4. Sonntag im Jahreskreis – Lj B

gehalten in St. M. Loreto am 1.2.1976

 

Im heutigen SoEv ist von der Predigt- und Lehrtätigkeit Jesu die Rede. Der menschgewordene Sohn Gottes machte sich zum ruhelosen Wanderprediger, der jede Gelegenheit und jeden halbwegs geeigneten Ort benützte, um  zum Volk zu sprechen und es zu belehren. Bald richtete er seine Lehr- und Predigtkanzel auf einer Bergeshöhe auf und sammelte an den Abhängen des Berges die Volksscharen um sich und hielt ihnen eine Bergpredigt; bald machte er wieder ein Boot im See zu seiner Kanzel und predigte von da aus zu den am Seeufer dichtgedrängt versammelten Volksscharen. Bald war es wieder ein Privathaus, wie das des Simon Petrus in Kapharnaum oder auch das öffentliche Bethaus, die Synagoge, wo der Herr Jesus das Wort ergriff und zu den Versammelten sprach. So heißt es zu Beginn des heutigen SoEv: „In Karphanaum ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte!“

 

 

 

 

Wie aber war die Reaktion auf seine Lehre, auf seine Predigt? Es heißt da im heutigen SoEv: "Sie staunten über seine Lehre, denn Er lehrte wie einer, der Macht hat und nicht wie die Schriftgelehrten".

Hier wird die Lehrtätigkeit, die Predigttätigkeit Jesu sehr bezeichnend charakterisiert: Zuerst mit einem negativen Vergleich:

 

1. Er sprach nicht wie die Schriftgelehrten. Diese sprachen in einem für das schlichte Volk unverständlichen Fachchinesisch. Sie hielten sich dabei strikt an die Sprachregeln ihrer Hochschule und schlugen dabei für die einfachen Menschen einen fast unverständlichen, lebensfremden, weltfremden Ton an; dabei schauten sie in Überheblichkeit, stolz auf ihre akademische Bildung, verächtlich zum ungebildeten Volk herab.

2. Jesus sprach auch nicht wie die alttestamentlichen Propheten. Diese verstanden es gar wohl, das Volk aufzurütteln, zu warnen und zu tadeln; sie taten das in oft erschreckenden Bildern und in furchterregender Anschaulichkeit, aber immerhin im Auftrag Gottes, der an sie ergangen war.

Jesus aber, wie sprach Er?

 

Nun wird es positiv gesagt: "Er lehrte wie einer, der Macht hat, Vollmacht hat". Das spürten die Menschen unwillkürlich. Aber was heißt das: "Er sprach und lehrte wie einer, der Macht, Vollmacht hat"? Es heißt zum mindesten: Er sprach und lehrte aus eigenem Wissen, aus eigener Einsicht in die letzten Zusammenhänge, er lehrte mit dem klaren Anspruch, das einzig Wahre und einzig Entscheidende in letzter, ursprünglicher Tiefe kundzutun; er lehrte als ein mit göttlichem Wissen und göttlicher Macht Ausgestatteter, der göttliche Offenbarung zu künden hat.

Dabei sprach der Herr Jesus aber nicht hochgeschraubt unverständlich, sondern so schlicht, so einfach, dass auch die ungebildeten Menschen Ihn verstehen konnten, und doch wieder so tief, dass wir heute noch über den ungeheuren Gehalt und Gedankenreichtum seiner Worte staunen müssen und aus dem Staunen gar nicht herauskommen, wenn wir sehen, was alles in einem Gleichnis Jesu, in einem kurzen Satz oder auch nur in einem einzigen Wort Jesu alles drinnensteckt an fortwirkender Geisteskraft.

In der Dogmatischen Konstitution des II. Vat. Konzils über die göttliche Offenbarung heißt es im Artikel 4: "Nachdem Gott viele Male und auf viele Weisen durch die Propheten gesprochen hatte, hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns gesprochen im Sohn. Er hat seinen Sohn, das ewige Wort, das Licht aller Menschen, gesandt, damit Er unter den Menschen wohne und ihnen vom Innern Gottes Kunde bringe. Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, als Mensch zu den Menschen gesandt, redet die Worte Gottes und vollendet das Heilswerk, dessen Durchführung der Vater ihm aufgetragen hat. Wer ihn sieht, sieht auch den Vater. Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem dann aber auch durch seinen Tod und sein herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung (Gottes) erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, dass Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken".

