6. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr A (!)

gehalten in St. M. Loreto am 10. Mai 1996

 

Auch am heutigen Sonntag ist das Evangelium den Abschiedsreden Jesu beim Letzten Abendmahl entnommen und der wichtigste Abschnitt darin ist das Wort vom Hl. Geist, den Christus vom Vater erbitten und auf seine Jünger und die ganze Kirche als Tröster, Helfer und Beistand herabsenden wird: „Ich werde den Vater bitten; und Er wird euch einen anderen Beistand geben, damit er immer bei euch bleibt. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt: Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.“ (Joh 14,16-17)

Noch viermal spricht Christus in seiner Abschiedsrede von diesem Beistand, Tröster und Helfer, den Er vom Vater senden wird. Hören wir uns diese vier Stellen noch an:

 

  1. Joh 14,25: „Dies habe ich zu euch geredet, während Ich bei euch weilte; der Beistand aber, der Hl. Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was Ich euch gesagt habe.“
  2. Joh 15,26: „Wenn der Beistand kommt, den Ich vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, so wird er von mir Zeugnis geben. Aber auch ihr sollt Zeugnis geben.“
  3. Joh 16,5ff.: „Jetzt gehe Ich zu dem, der mich gesandt hat, und niemand von euch fragt Mich: „Wohin gehst Du?“; sondern weil Ich euch dies gesagt habe, ist euer Herz voll Traurigkeit. Aber Ich sage euch die Wahrheit: es ist gut für euch, dass Ich fortgehe; denn wenn Ich nicht fortgehe, würde der Beistand nicht zu euch kommen; wenn Ich aber fortgehe, werde Ich ihn euch senden. Wenn er dann kommt, wird er die Welt überführen: der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichtes – der Sünde, weil sie nicht an Mich glauben; der Gerechtigkeit, weil Ich zum Vater gehen darf, während ihr Mich nicht mehr seht; des Gerichtes, weil der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist.“
  4. Joh 16,12: „Noch vieles hätte Ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt noch nicht ertragen, wenn er aber kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in alle Wahrheit einführen.“

 

Schauen wir uns jetzt diese fünf berühmten Paraklet-Sprüche Jesu in seinen Abschiedsreden genauer an:

Im Abendmahlssaal herrschte damals Abschiedsstimmung: Jesus sagte seinen Jüngern, dass Er sie verlassen werde. Ganz natürlich tauchte nun in den traurig gestimmten Jüngern die Frage auf: was wird geschehen, wenn der Meister uns verlässt? Ein Meister, der seine Jünger verlässt, müsste doch wenigstens für das weitere zukünftige Geschick seiner Jünger Vorsorge treffen. Da sagt nun Jesus etwas, das auf den ersten Blick seltsam klingt: „Es ist gut für euch, wenn Ich von euch fortgehe und zu dem gehe, der Mich gesandt hat.“ Das ist für die Jünger unbegreiflich. Der Meister ist doch für sie unersetzlich! Und dennoch, ohne seine Unersetzlichkeit zu bestreiten, fügte nun Jesus die Bemerkung an: „Ich sage euch die Wahrheit: Es ist wirklich gut für euch, wenn Ich von euch fortgehe und zum Vater gehe, der Mich gesandt hat. Denn wenn Ich nicht von euch fortginge, würde der Beistand nicht zu euch kommen. Doch wenn Ich fortgehe, so werde Ich ihn euch senden.“

Jesus stellt also fest, dass sein Weggehen von seinen Jüngern für sie von Vorteil sein wird, weil sein Fortgehen erst die Sendung des Beistandes, des Hl. Geistes möglich macht. Die Jünger werden durch seinen Weggang nichts verlieren, weil Er ihnen aus der Herrlichkeit des Vaters den Hl. Geist senden wird!

Die immer noch wegen seines angekündigten Fortgehens traurigen Jünger tröstet Jesus nun noch weiter; Er sagt zu ihnen: „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück; Ich komme wieder zu euch.“ (Joh 14,18) Und Jesus wiederholte es noch einmal: „Ich gehe, doch Ich komme wieder zu euch!“ (Joh 14,28) Durch die Sendung des Hl. Geistes wird es zu einer neuen, endgültigen Ankunft Christi kommen. Die tiefe Bedeutung der Sendung des Hl. Geistes besteht darin, dass Jesus künftig nicht mehr leiblich unter seinen Jüngern gegenwärtig sein wird. Er wird gegenwärtig sein in seinem Geist, im Hl. Geist.

Jesu leibliche Gegenwart unter seinen Jüngern auf dieser Erde war nur eine vorübergehende. Seine Gegenwart aber durch seinen Geist, den Hl. Geist wird eine ewig bleibende sein: „Er (der Hl. Geist) wird in Ewigkeit bei euch bleiben; er bleibt nicht bloß bei euch, sondern wird sogar in euch sein und bleiben.“ (Joh 14,16-17) In dem vom Vater herabgesandten Hl. Geist wird die von Christus seiner Kirche gegebene, überaus tröstliche Gewissheit verwirklicht: „Seht, Ich bin bei euch, alle Tage, bis zur Vollendung der Welt!“ (Mt 28,20) Der Hl. Geist wird den Jüngern Jesu die dauernde Gegenwart des Meisters bringen, jene Gegenwart, die den Ablauf der weiteren Geschichte beherrschen und eine Gewähr dafür sein wird, dass der Kirche in keinem Augenblick ihrer Entwicklung der Beistand und Tröster, der Hl. Geist fehlen wird. Vielleicht verstehen wir jetzt besser, inwiefern das Wort Jesu: „Es ist gut für euch, dass Ich zum Vater gehe“ einen echten, gültigen Trost enthalten hat, den er den Jüngern für seinen leiblichen Abschied geben wollte: Wenn Christus auch dem Leibe nach von seinen Jüngern weggeht, dem Geiste nach wird seine Gegenwart immer fortbestehen und bleiben.

