7. Sonntag im Jahreskreis Lj B

gehalten in St. M. Loreto am 18. Februar 1979

 

Die Wortgewalt und Wundergewalt des Herrn Jesus Christus bei der Heilung eines Aussätzigen haben wir am letzten Sonntag bewundern können: Der Aussätzige bat: "Herr, wenn Du willst, kannst DU mich rein machen!" Und Christus darauf: "Ich will, sei rein!" Und mit diesem kurzen, knappen Wort, hinter dem der allmächtige Wille Gottes stand, wurde das Wunder bewirkt: Der Aussatz schwand, der Aussätzige wurde völlig rein.

Heute können wir nochmals die Wortgewalt und Wundergewalt Jesu Christi bewundern: Er heilt einen Gelähmten von der Lähmung und befreit dessen Seele von aller Sündenschuld. Diesmal erfahren wir aber auch den Grund, warum der Herr seine Wort- und Wundergewalt zum Einsatz brachte, um dieses doppelte Wunder an dem kranken Leib und an der kranken Seele dieses Gelähmten zu wirken. Es war der Glaube, den hier alle Beteiligten Christus entgegenbrachten. Auch beim Aussätzigen im SoEv des vergangenen Sonntags war der Glaube die Voraussetzung dafür, dass Christus das Wunder an ihm wirkte. Diesmal aber wird der Glaube ausdrücklich betont, wenn es da heißt: "Als Jesus ihren Glauben sah..."

Als Jesus den Glauben des Gelähmten sah, als Jesus den Glauben der Träger sah, die den Gelähmten auf einer Tragbahre höchst kompliziert und umständlich vor Ihn hinbrachten, da heilte Er die Seele des Gelähmten von aller Gelähmtheit und Gehemmtheit durch die Sünde und heilte den Leib des Gelähmten von aller Krankheit und Gebundenheit an Schmerz und Leid und Unbeweglichkeit.

"Als Jesus ihren Glauben sah..."

Wie steht es denn diesbezüglich bei uns? Sieht der Herr bei uns wirklichen Glauben, Glauben an seine Wortgewalt und Wundergewalt, Glauben an seine helfende Liebe und an seine Macht, alles seelische und sogar körperliche Leid, das letztlich aus der Sünde stammt, wunderbar zu überwinden?

Sieht der Herr bei uns wirklichen Glauben an seine Göttlichkeit, an seine Gottheit? Oder ist der Glaube an Jesus Christus etwa auch in den Reihen der Gläubigen angefochten und angefressen vom Gift der Zweifelsucht und der Skepsis, vom Gift des Zeitgeistes, der das Persongeheimnis Jesu so lange zu entmythologisieren sucht, bis von diesem Jesus aus Nazaret schließlich nichts mehr übrig bleibt als nur ein gescheiterter jüdischer Wanderprediger, der ein paar gute, sozialrevolutionäre Ideen gehabt hat aber auch nicht mehr war als viele andere ähnliche Weltverbesserer.

"Als Jesus ihren Glauben sah..." Kann Er bei uns noch wirklichen Glauben sehen und feststellen, wenn wir uns Sonntag für Sonntag zur Eucharistiefeier in der Kirche zusammenfinden und dabei das Glaubensbekenntnis sprechen? Credo...Ich glaube...Plappern wir das Glaubensbekenntnis nicht oft recht gedankenlos herunter, ohne richtig zu bedenken, wozu wir uns da bekennen?

Credo. Ich glaube! Da geht es um ganz Großes, Wichtiges, Entscheidungsvolles, denn Glaube, das ist unsagbar mehr als bloße Meinung, als bloße Ideologie, als bloßes Vermuten oder Tradieren von Ansichten aus vergangenen Zeiten. Glaube steht dabei nie gegen das Wissen, wohl aber über dem Wissen. Glaube ist verankert im Felsenfundament göttlicher Wahrheit, die Gott uns offenbaren wollte und geoffenbart hat, Schritt für Schritt, bis hin zur Vollendung der Offenbarung im menschgewordenen ewigen Wort. So heißt es am Anfang des Hebr 1,1:"Vielfach und auf vielerlei Weise hat Gott einst durch die Propheten zu den Vätern gesprochen, am Ende dieser Tage sprach er zu uns durch seinen Sohn..."

Credo. Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen einzigen Sohn...

Dieser Satz, liebe Brüder und Schwestern, ist vom Blute der Martyrer gerötet, angefangen beim Blut der Apostel, von denen es in Apg 5,11 heißt: "Freudig gingen sie weg (vom Hohen Rat), weil sie gewürdigt worden waren, für den Namen Jesus Schmach (und Verfolgung) zu erleiden."