Mit Recht kamen damals die Menschen aus dem Staunen nicht heraus über die Wortgewalt Jesu, sie gerieten in Erregung, sie diskutierten und einer fragte den andern: "Was bedeutet das nur? Das ist ja eine ganze neue Lehre, die da mit Macht, mit Vollmacht verkündet wird?" Eine ganz neue Lehre hat Jesus verkündet! Aber ist das schon etwas Besonderes und besonders Beeindruckendes? Neue Lehren hat es ja doch zu allen Zeiten gegeben. Reformer, Weltverbesserer mit ihren Lehren Theorien und Ideologien haben in der Weltgeschichte nie gefehlt. Was war denn nun das so unerhört Neue an der Lehre Jesu? Was hat Er denn damals in der Synagoge von Kapharnaum gepredigt und gelehrt, dass die Menschen darüber in solches Staunen gerieten?

Es war nichts anderes als das, wovon bereits im letzten SoEv die Rede war. Es war das Evangelium! Ein kurzes, aus dem Griechischen stammendes Fremdwort Aber was darin alles steckt!. Eu–angelion: Frohbotschaft, Gute Botschaft. Frohbotschaft - frohmachende Botschaft. Frohbotschaft wovon? Frohmachende Botschaft wodurch? Frohbotschaft vom Vatergott, der seinen Sohn in die Welt gesandt hat, damit er die Menschen aus dem Unheil der Sünde und des ewigen Todes erlöse! Dazu gehört aber das Mitwirken der Menschen mit der Erlösung! Sie müssen dem Ruf  zur Umkehr, zur Bekehrung, zum Umdenken folgen und Ernst machen mit der Wahrheit von ihrer Erlösung durch den Sohn des himmlischen Vaters. Die Menschen müssen dann auch danach leben, dass Gott ihr Vater, der Vater aller Menschen ist, und dass sie alle Kinder, Söhne und Töchter des einen gleichen Vatergottes und untereinander Brüder und Schwestern sind, die brüderlich zusammenzuleben und zusammenzustehen haben, damit das Reich Gottes kommen und die Königsherrschaft Gottes aufgerichtet werden kann in den Menschenherzen, in den Familien, in den Gemeinschaften... Diese neue Lehre von damals ist nicht veraltet, nein, wahrlich nicht. Wir glauben nur alle viel zu wenig daran, wir glauben zu wenig an Gott und seine unendliche Erlöserliebe zu uns Menschen, wir glauben alle viel zu wenig an das, was der menschgewordene Sohn Gottes Jesus Christus zu unserem Heil getan und gelitten hat...

In dieser Welt aber kann es nicht gut gehen, wenn die Menschen so wenig an Gott und seine unendliche Liebe zu uns Menschen glauben, wenn sie Gott weithin ignorieren und vergessen und falsche, selbstgemachte Götzen anbeten: den Götzen Sex, den Götzen Geld, den Götzen Genuss und Lust, den Götzen Lebensstandard und Macht und das goldene Kalb des Wohlstands und dabei egoistisch nur an sich denken und den Bruder in Not vergessen und Gott immer mehr einen guten Mann sein lassen, der angeblich in eine aufgeklärte Welt der Technik nicht mehr hineinpasst, sondern überflüssig geworden ist... Aber wir alle müssten uns immer wieder darauf besinnen, dass technischer und wirtschaftlicher Fortschritt und materieller Wohlstand nicht alles sein kann, dass diese irdischen Werte unmöglich verabsolutiert werden können, dass diese vergänglichen Werte unmöglich an die Stelle Gottes, gesetzt werden dürfen. Wenn so viele Menschen heute meinen, sie hätten in all den modernen technischen und wirtschaftlichen Errungenschaften hilfreiche Götter genug und bräuchten nicht mehr den lebendigen Gott, dann sind sie gewaltig auf dem Holzweg. Denn immer wieder, in Stunden der Stille und Besinnung, vor allem bei Heimsuchungen und Schicksalsschlägen werden wir doch deutlich genug daran erinnert, dass das Menschenherz mit bloß vergänglichen materiellen Gütern und Werten nicht zu befriedigen ist. Gerade dann erleben wir es und spüren wir es sehr deutlich: Die den Menschen immer wieder quälende Sinnfrage lässt sich nicht mit billigen Surrogaten beantworten. Letztlich geht es nicht ohne die alte und doch immer wieder neue Lehre Christi vom Vatergott, der uns erschaffen hat, dass wir ihn erkennen, ihn lieben, ihm dienen und dadurch ewig glücklich werden; und es geht letztlich nicht ohne die Frohbotschaft vom Erlöser und ohne die Frohbotschaft, dass wir alle Kinder des einen gleichen Gottes sind und untereinander Brüder und Schwestern.

