Fest der hl. Familie

 

gehalten in St. M. Loreto am 1.1.1978

 

Christus hat die Familie und das Familienleben geheiligt. Sein verborgenes Leben in Nazareth ist gleichsam zum Erlösungsprogramm der Familie geworden. Heute ist das Familienleben so vielfach zersetzt, weil der Geist Christi, der Geist der hl. Familie von Nazareth aus vielen Familien gewichen ist. Wie die Erlösung der Welt vor 1978 Jahren in einer Familie begonnen hat, so müsste man auch heute wieder das Erlösungswerk an der ganzen Welt mit der Wiederverchristlichung der Familien und der Neuevangelisierung beginnen. Aber wie? Etwa mit den vielen Familienberatungsstellen? In diesen zeigt sich nur, wie es heute oft in unseren Familien, auch in sogenannten christlichen Familien aussieht.

Die Familie! Was soll sie nach Gottes Plan sein? Eine von Gott gesegnete Gemeinschaft der Eheleute mit ihren Kindern: Lebensgemeinschaft, Liebesgemeinschaft, Erziehungsgemeinschaft, daneben auch selbstverständlich Wohngemeinschaft und Mahlgemeinschaft. Alles aber in gegenseitigem Zusammenstehen und Helfen, in Über- und Unterordnung aus gegenseitiger Liebe, Hilfsbereitschaft und Dienstbereitschaft. Das aus dem Lateinischen stammende Wort „Familie“ kommt vom lateinischen Zeitwort famulari = dienen, einander in opferbereiter Liebe dienen.

Wer eine christliche Familie richtig erlebt hat, dem wird es in der Rückerinnerung immer wieder warm ums Herz schon beim Klang des Wortes Familie. Was drückt dann doch dieses Wort alles aus! Geborgenheit, Wärme, Heimat. Heute aber ist die Familie vielfach wie ein Baum, der in seiner Wurzel krank oder ganz zerstört ist. Da weiß dann der Baum nicht mehr, woher er die nötigen Lebenssäfte holen soll.

Die großen Gefahren, die heute der Familie drohen: Ehescheidung, Kinderfeindlichkeit, Vergnügungssucht, Wohlstandsverwahrlosung, moderne materialistische Lebensauffassung; auch äußere Dinge spielen heute leider oft schmerzlich mit: Wohnungsmangel oder zumindest Fehlen einer familiengerechten Wohnung mit dem nötigen Lebensraum für eine größere Kinderschar. Mangelnde Zufriedenheit und Genügsamkeit, fehlendes Miteinander und Füreinander. Die Familie ist heute vielfach nur mehr eine Ges.m.b.H., Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Man kennt vielfach nur noch das moderne Wort von der Ko-existenz, das sich tolerierende Nebeneinander, wobei sich die Eltern kaum mehr um die Kinder, die Kinder kaum mehr um die Eltern kümmern und alle ihre eigenen Wege gehen …

Und doch meine ich, man müsste wieder Hoffnung schöpfen, wo man sieht, dass man sich wenigstens wieder redlich bemüht, ein Familienleben zu führen in christlichen Geist und in der Nachahmung der hl. Familie von Nazareth.

 

Was es dazu vor allem bräuchte?

 

  1. Gemeinsames Familiengebet, wenigstens einmal am Tag, entweder morgens oder abends oder mittags. Man hat ja mit Recht gesagt: eine Familie, die noch zusammen betet, hält auch zusammen. Wie mag es diesbezüglich in der Hütte von Nazareth bestellt gewesen sein? Das gemeinsame Gebet der hl. Familie …
  2. Gemeinsam gefeierte religiöse Feste und Familienfeste: Der Hochzeitstag der Eltern, der Namenstag oder Geburtstag von Vater und Mutter und der einzelnen Kinder. Wie verbinden solche Feste. Man denkt später noch dankbar daran zurück. Und an solchen Hochfesten wie Weihnachten, Ostern usw. etwa auch gemeinsame Familienkommunion. Wie viel Segen müsste davon ausgehen! Wie war es diesbezüglich wieder in der hl. Familie? Der gemeinsame Synagogengang am Sabbat, die gemeinsame Wallfahrt nach Jerusalem Jahr für Jahr…
  3. Und dann gemeinsames Arbeiten, Opfern und Verzichten miteinander und füreinander und Rücksichtnehmen aufeinander, und das alles in der guten Meinung: alles zur größeren Ehre Gottes und aus Liebe zu Gott…
  4. Auch das gemeinsame Teilen von Freud und Leid… Zusammenstehen und Zusammenhalten: Wie war es da in der hl. Familie? Alles gemeinsam: die gemeinsame Herbergssuche, die gemeinsame Flucht nach Ägypten vor dem Feind! Das gemeinsame Suchen nach dem verlorengegangenen Kind! Das gemeinsame Ertragen des bitteren Leids, als das Haupt der Familie, der hl. Joseph, durch den Tod entrissen wurde: Gläubig, im Licht der Ewigkeit wurde alles erlebt und ertragen und den Trost holte man sich aus dem Wort Gottes, der hl. Schrift, im religiösen Gespräch über den Sinn des kurzen Erdenlebens, über den Sinn von Kreuz und Leid…

 

Aus allem Miteinander und Füreinander in der hl. Familie, wobei immer Gott, der himmlische Vater der geheime Mittelpunkt war, formte sich wohl immer mehr jenes Gebet, das Jesus dann seinen Jüngern und uns allen als das große, inhaltsreiche Familiengebet beigebracht hat: Das Vaterunser!

