4.Sonntag in der Osterzeit

gehalten im Hohen Dom zu Salzburg am 10. Mai 1981

 

Seit Jahrhunderten heißt dieser 4. Sonntag in der Osterzeit Gut-Hirten-Sonntag, und zwar wegen des Evangeliums, das an diesem Sonntag verlesen wird. Sinnvoller Weise ist vor nicht ganz zwei Jahrzehnten dieser Sonntag zum Weltgebetstag um geistliche Berufe, um Priester- und Ordensberufe vom Stellvertreter des Guten Hirten, vom Papst, dem obersten Hirten der Kirche, gemacht worden.

Das Gleichnis vom Guten Hirten ist da so vielsagend. Und wenn man – wie ich vor wenigen Wochen - das Glück gehabt hat, mit 50 Pilgern eine erlebnisreiche Heilig-Land-Pilgerfahrt zu machen, kann man aus eigenster Erfahrung bestätigen, dass das Bild des Hirten, der seine Schafe auf gute Weide führt, immer noch in Palästina ungemein aktuell ist. Unwillkürlich sieht man dann im Bild vom Guten Hirten das schönste Bild für Jesus Christus, der ja ausdrücklich erklärt hat: "Ich bin der Gute Hirte. Der gute Hirt gibt sein Leben für die Schafe.“ "Niemand nimmt Mir das Leben, sondern Ich gebe es freiwillig hin. Ich habe die Vollmacht, es hinzugeben, und ich habe die Vollmacht, es wieder an mich zu nehmen." Er hat sein Leben freiwillig hingegeben im Opfertod am Kreuz. Er hat es wieder an sich genommen in seiner glorreichen Auferstehung.

Als Jesus das Gut-Hirten-Gleichnis erstmals erzählte, da mögen die großen Hirtengestalten der Heilsgeschichte, die ihn ja alle vorbildeten, vor Ihm gestanden sein: Abel, der Hirte in der ersten Menschenfamilie, der unschuldig sein Leben opfern musste; dann die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, deren Lebensschicksal jeweils ganz eng mit dem Hirtenleben verflochten war. Weiter Moses, der als Hirte in einsamer Wüste von Gott zum Führer und Hirten des Volkes Israel bestellt wurde. Schließlich David, der von der Herde seines Vaters Jesse weg zum Hirten und König über Israel berufen und gesalbt wurde. Über all diesen Hirtengestalten stand aber Gott, von dem die Propheten verkündeten, dass Er wie ein Hirte seine Herde weide.

So jubelte dann in Dankbarkeit der Psalmist in Ps 22: "Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir mangeln. Auf grünen Gefilden lässt Er mich lagern. An den Wassern der Rastplätze lässt Er mich ruhen. Er labt meine Seele und geleitet mich auf rechtem Pfad. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil. Der Herr ist ja mit mir. Sein Stock und sein Stab, die sind's, die mich trösten!"

Dass aber Gott selbst, dieser beste Hirte der Menschen, kommen würde, ist in der Fülle der Zeit die einzigartig trostvolle Frohbotschaft im Neuen Testament; Es berichtet uns in den Evangelien vom Guten Hirten Jesus Christus, wie er "von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf wanderte, überall seine Stimme erhob und das Evangelium vom Reich Gottes predigte, dessen Inhalt Er selbst gewissermaßen in den Worten zusammengefasst hat: "Ich bin gekommen, damit meine Schafe das Leben haben und es in Fülle haben."

Als er dann diese Welt verließ, war es sein Wille, dass sein Wort und sein Evangelium immer bei uns bleiben sollten: "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen!" (Mt 24,35) Es war sein Wille, dass seine Stimme immer wieder von seinen Schafen gehört werde. Darum sein Auftrag an seine Apostel und ihre Nachfolger, die Bischöfe und Priester: "Geht hinaus in alle Welt und verkündet der gesamten Schöpfung das Evangelium."(MK 16,15)

Die gesamte Kirche, das ganze Volk Gottes bildet die Herde Christi, des Guten Hirten. Alle Schafe des Guten Hirten müssen seine Stimme hören. Es muss aber immer wieder auch solche in der Kirche geben, die die Stimme des Guten Hirten vernehmbar und hörbar machen und die gewissermaßen dem Guten Hirten ihren Mund leihen. Es muss solche geben, die in der Nachfolge des Guten Hirten dessen Stimme zuerst selber aufmerksam hören und sie dann hören lassen: es muss solche geben, die das Wort des Guten Hirten aufnehmen und dann weitergeben. Da denken wir jetzt daran, dass es in der Kirche, in der Herde des Guten Hirten die verschiedenen Aufgaben und Dienstleistungen gibt in der Verschiedenheit der Berufungen. Da steht das Wort des hl. Paulus im 1 Kor 12,4-7 vor uns: "Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur einen Gott: er wirkt alles in allem: Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt."

Unter diesen vielfältigen Berufungen zeichnet sich vor allem ganz unverkennbar die Sendung des Priesters aus, weil sie in die lebensvolle Mitte der wunderbaren und bleibenden Aufgabe der Evangelisierung eingefügt ist.

Kraft des Weihesakramentes sind die Priester in der Nachfolge des Guten Hirten geweiht und gesandt zur Verkündigung der Frohbotschaft. Die Priester haben Anteil am Amt des Guten Hirten Jesus Christus, sie sind es vor allem, die die Stimme des Guten Hirten hörbar machen müssen, ja die in der Eucharistiefeier des Messopfers den Guten Hirten selber gegenwärtig setzen inmitten der Gemeinde und die in der Sakramentenspendung die durch den Guten Hirten im Kreuzesopfer verdienten Gnaden vermitteln.

Als sorgsame Mitarbeiter der Bischöfe, der Oberhirten, sollen die Priester ihre Glaubensbrüder und Glaubensschwestern heiligen und sie im Glauben leiten und führen, nachdem sie allen im Volk Gottes, den Großen wie den Kleinen, in Predigt und Katechese den Glauben verkündet haben in der rechten unverfälschten und unverkürzten Weise.

Der heutige Gut-Hirten-Sonntag wird seit 30 Jahren in der gesamten Kirche als Weltgebetstag um geistliche Beruft um Priester- und Ordensberufe begangen. Es sollte an diesem Sonntag das Verständnis für Sinn und Wert und Bedeutung des Priester- und Ordensberufes geweckt und um solche Berufungen gebetet und geopfert werden.

Gerade in einer Zeit, wo in unserem Land der Priestermangel und das Fehlen von Ordensschwestern immer spürbarer werden, kommt diesem Weltgebetstag für geistliche Berufe eine ganz große Bedeutung zu. Wie schön wäre es, wenn heute unter den Firmlingen eurer Pfarrgemeinde, die schon seit Jahren keinen ständigen Pfarrer mehr hat, sondern nur noch so nebenbei seelsorglich betreut wird, dem einen oder anderen jungen Christen durch den Hl. Geist die Gnade der Berufung zum Priester- oder Ordensberuf erbetet werden könnte!