Wer es jemals richtig erfasst hat, worum es wirklich geht beim Evangelium Gottes, beim Evangelium Christi, bei seiner Frohbotschaft, der kommt auch heute nicht aus dem Staunen heraus über die Weisheit, die darin steckt, und über die umwandelnde Kraft, die es besitzt, und über den Trost, die Freude und den Frieden für Zeit und Ewigkeit, die es zu vermitteln vermag!

Es ist nur jammerschade, dass wir weithin das Staunen verlernt haben! Damals haben die Menschen noch gestaunt! Uns lässt es heute vielfach kalt, weil wir angeblich ja nichts zu sehen bekommen von der Macht und Kraft der Lehre Christi. Zugegeben, es kommt keiner in unser Haus, in unsere Wohnung und wirkt ein Wunder im Namen Christi, im Auftrag Christi, wenn gerade einer krank zu Bette liegt. Es kommt keiner und treibt die Teufel aus, die auch heute noch da und dort — beim Nachbarn, im Betrieb, in der Schule oder vielleicht gar im eigenen Herzen ihr Unwesen treiben. Und doch..., wenn wir die Augen auftäten, würden wir da und dort merken und spüren: Gott. wirkt immer noch, auch heute noch durch sein Wort, durch die Lehre Christi wahre Wunder! Der scheinbar abwesende Gott ist schon noch da in dieser Welt, er st nicht tot. Tot ist nur leider vielfach der Glaube, das Vertrauen! Vielleicht deshalb, weil heute so viele Menschen besessen sind von einem unreinen Geist: vom unreinen Geist des Sexualismus, an dem sie ihr Gefallen haben oder den sie jedenfalls in seinem sittenverderbenden Auswirkungen feige dulden und dabei über die Kirche spotten, wenn sie es wagt, die sexuellen Verfehlungen als das zu bezeichnen, was sie sind: folgenschwere Sünden; oder besessen sind heute viele Menschen vom unreinen Geist des Materialismus, vom unreinen Geist der Machtgier, der Herrschsucht, der Süchtigkeit überhaupt, und erst recht vom unreinen Geist der Gehässigkeit.

Und dieser unreine Geist — ob er nun von dieser oder von jener. Art ist — hat Angst, er könnte ausgetrieben werden. So wie es damals in der Synagoge von Kapharnaum der Fall war. Wie hat doch damals jener unreine Geist, der einen Mann besessen hielt, vor Angst aufgeheult, als er die wortgewaltige Predigt Jesu mitanhören musste! "Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, uns ins Verderben zu stürzen?" So schrie er mit seinem Anhang. Der unreine Geist, der da aus diesem besessenen Mann herausschrie, spürte da plötzlich die Gegenwart eines Stärkeren, eines Mächtigeren. Er spürt, in diesem Jesus und seiner Lehre steckt eine Kraft, eine Macht, die nicht von dieser Welt ist, die von anderswoher kommen muss. Und in einer entsetzlichen Angst, dass nun ein Mächtigerer da ist als es der Mächtigste unter den Geistern der Bosheit ist, schrie er auf...

Ist es heute nicht ganz ähnlich? Ist nicht alles Sturmlaufen gegen Christus und seine Lehre, die man wahr und richtig, aber höchst unbequem findet, und ist nicht alles Anstürmen gegen den Gottesglauben in unserer Zeit mit dem erbärmlichen Gerede vom Tod Gottes, und ist nicht alles Kämpfen gegen die Kirche und ihre Verkündigung der Glaubenswahrheiten und der sittlichen Forderungen nur allzu klarer Beweis dafür, dass da einer Angst hat, ganz große Angst, nämlich der böse Geist, der böse Feind? Es ist halt doch jene Angst, mit der schon damals in der Synagoge von Kapharnaum es aus dem besessenen Mann herausschrie: "Was willst du, Jesus von Nazareth? Was haben wir mit dir zu tun? Bist du gekommen, uns ins Verderben zu stürzen?"

Ja, genau dazu ist Christus gekommen, genau das ist der Sinn seiner Lehrtätigkeit, seiner Predigttätigkeit, seiner Wundertätigkeit, seiner Erlösertätigkeit, die er fortsetzt in seiner Kirche und in den von ihm gestifteten Sakramenten: den bösen Geist und seinen Anhang ins Verderben zu stürzen, zu besiegen, zu vernichten, um so uns Menschen aus dem Verderben, aus dem ewigen Verderben zu befreien und ewig glücklich zu machen!

Glauben wir doch wieder mehr, viel mehr an die Wortgewalt Jesu und an die Gewalt seines Wortes, an die Kraft und Macht seiner Lehre und seiner Gnade über alle bösen Geister, die in unserer Zeit die Menschen ins Verderben stürzen möchten. Amen.