie manches, das im Lauf der Jahrhunderte erstarrt und seines Sinnes entleert worden war, neu gestaltet wurde, dürfen wir sicher dankbar bejahen, nur darf bei allen liturgischen Reformen wie es heute leider manchmal geschieht, das wunderbar schöne, hochzeitliche Kleid unserer Hl. Liturgie nicht so verkürzt und verändert werden, dass dabei nur der Mini—Mini—Rock einer völlig entsakralisierten, rein humanistischen Mahlfeier übrig bleibt!

Zum neuen Kleid braucht es bei der Hochzeit auch festlichen Wein.

Und diesbezüglich sagt Christus noch: "Man füllt nicht neuen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißen die Schläuche, der Wein läuft aus, und die Schläuche gehen zugrunde. Vielmehr füllt man neuen Wein in neue Schläuche."

Wie ist das zu verstehen? Im Orient wird der Wein heute noch in Schläuche aus Tierhaut abgefüllt. Ist ein solcher Schlauch durch das Alter starr und brüchig geworden, dann kann es geschehen, dass ein besonders stark gärender junger Wein den Schlauch zerreißt. Dann gibt es doppelten Schaden: Schlauch und Wein sind verloren. Jeder kluge Weinbauer sieht sich daher im Herbst nach neuen Häuten um, die sich dehnen und keinen Tropfen des kostbaren Inhalts verloren gehen lassen.

Was ist nun unter dem neuen Wein in diesem Vergleich, den Christus hier anstellt, zu verstehen? Es ist seine Frohbotschaft, noch mehr: seine Erlösungsgnade, ja noch tiefer gesehen: der Hl. Geist, den Er der Kirche sendet; sie gleichen dem feurigen jungen Wein. So neu ist dieser junge, berauschende Wein, dass er Anstoß erregen muss bei allem, was alt und starr ist. Und so feurig ist er, dass wirklich Gefahr besteht, dass dieser junge feurige Wein Altgewordenes sprengt.

Ach, wie armselig irren doch jene Spießer, die da meinen, das Christentum, die Frohbotschaft Christi, die Erlösungsgnade Christi, der Geist Christi, der Hl. Geist, sei eine veraltete Sache. Ganz im Gegenteil, wer richtig zusieht, der entdeckt, wie das Christentum und das echte Christsein das Modernste ist, das wir in dieser vergreisten, dem Untergang geweihten Welt entdecken können. Wir brauchen nur an das denken, was sich am ersten Pfingstfest ereignet hat bei der Herabkunft des Hl. Geistes im Sturmesbrausen und Feuer. Da wurden doch Menschen umgewandelt und ganz neu in dieser Glut der Liebe, die nun in ihnen brannte, und in diesem Phänomen geistig—geistlicher Trunkenheit, die sich in Begeisterung äußerte und solche Ausmaße annahm, dass schlichte, einfache, ungebildete Menschen in die Welt hinausstürmten, um sie für einen gekreuzigten Gott zu erobern.

Dass sich dieser pfingstliche Feuerwein des Evangeliums nicht in alten Schläuchen hält, ist verständlich. Unter den Schläuchen, in die dieser Feuerwein heiliger Begeisterung für Christus und das Reich Gottes gefüllt werden soll, dürfen wir wohl zu allererst die Menschenherzen verstehen, in die Jesus Christus so gern seinen Geist ausgießen möchte. Unsere Herzen müssen dafür jung bleiben und dürfen nicht verkalken und erstarren in pharisäischer Buchstabenfrömmigkeit und falscher Selbstgenügsamkeit und Selbstgerechtigkeit.

Ob wir uns das heute nicht gegenseitig erbitten sollten? Diese rechte Beweglichkeit und Aufgeschlossenheit und dieses richtig verstandene Jungsein, um aufnahmefähig zu sein und zu bleiben für den feurigen Wein der Frohbotschaft Christi, des Geistes Christi, des Hl. Geistes? Die Welt erstarrt in Kälte der Lieblosigkeit, der materialistischen Selbstgenügsamkeit. Wir aber sollten im rechten Geist des Fastens und Verzichtens auf die vergänglichen irdischen Dinge, angetan mit dem immer neuen hochzeitlichen Gewand der heiligmachenden Gnade und immer neu begeistert für die Sache Christi und für die Ausbreitung des Reiches Gottes mithelfen bei der wahren, echten Erneuerung der Kirche und der Welt. Darum wollen wir zu Christus, dem großen Erneuerer der Menschheit, in dieser sonntäglichen Eucharistiefeier rufen: "Sende aus Deinen Geist und alles wird neu geschaffen werden und Du wirst das Angesicht der Erde erneuern!"