Weihe der Lateranbasilika

gehalten in St. M. Loreto am 9. November 1986

 

Die Liturgie des 32. Sonntags im Jahreskreis hat heute zu weichen vor der Liturgie einer Kirchweihe: Heute wird die Weihe der Lateranbasilika in Rom in der ganzen Weltkirche gefeiert.

Man könnte fragen: Was geht denn uns hier in Salzburg die Kirchweihe einer römischen Kirche an? Vielleicht freuen sich darüber jene, die als Rompilger schon diese sicher sehenswerte Kirche gesehen und besucht haben. Aber wir, die wir noch nie das Glück einer Rompilgerfahrt gehabt haben und wahrscheinlich nie haben werden, warum sollen wir da heute dieses Kircheweihfest feiern?

Ich aber finde es ungemein sinnvoll, dass wir heute das Fest der Kirchweihe der Lateranbasilika feiern, denn dies hat sicher mehr als nur lokale Bedeutung: Die Lateranbasilika geht auf Kaiser Konstantin zurück, der nach drei Jahrhunderten grausamer Christen- und Kirchenverfolgung im römischen Reich der Kirche die Freiheit schenkt und um 324 eine Basilika zu Ehren des göttlichen Erlösers erbauen ließ, damit darin der Stellvertreter Jesu Christi, der Papst, den Gottesdienst feiern könne. So ist die Lateranbasilika die Kathedrale des Papstes, insofern er Bischof von Rom ist. Von daher versteht sich der Ehrentitel, den die Lateranbasilika seit je trägt: „Mater et caput omnium ecclesiarum urbis et orbis“ (Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt Rom und des ganzen Erdkreises).

Hier denken wir dann an unsere Zuordnung zur Kirche: Sie geschieht in konzentrischen Kreisen: Zuerst sind wir der Ortskirche, der zuständigen Pfarrkirche zugeordnet, dann der Diözesankirche mit dem Dom an der Spitze, und schließlich der Weltkirche mit der Kathedrale des Papstes an der Spitze. Dieser unserer Zuordnung entspricht dann das dreifache Kirchweihfest, das wir Jahr für Jahr feiern: Zuerst das Kirchweihfest unserer Pfarrkirche, dann das Kirchweihfest unserer Domkirche und schließlich eben das Kirchweihfest der Lateranbasilika in Rom als der Kathedrale des Papstes, des Bischofs von Rom.

Und wir denken dabei dankbar an all die Gnaden, übernatürlichen Wohltaten und Segnungen, die uns in dieser dreifachen Kirche vermittelt werden: in der Pfarrkirche hören wir für gewöhnlich das Wort Gottes und empfangen die Sakramente, angefangen etwa beim Sakrament der Taufe, bis hin zum Sakrament der Buße und des Altares. In der Domkirche, in der ersten Kirche der Diözese, der wir angehören, werden für gewöhnlich die heiligen Öle geweiht für die Spendung der Taufe, der Firmung und der Priesterweihe. Und in der Domkirche wird für gewöhnlich auch das Sakrament der Firmung und der Priesterweihe vom ersten Hirten der Diözese, vom bischöflichen Oberhirten gespendet. In der Lateranbasilika in Rom aber hält der oberste Hirte der ganzen Weltkirche als Bischof von Rom die feierlichen Gottesdienste; hier fanden auch im Lauf der Kirchengeschichte wichtige Konzilien statt; ich denke beispielsweise an das Laterankonzil des Jahres 649 unter dem heiligen Bekennerpapst Martin I., auf dem die immerwährende Jungfräulichkeit der Gottesmutter Maria feierlich als Dogma verkündet wurde; ich denke dann an das IV. Laterankonzil im Jahre 1215, auf welchem in feierlicher Form im Dekret „Firmiter credimus“ die wichtigsten Glaubenswahrheiten gegen damalige Irrlehren, die bis in unsere Gegenwart immer wieder auftauchten, festgelegt wurden und dann auch das 4. Gebot der Kirche verpflichtend vorgeschrieben wurde: „Du sollst deine Sünden jährlich wenigstens einmal beichten und zur österlichen Zeit sowie in Todesgefahr die hl. Kommunion empfangen“; ich denke auch noch an das V. Laterankonzil, auf dessen 8. Sitzung im Jahre 1513 die 5. Grundwahrheit von der Unsterblichkeit der Menschenseele feierlich als Dogma verkündet wurde mit den Worten: „Der Sämann des Unkrauts, der alte Feind des Menschengeschlechts, wagte es, in unseren Tagen einige ganz verderbliche, von echten Christen immer verabscheute Irrtümer in das Ackerfeld Gottes auszustreuen und wachsen zu lassen, besonders über die Natur der vernunftbegabten Menschenseele: sie sei sterblich oder sie sei ein und dieselbe in allen Menschen ... Wir verurteilen alle und weisen alle zurück, die behaupten, die vernunftbegabte Menschenseele sei sterblich oder sie sei nur eine einzige in allen Menschen ...“

Wir wollen aber heute am Kirchweihfest der Lateranbasilika nicht bloß an solche außerordentliche Ereignissee, wie es Konzilien sind, denken, sondern vor allem auch an jenen Bischof, dessen Kathedrale, wie gesagt, die Lateranbasilika ist: Es ist der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, der Papst.

In der nächsten Zeit kommt der Papst in unser Nachbarland Deutschland und wird auch im großen Marienwallfahrtsort Bayerns, der einst zur Erzdiözese Salzburg gehört hat, in Altötting Station machen, Gottesdienst feiern und predigen. Es wird das ein Ereignis, ein geschichtliches Ereignis, ein religiöses Ereignis für unser Nachbarland und auch für uns sein.