Bischof Ignatius v. Antiochien ließ sich dann in der unmittelbar nachapostolischen Zeit, im Jahr 117 n.Chr., für den Glaubenssatz von der Gottheit Jesu Christi im Kolosseum zu Rom von den Wilden Tieren wie Weizen zermahlen. — Ein Gelehrter, wie Justinus d. Märtyrer, und viele andere gleich ihm beugten in der Treue zur Glaubenswahrheit von der Gottheit Jesu Christi ihr Haupt unter dem Henkerbeil. — Tausende von Christen arbeiteten dann in den drei Jahrhunderten der blutigen römischen Christenverfolgungen um dieses Glaubenssatzes von der Gottheit Christi willen als Sklaven in den Thermen des Kaisers Trajan und des Kaisers Caracalla, wurden auf die Inseln des Mittelmeeres verbannt, um dort in den Bergwerken zu schmachten, wurden verstümmelt und geblendet, grausam gequält und misshandelt, nur um dieses Satzes willen, an dem sie in ihrem Credo unerschütterlich festhielten: "Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, der empfangen ist vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau."

Wo ist ein Land, das im Lauf der Kirchengeschichte keine Märtyrer aufzuweisen hätte für den Glauben an Jesus Christus, angefangen vom Erzmartyrer Stephanus über Bonifatius, den Apostel der Deutschen, bis hin zu den chinesischen, japanischen, koreanischen und afrikanischen Märtyrern im 19. und 20. Jahrhundert und bis hin zu den Märtyrern in den deutschen und russischen KZ unserer Zeit?

Wer sich aber gläubig zu Jesus Christus bekennt, der muss sich ebenso gläubig zur Kirche Jesu Christi bekennen, die Er auf den Felsen Petri gegründet hat, denn Christus hat zu Petrus und dessen Nachfolgern gesagt: "Wer euch hört, der hört mich, wer euch verachtet, der verachtet mich!" Will man sich gläubig zur Kirche Jesu Christi bekennen, dann muss man bekennen, was sie, erleuchtet vom Hl. Geist, herauf durch die Jahrhunderte in Unerschütterlichkeit und Unfehlbarkeit bekannt hat und bekennt; sie aber bekennt in ihrem Glaubensbekenntnissen nicht bloß die Gottheit Jesu Christi, sondern auch seine jungfräuliche Empfängnis und Geburt aus Maria der Jungfrau, seinen Sühnetod am Kreuze, seine glorreiche Auferstehung und Himmelfahrt, und seine Wiederkunft zum Gericht am Ende der Zeiten.

Alle diese fundamentalen christologischen Wahrheiten aber sucht man heute, liebe Brüder und Schwestern, umzuinterpretieren, umzudeuten, aufzuweichen und zu verfälschen.

Aber merkwürdig: Nichts Neues gibt es unter der Sonne, denn die Irrlehren, wie sie heute als neueste theologische Erkenntnisse angepriesen werden, gab es längst schon in den ersten christlichen Jahrhunderten, kaum dass die Kirche aus den Katakomben ans Licht der Freiheit gestiegen war. Und alle diese christologischen Irrlehren wurden auf den Konzilien von Nicaea 325, von Ephesus 431, von Chalzedon 451, von Konstantinopel 681 zurückgewiesen und verworfen.

"Alter Glaube — neu durchdacht", so lautete einmal der Titel einer Vortragsreihe in unserem sogenannten Katholischen Bildungswerk. Das war ein guter Titel, und ein berechtigtes Anliegen steckte dahinter. Man muss sich aber hüten, dass man beim Neudurchdenken des alten Glaubens im Handumdrehen aus dem alten Glauben nicht einen neuen Glauben erhält und dass es zuerst heißt: "Alter Glaube —neu durchdacht", beim nächsten Mal dann vielleicht schon: "Alter Glaube — neu formuliert", das übernächste Mal vielleicht: "Alter Glaube — neu interpretiert", weil angeblich die bisherige Interpretation der Dogmen durch das kirchliche Lehramt nicht mehr ankommt bei den Menschen unserer Zeit. Und man erlebt es heute da und dort auf Lehrkanzeln und in Lehrbüchern, wie aus der Neuinterpretation des alten Glaubens im Handumdrehen ein neuer Glaube wird, der letztlich nur noch eine humanistische Ethik ist, eine humanistische Weltanschauung.

Nein, liebe Brüder und Schwestern, so weit darf es bei uns, bei Euch in dieser Zeit der Glaubensverwirrung nicht kommen! Hüten wir uns, den alten Glauben preiszugeben, den Glauben an den menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes Jesus Christus, denn es stimmt auch für unsere Zeit, was Petrus in seiner Verteidigungsrede vor dem Hohen Rat gesagt hat: "Kein anderer Name ist unter dem Himmel den Menschen gegeben, um das Heil zu erlangen, als nur der Name Jesus, unser Herr und Heiland, Gott, hochgelobt in Ewigkeit!“

"Als Jesus ihren Glauben sah..."

Möge Er auch bei uns allen starken, festen, unerschütterlichen Glauben sehen, Glauben an Ihn, der auch für die Menschen unserer Zeit "Weg, und Wahrheit und Leben ist".

"Als Jesus ihren Glauben sah...."

Kehren wir jetzt noch einmal zurück zum heutigen Evangelium: "Als Jesus ihren Glauben sah", was tat er da? Hat Er da etwa zum Gelähmten gesagt: 'Dein Glaube, du armer Gelähmter, und der Glaube derer, die dich unter so schwierigen Bedingungen zur Mir hergebracht haben, soll nun belohnt werden; augenblicklich sollst du gesund werden!'? - Nein, ein ganz anderes Wort sprach Jesus in die entstandene Stille hinein: "Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!"

