Das Altarssakrament Magie oder Medizin?

 

Der protestantische Theologe H. Thielicke, der sich viel mit dem Verhältnis von Theologie und Medizin zueinander befasst hat, schreibt einmal: "Wenn es darum geht, dem Leidenden zu helfen, reicht die Droge, das Narkotikum nicht aus. Erst die verstehende Zuneigung des Arztes (im Sinn des frei interpretierten griechischen Wortes "Kliniker" = der sich dem Kranken auf seinem Lager "Zuneigende") kann wahrhaft helfen und heilen." Ohne viele Worte wendet dieser protestantische Theologe dies dann auf Christus an, den Arzt unserer Seelen, der sich in ergreifendster Weise dem seelisch kranken Menschen, dem Sünder, zugeneigt hat; am schönsten tat Er dies im Altarssakrament, wo Er sich selbst zu unserer Medizin machte. Da erzählt dann H. Thielicke von einem Besuch im berühmten Hotel Dieu in Beaune im französischen Burgund. In jenem Spital gilt es nicht nur die großartige Architektur und das berühmte "Jüngste Gericht" des Rogier van der Weyden zu bewundern, sondern vor allem auch den Krankensaal, der so angelegt ist, dass alle Patienten den Blick auf den Altar hatten und so von ihren Betten aus an der hl. Messe teilnehmen konnten, die täglich dort gefeiert und als wesentlicher Teil der Therapie verstanden wurde: "Leiden im Blick auf den leidenden, sich opfernden Christus, Eucharistie als Medizin, Heilung durch Heiligung" im Empfang der hl. Kommunion. So schreibt der protestantische Theologe. Wie tief hat er erfasst, worum es beim Altarssakrament geht: Brot und Wein sind hier nicht etwa nur Nahrungs- und Genussmittel, aber auch nicht magisches Zaubermittel, sondern wunderbare Medizin auf Grund mehrfacher Wandlung und Verwandlung, die an ihnen und durch sie geschieht:

Die erste Wandlung und Verwandlung, liegt schon vor dem Werden von Brot und Wein; sie erfolgte schmerzlich unter dem Gesetz von Mühle und Kelter: Das Weizenkorn musste zuerst in der dunklen Scholle sterben, damit es vielfältige Frucht brachte; dann wurde es zu blankem Mehl gemahlen; zuletzt im Feuer zu duftendem Brot gebacken; nun war es für das Essen und für die Assimilierung an Fleisch und Blut des Menschen bestimmt. Ähnlich ging am Wein im Kelch der Eucharistiefeier vorher schon eine Verwandlung vor sich: in der Kelter wurde die Traube zerpreßt, damit der Gärungsprozeß einsetzen konnte, der lange dauerte, bis dann der froh stimmen Trank des Weines fließen konnte.

Die zweite, wahrhaft, heilige Wandlung und Verwandlung machen Brot und Wein durch, bevor sie im Opfermahl der Eucharistiefeier gegessen und getrunken werden. Im Auftrag Jesu und in seiner Vollmacht verwandelt der Priester Brot in Christi Leib, Wein in Christi Blut; sie machen dabei nicht nur einen Bedeutungswandel (Transsignifikation) und eine Zweckveränderung (Transfinalisation) durch, da sie aufhören, gewöhnliche Nahrungs- und Genussmittel zu sein; sie machen auch eine Wesensverwandlung (Transsubstantiation) durch, da ihr natürliches Wesen aufhört. Christus ist nun unter den verbleibenden Gestalten von Brot und Wein mit seinem Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit ganz und wahrhaft gegenwärtig. Geheimnis des Glaubens ist das, der hier mit dem hl. Thomas v. Aquin spricht: "Was Gott Sohn gesprochen, glaube ich allein, denn Er spricht die Wahrheit, nichts kann wahrer sein!" Nun meinen vielleicht manche, es sei an Brot und Wein schon genug der Wandlung und Verwandlung geschehen. Aber nein!

Nun folgt noch die dritte Wandlung und Verwandlung: Christus sprach: "Nehmet hin und esset! Nehmet hin und trinket!" Wir sollen Ihn selbst in den Gestalten von Brot und Wein als kostbare, heilkräftige Medizin und Seelennahrung in uns aufnehmen, auf dass nun an uns die Wandlung und Verwandlung einsetze: Unsere Verwandlung in Christus! Erst wenn sie vollendet ist, sind wir ganz gesund und heil und im Heil. Wir werden in der hl. Kommunion in Christus einverleibt, damit nun sein Leben, sein Geist, seine Gesinnung der Liebe und opferbereiten Hingabe an Gott und die Mitmenschen in uns zur Auswirkung komme und uns ganz christusförmig mache. Zu dieser Verwandlung müssen wir bereit sein unter dem Gesetz von Mühle und Kelter wie Brot und Wein und Er, der unter ihren Gestalten gegenwärtig ist und unsre Speise und unser Trank wurde. Der alte, egoistische, sündhafte Mensch muss absterben, der neue muss erstehen, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit nach dem Vorbild des durch den Kreuzestod hindurchgeschrittenen Herrn. Dann ist das Altarssakrament nicht magisches Zaubermittel, sondern heilkräftige Medizin zu unsrer Heilung und Heiligung.