Zeugen der Auferstehung

gehalten in St. M. Loreto am 30.4.1997

 

Der Ausgangspunkt der Betrachtung über das österliche Festgeheimnis beginnt heute bei einer auffallenden Tatsache in der künstlerischen Gestaltung des Salzburger Domes: Er entstand in seiner gegenwärtigen Gestalt im ersten Viertel des 17. Jahrhundcrts, in einer Zeit, in der die Heiligenverehrung ganz groß geschrieben wurde. Der Salzburger Dom ist nun nicht bloß einem, sondern gleich zwei Heiligen geweiht, nämlich den beiden großen Salzburger Bischöfen und Diözesanpatronen Rupertus und Virgilius. Nun möchte man nach dem Brauch der damaligen Zeit erwarten, dass diese beiden Heiligen groß und eindrucksvoll am Hochaltarbild dargestellt wären. Aber nein, sie sind nur in relativ kleinen Steinfiguren am First des wuchtigen Renaissance-Altares abgebildet. Das Hochaltarbild selbst aber zeigt im Stil der damaligen Zeit, aber doch sehr eindrucksvoll, die Auferstehung Jesu. Dieses gewaltige historische Heilsereignis mit dem, was ihm vorausging im Sühne- und Erlösungstod Jesu am Kreuze, in seiner Grablegung und in seinem Abstieg in das Reich des Todes bildet nicht bloß die Mitte der Aussagen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, sondern auch die Mitte jener wirklichkeitserfüllten "Erinnerung" (Memoria), die in jedem hl. Messopfer begangen wird. Wir feiern das Österliche Geheimnis, von dem wir bei jeder Messfeier nach erfolgter Gegenwärtigsetzung des gekreuzigten und auferstandenen Gottmenschen zu Ihm sprechen: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit!" Ja, so lange, bis zur Wiederkunft des Herrn am Ende der Zeiten, verkündet die Kirche dieses österliche Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu, sie glaubt nicht nur daran, sie lebt aus diesem Geheimnis und bekennt es und bezeugt es in Wort und Tat, wie es die Apostel getan hatten, die darin ihre wichtigste Aufgabe sahen, "Zeugen seiner Auferstehung" (Apg 1,22) zu sein. Dieser Aufgabe verpflichtet wussten sich alle Nachfolger der Apostel, die Bischöfe, auch jene, denen der Salzburger Dom geweiht ist: Rupertus und Virgilius, und alle ihre Nachfolger bis zum gegenwärtigen in der langen Salzburger Bischofsreihe.

Gerade in unserer Zeit ist allen Bischöfen und mit ihnen zusammen allen Priestern und gläubigen Laien ganz besonders aufgetragen, in Wort und Tat den Glauben an die Auferstehung Jesu und die darin wurzelnde Hoffnung auf die eigene Auferstehung zu bezeugen. Denn heute versucht man vielfach, die Wahrheit von der Auferstehung Jesu zu einem bloßen Mythos zu erklären und darum einer radikalen Entmythologisierung oder Uminterpretierung zu unterziehen. Den lächerlichen Hypothesen, die einst aufgestellt wurden, um die Wahrheit von der Auferstehung Jesu zu widerlegen, der Scheintod-Hypothese, der Leichenraub-Hypothese, der Betrugshypothese, der Halluzinationshypothese und wie sie alle heißen mögen, hat man den Abschied gegeben, nun aber deutet man die Wahrheit von der Auferstehung um zu einem bloßen Symbol und Bildbegriff, nach welchem nur ausgesagt würde, dass das, was Jesus durch seine Predigten ausgelöst hatte, die Bewegung, die durch sein Evangelium entstanden war, die sogenannte "Sache Jesu" nach seinem endgültigen Tod weiterging und weitergeht. Nein, dafür allein waren die Apostel im Leben und Sterben nicht Zeugen, sie nahmen vielmehr wortwörtlich ernst, was Jesus ihnen in seinen Leidensweissagungen vorausgesagt, sie aber damals in der letzten Konsequenz noch nicht wahrhaben wollten: sein Leiden und Sterben und Auferstehen. So real wie sein Leiden und Sterben erlebten sie auch am leeren Grab und an seinem geheimnisvollen Weilen unter ihnen seine Auferstehung: "Seht doch meine Hände, meine Füße! Ich bin es! Tastet und seht! Ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr an Mir findet!"(Lk 24,37f).Gewiss ist der Gekreuzigte durch seine Auferstehung nicht in seine irdische Existenzweise zurückgekehrt, aber er lebt leibhaftig in voller, endzeitlicher Wirklichkeit. Die Apostel waren davon überzeugt. Sie standen in ihrem weiteren Leben nicht nur zur Sache Jesu, sie standen zu Ihm, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, sie standen für Ihn gerade auch vor Gerichtshöfen, vor Fürsten und Königen. Sie ließen sich durch keine Drohung und keine Folter einschüchtern; sie gingen lieber für Ihn in den Tod, in den Blutzeugentod und sagten dabei: Alles könnt ihr von uns verlangen, nur das nicht, dass wir leugnen und verleugnen, was wir erlebt, gesehen und gehört haben: Jesus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!