Zunächst werden sich der Gelähmte und seine Helfer über dieses Wort Jesu gewundert haben, ja vielleicht waren sie sogar enttäuscht, dass Jesus kein Wort von der Heilung des kranken Leibes des Gelähmten sprach, wie sie es doch in ihrem gläubigen Vertrauen erwartet hatten.

Es war das sicher eine harte Glaubensprobe für sie, wie da Jesus über die furchtbaren Schmerzen des Gelähmten, die durch den mühsamen Transport über das Dach und dann durch die Luft hinunter zu den Füßen Jesu nicht geringer geworden waren, einfach stillschweigend hinwegging. Aber Jesus tat das sicher mit voller Absicht: Der Gelähmte und seine Träger und alle Zuschauer und Zuhörer sollten -gerade weil sie Glauben hatten- bedenken, dass Jesus nicht zunächst dazu gekommen war, um uns Menschen von körperlichen Leiden und Schmerzen zu befreien, sondern um uns vom viel größeren Leid der Seele, vom Unheil der Sünde und ihren Folgen für Zeit und Ewigkeit freizumachen. Jesus sah und sieht hinter das körperliche Leid und sieht dahinter - nicht bloß bei jenem Gelähmten, sondern bei allen Menschen- als Wurzel allen Leids die Sünde! Betont doch der hl. Paulus in seinem Römerbrief mit vollem Recht: Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod und mit dem Tod alles Leid, das ihm vorausgeht. Die Trennung von Gott in der Sünde ist die eigentliche Ursache alles menschlichen Leids. Und die Heilung des Menschen muss da einsetzen, dass er aus der Unheilssituation der Sünde wieder herausgeholt wird. Darum sprach Christus zum Gelähmten: "Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!" Es war, als wollte Christus zu dem Gelähmten sagen: 'Ich habe deinen Glauben, dein Vertrauen, deine Reue über alle deine Sünden gesehen. Nun soll dir vergeben und geholfen werden. Und wenn deine Seele wieder frei sein wird von der Sünde, dann wird sich bei dir vieles anderes ganz von selber ergeben, denn du wirst es erleben: Wenn die Seele frei von Sündenschuld ist, ist sie fähig, alles körperliche Leid tapfer zu tragen oder sogar davon geheilt zu werden.

Für jene, bei denen Christus damals keinen Glauben sah, war sein Wort von der Sündenvergebung, das er an den Gelähmten gerichtet hatte, das große Ärgernis. Die Pharisäer und Schriftgelehrten sagten: "Der lästert ja Gott, denn wer kann Sünden vergeben als nur Gott allein!"

Ihre Feststellung war an sich richtig: Wer kann Sünden vergeben als nur Gott allein, der durch die Sünde beleidigt wird. Wenn ein bloßer Mensch wagt, Sünden zu vergeben, so greift er in die ausschließlichen Rechte Gottes ein und maßt sich gotteslästerlich ein Recht an, das nur Gott allein zusteht. Wie kann also dieser Jesus Sünden vergeben? Der Herr las diese Frage in den Herzen und Gesichtern der Umstehenden. Und er beantwortete diese Frage eindeutig klar: "Damit Ihr erkennt, dass der Menschensohn Macht hat auf Erden, Sünden zu vergeben - nun wandte er sich an den Gelähmten und sprach zu ihm: Steh auf, nimm deine Tragbahre und geh nach Hause!; Und siehe da, der Gelähmte, der bis zu diesem Augenblick hilflos in seinen Schmerzen dagelegen war, richtete sich urplötzlich gesund auf, erhob sich von der Tragbahre und ging vor aller Augen fröhlich davon. Die Feinde Jesu aber waren von diesem Tatsachenbeweis so verblüfft, dass sie kein Wort mehr herausbrachten. Das Volk aber - es hat doch immer das gesündere Empfinden als die Siebenmal-Gescheiten - zog den einzig richtigen Schluss aus diesem überraschenden Wunder: "Es geriet in Furcht und pries Gott, der dem Menschen solche Macht gegeben hat!"

Brüder und Schwestern im Herrn, wir wollen wie das staunende Volk von damals Gott Vater loben und preisen, dass er seinem menschgewordenen Sohn solche Macht gegeben hat. Und wir wollen dem menschgewordenen Sohn Gottes Jesus Christus unseren starken Glauben und unser grenzenloses Vertrauen, aber auch die ihm schuldige Anbetung schenken. Ja, glauben wir an Ihn und lassen wir Ihm einen frohen Blick auf diesen unseren Glauben tun, wenn Er im Messopfer wieder wahrhaft und wirklich unter uns gegenwärtig wird und lassen wir Ihm einen frohen Blick auf diesen unseren Glauben tun, wenn Er uns im Sakrament der Buße das gleiche Wort sagt, das Er zu dem Gelähmten gesprochen hat: Sei getrost, mein Sohn, meine Tochter, deine Sünden sind dir Vergeben! Glaube nur! Amen.