Und diese Gegenwart Christi in allen kommenden Generationen, wie sie der Hl. Geist bringt, wird sogar noch inniger und vertrauter sein als die frühere leibliche Gegenwart Jesu.

Der Geist ist ja dem Gesetz der undurchdinglichen Körperlichkeit nicht unterworfen. Seit die Gegenwart Christi eine Gegenwart im Geiste geworden ist, vermag sie ganz tief in uns einzudringen. Es handelt sich nicht mehr bloß um eine Gegenwart Christi bei uns, in unserer Nähe bloß, sondern um eine Gegenwart Christi in uns, in unserem Inneren.

Dank dem Hl. Geist brauchen wir also gar nicht darüber trauern, dass wir Christus nicht leiblich gekannt und seine leibliche Gegenwart nicht erlebt haben, als er noch in Palästina lebte. Durch den Hl. Geist kann Jesus Christus noch viel tiefer in unser Leben eintreten, als wenn wir seine leiblichen Hörer und Augenzeugen gewesen wären.

Dazu kommt noch, dass der Hl. Geist zusätzlich in der hl. Eucharistie sogar die Gegenwart Christi in seiner verklärten Leiblichkeit mitten unter uns bewirkt. Der Hl. Geist wird ja in der Messfeier in der sogenannten Epiklese angerufen, er möge die Verwandlung des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut Christi bewirken, auf dass so die verklärte Leiblichkeit Christi mitten unter uns und durch das Opfermahl der hl. Kommunion in uns gegenwärtig wird.

Außer der Aufgabe des Hl. Geistes, des Beistandes, uns die Gegenwart Christi auf immer zu erhalten und diese Gegenwart in unser Innerstes eindringen zu lassen, ist es auch noch Aufgabe des Hl. Geistes, das von Christus begonnene Werk zu vollenden, wie es im vierten heilsgeschichtlichen Hochgebet der Messfeier so treffend zum Ausdruck gebracht wird. Hier lässt uns die Kirche unmittelbar vor der hl. Wandlung zu Gott Vater beten: „... um deinen Ratschluss (himmlischer Vater) zu erfüllen, hat Christus sich dem Tod überliefert, durch seine Auferstehung den Tod bezwungen und das Leben neu geschaffen. Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern Ihm, der für uns gestorben und auferstanden ist, hat Er von Dir, Vater, als erste Gabe für alle, die glauben, den Hl. Geist gesandt, der das Werk Deines Sohnes auf Erden weiterführt und alle Heiligung vollendet.“

Christus sagte bei Joh 14,16: „Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand (Parakleten) geben.“

Christus ist also der eine Beistand, Tröster und Helfer; der Hl. Geist ist der andere Beistand, Tröster und Helfer. Halten wir nochmals die Bedeutung dieser Tatsache fest: Der griechische Ausdruck für Beistand lautet „Paraklet“, wörtlich übersetzt: der Herbeigerufene. Ganz ähnlich ist das der Fall im Lateinischen: „Advocatus“ = der Herbeigerufene; unser deutsches Fremdwort: Advokat, der herbeigerufen wird, um jemand vor Gericht zu verteidigen. Das hat Christus getan: Er war dem zürnenden Vater gegenüber unser Rechtsbeistand und Verteidiger, als er stellvertretend für unsere Sünden in seinem Tod am Kreuz unendlich kostbare Sühne leistete. Christus ist der menschlichen Not zu Hilfe gekommen; Er hat uns geholfen, indem Er beim Vater für uns eintrat; seine Fürbitte für uns beim Vater hat Er mit seinem Tod am Kreuz bezahlt. Christus blieb auch nach seiner Heimkehr zum Vater unser Fürsprecher, Schützer und Verteidiger. Er hat uns aber einen anderen Helfer und Verteidiger versprochen und gesandt, den Hl. Geist, der den Jüngern Jesu in der nachösterlichen Zeit und in allen folgenden Zeiten in ihrer Not zu Hilfe kommt, um sie zu beschützen und gegen die Angriffe des bösen Feindes zu verteidigen und vor allem Irrtum zu bewahren und in alle Wahrheit einzuführen: „Der Hl. Geist, der Beistand, der Paraklet, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was Ich euch gesagt habe!“ (Joh 14,26) „Noch vieles hätte Ich euch zu sagen, doch ihr könnt es jetzt noch nicht ertragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in alle Wahrheit einführen.“ (Joh 16,12f.)

Christus hat das alles Wirklichkeit werden lassen. Jetzt kommt es nur darauf an, dass wir uns wirklich vom Hl. Geist führen, erleuchten und leiten lassen. Bitten wir ihn immer wieder, rufen wir ihn an, den Hl. Geist, den Beistand. „Veni, sancte Spiritus!“ Amen.