Kritische Stimmen fragen: „Was kommt denn schon dabei heraus?“ Nun, wenn in Deutschland nur ein Minimum von dem herauskommt, was aus anderen Ländern berichtet worden ist, kann man sehr zufrieden sein. Dieser polnische Papst ist ja doch ein Geschenk Gottes. Er ist intelligent, humorvoll, beherrscht verschiedene Sprachen, auch unsere deutsche Sprache, er spricht zum einfachen Mann wie zu einem Staatsmann, offen, gütig, überzeugt und überzeugend. Er hat Gaben und Charismen: zu allererst einen unerschütterlichen Glauben, eine fröhliche, zuversichtliche Hoffnung, eine tiefgegründete Liebe.

Welcher Politiker, welcher Große dieser Welt hat schon Millionen Menschen wie er auf die Beine gebracht? Was spüren bei ihm die Menschen, warum strömen sie ihm so zahlreich zu? Eine französische Zeitung schrieb lapidar: „Sein Vorübergang ist der einer Ikone Christi gleich!“ – 50.000 französische Jugendliche hörten ihm in Paris begeistert zu. Was der Papst dabei sagte, war aber wahrlich kein läppisches Geschwätz, um bei diesen Jugendlichen anzukommen. Er sprach zu ihnen von der Notwendigkeit der Keuschheit, des Verzichtes, der Selbstbeherrschung, und vom Wunder der Liebe zwischen Mann und Frau, von der echt verstandenen Sexualität und ihre Grenzen, von der wahren Frömmigkeit. Ohne Wenn und Aber sagte der Papst den jungen Menschen u.a.: „Wagt es, Christus zu folgen! Das verlangt Verzicht, das fordert Umkehr auf den rechten Weg! Es kann ein Kreuzweg sein, gewiss, aber es ist dabei auch ein Weg der Freude, denn es ist ein Weg der Hoffnung! Auf, ihr Mädchen und Burschen, wagt es !“

Eine amerikanische Zeitung schrieb: „Dank seiner inneren Fröhlichkeit und der kraftvollen Botschaft der Hoffnung, die er brachte, erhob und erbaute der Papst Amerika während der wenigen Tage, die er bei uns weilte. Einige Freunde sagten mir, dass die Menschen in diesen Tagen gütiger, freundlicher, aufmerksamer zueinander waren, während der Papst unter uns war ... Dieser Papst ist ein Denker und bringt andere zum Denken!“

Wahrlich, wir sollten alle in Liebe und Treue zu diesem Papst, zum Oberhaupt der Kirche, zum Nachfolger Petri, zum Bischof von Rom, stehen und sollten heute am Kirchweihfest der Lateranbasilika, der Kathedrale des Papstes, ihm und der Kirche, der wir anzugehören das Glück und die Gnade haben, wieder einmal von ganzem Herzen unsere Liebe und Treue versprechen. Die Losung darf nicht heißen: „Christus ja, die Kirche aber nein!“ Sie muss heißen: Christus  u n d  die Kirche! Ihnen sind wir eingegliedert worden in der hl. Taufe. Wir lassen uns von Christus, vom Glauben an Ihn, von der Liebe zu Ihm, von der Treue zu Ihm nicht trennen! Wir lassen uns darin nicht irremachen. Wir lassen uns aber auch von der durch Christus auf den Felsen Petri gegründeten Kirche nicht trennen, denn beide gehören unzertrennlich zusammen. Das hat der erste Papst, Petrus, klar ausgesprochen, als er, der zum Felsenfundament der Kirche bestimmt worden war, zu Christus auf die Frage: „Wollt auch ihr weggehen?“ die Antwort gab: „Herr, wohin sollten wir gehen, wenn wir weggingen? Nur Du hast Worte des ewigen Lebens und wir haben erkannt und geglaubt, dass Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“

Zu Petrus hat Christus gesagt: „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“

Wir denken zuletzt nicht an das eindrucksvolle Schiff der Lateranbasilika, sondern an das Schiff der Kirche mit seinem Steuermann und halten uns dabei an das, was die katholische Jugend heute gerne singt in einem Lied:

1. „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit. Das Ziel, das ihm die Richtung weist, heißt Gottes Ewigkeit. Das Schiff es fährt vom Sturm bedroht durch Angst, Not und Gefahr, Verzweiflung, Hoffnung, Kampf und Sieg, so fährt es Jahr um Jahr. Und immer wieder fragt man sich, wird denn das Schiff bestehn? Erreicht es wohl das große Ziel? Wird es nicht untergehn? Bleibe bei uns, Herr, bleibe bei uns, Herr, denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer. O bleibe bei uns, Herr!

2. Das Schiff das sich Gemeinde nennt, liegt oft im Hafen fest, weil sich´s in Sicherheit und Ruh bequemer leben lässt. Man sonnt sich gern im alten Glanz vergangner Herrlichkeit, und ist doch heute für den Ruf zur Ausfahrt nicht bereit. – Doch wer Gefahr und Leiden scheut, erlebt von Gott nicht viel. Nur wer das Wagnis auf sich nimmt, erreicht das große Ziel. Bleibe bei uns, Herr, bleibe bei uns, Herr, denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer. O bleibe bei uns, Herr!

3. Im Schiff, das sich Gemeinde nennt, muss eine Mannschaft sein, sonst ist man auf der weiten Fahrt verloren und allein. Ein jeder stehe, wo er steht, und tue seine Pflicht, wenn er sein´ Teil nicht treu erfüllt, gelingt das Ganze nicht. Und was die Mannschaft auf dem Schiff ganz fest zusammenschweißt in Glaube, Hoffnung, Zuversicht, ist Gottes guter Geist. Bleibe bei uns, Herr, bleibe bei uns, Herr, denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer. O bleibe bei uns, Herr!“ Amen.