Mit der Auferstehung Jesu ist schon die letzte Zeit angebrochen, das endzeitliche, eschatologische Heil ist schon am Werk, und jeder, der sich für Jesus Christus entscheidet, gehört schon zur Neuen Schöpfung in endzeitlicher Vollendung.

Die Heilsgeschichte ist immer noch trotz der in Jesus Christus erfüllten Verheißungen Gottes Erwartung der vollen Verwirklichung der in der Auferstehung Jesu enthaltenen Verheißung der Auferstehung der Toten.

In diesem Sinn hat das II. Vatikanische Konzil in der so hoffnungsfrohen und dabei so zeitnahen Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" am Ende des Artikels 10 erklärt: "Die Kirche glaubt: Christus, der für alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann; es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem sie gerettet werden sollen. Die Kirche glaubt ferner, dass in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist. Die Kirche bekennt überdies, dass allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit!"

Und weil die Kirche an Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, glaubt, darum glaubt sie auch, dass mit dem Tod des einzelnen Menschen nicht alles aus ist, sondern dass durch den Erlösertod Christi der Tod besiegt und durch die Auferstehung Christi unsere Auferstehung grundgelegt worden ist.

Auch das hat das II. Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution (Artikel 18) unübertrefflich zum Ausdruck gebracht in den folgenden Sätzen: "Während vor dem Tod alle Träume nichtig werden, bekennt die Kirche, belehrt von der Offenbarung Gottes, dass der Mensch von Gott zu einem seligen Ziel jenseits des irdischen Elends geschaffen ist. Der christliche Glaube lehrt uns, dass der leibliche Tod, dem der Mensch, hätte er nicht gesündigt, entzogen gewesen wäre, besiegt wird, wenn dem Menschen sein Heil, das durch seine Schuld verlorenging, vom allmächtigen und barmherzigen Erlöser wiedergeschenkt wird. Gott rief und ruft nämlich den Menschen, dass er Ihm in der ewigen Gemeinschaft unzerstörbaren Lebens mit seinem ganzen Wesen anhange. Diesen Sieg hat Christus, da er den Menschen durch Seinen Tod vom Tod befreite, in Seiner Auferstehung zum Leben errungen."

Ja, liebe Freunde, unsere Aufgabe ist die gleiche wie die der Apostel und Apostelnachfolger und der ganzen Kirche: Glauben und vertrauensvoll hoffen und Zeugnis ablegen und immer wieder für Ihn, für Jesus, seinen Sühnetod und seine glorreiche Auferstehung einstehen, weil es dabei nicht um Märchen und Mythos, sondern um die tröstlichste und beglückendste Heilswahrheit und Wirklichkeit geht! "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit!" Sagen wir es nicht bloß, glauben wir auch daran und bezeugen wir es durch unser Leben, durch unser Bekenntnis, durch unser Beispiel, durch unsere Taten der Liebe in Seinem Geist, nach Seinem Beispiel, und durch unsere Hoffnung, die in der Auferstehung Christi ihren Angelpunkt hat.