Es gibt nur ein Vaterunser dem Wortlaut nach. Aber die Vaterunser-Bitten bekommen jeweils ein ganz anderes Gesicht und Gewicht, je nachdem, wer sie betet. Beten wir das Vaterunser einmal meditativ-betrachtend mit den Augen der Eltern und Kinder in einer von Christi Geist erfüllten Familie. Wir kommen dabei biblisch vielleicht sogar dem Ursprung des Vaterunsers, so wie es wohl im Schoß der hl. Familie von Nazareth entstanden ist, nahe:

 

Vater unser im Himmel… Die drei hl. Personen in jener Arbeiterfamilie von Nazareth wussten zu gut: Gott Vater ist unser eigentlicher Vater, von dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden kommt. Er ist der Vater und Urheber allen Lebens. Von ihm haben die Menschen auch die Kraft und den Auftrag bekommen, das eigene Leben im Schoß einer Familie weiterzugeben von Geschlecht zu Geschlecht. Wahrlich, viel hat der Vater im Himmel den Eltern in einer Familie anvertraut! Wie furchtbar ist es doch, wenn sich Eheleute verfehlen durch Ehemißbrauch oder sogar durch Ermordung des keimenden Lebens! Heute, da das Fest der hl. Familie mit dem Fest der ermordeten unschuldigen Kinder kalendermäßig zusammenfällt, wollen wir ganz besonders daran denken!

 

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name!

Diese erste Vaterunser-Bitte stand für die drei heiligen Personen in der hl. Familie ganz und gar an erster Stelle bei allem Sinnen und Trachten, Beten und Arbeiten: die Verherrlichung Gottes, des himmlischen Vaters! Auch in der christlichen Ehe und Familie wäre dies die aller erste Pflicht! Christliche Eltern, christliche Familieväter und Familienmütter, dürfen sich doch um Gottes willen nicht schämen, miteinander und füreinander, mit den Kindern und vor den Kindern und für die Kinder zu beten und Gott zu loben und zu preisen. Sie dürften sich auch des Kreuzes in ihrer Wohnung nicht schämen. Es ist immer Erinnerungszeichen an unsere erste und wichtigste Aufgabe: Verherrlichung Gottes auch in Kreuz und Leid, und nicht bloß in frohen und glücklichen Stunden!

 

Vater unser im Himmel, zu uns komme dein Reich!

Das Reich der Liebe und der Güte, das Reich der Wahrheit und Gerechtigkeit, das Reich der Freude und des Friedens! Wie nötig haben wir das doch alles. Denn wo das alles fehlt, verhilft größter Reichtum und Wohlstand nicht zu wahrem Glück. Wenn aber auch nur ein Schimmer von diesem Reich der Wahrheit und Gerechtigkeit, der Liebe und Güte, der Freude und Zufriedenheit, wie es in der hl. Familie von Nazareth aufgerichtet war, in einer christlichen Familie aufleuchtet, wäre schon alles ganz anders, viel schöner und froher… Das alles aber wird uns geschenkt, wir müssen darum beten und müssen uns darum bemühen…

 

Vater unser im Himmel, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden!

Das war doch allzeit die Richtschnur des Handelns in der hl. Familie! Immer hat man sich dort gefragt: Was ist nur hier und jetzt der Wille Gottes, des Vaters im Himmel? Was ist der Wille Gottes für die christlichen Eheleute, für die christlichen Eltern und für die Kinder in der Gemeinschaft der Familie? Die Eheleute, die Eltern  haben sich „vor Gottes Angesicht“ Liebe und Treue versprochen. Das ist Gottes Wille. Heißt es doch: „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen!“ „Wie wollen niemals auseinandergehen…“ So hieß es in einem Lied, das vor ein paar Jahrhunderten gern gesungen wurde. Ein guter Text, der heute vielen altmodisch und überholt vorkommt. Und doch ist es der Wille Gottes für die christlichen Eheleute und für die ganze christliche Familie. Gottes Wille ist, dass in der Ehe und nicht außerhalb der Ehe das Leben weitergegeben wird und die Kinder dann christlich erzogen werden. Gott will, dass dann durch das gemeinsame Familienleben echtes Glück für Zeit und Ewigkeit den Menschen zuteil wird.

 

Vater unser im Himmel, gib uns heute unser täglich Brot!

Auch dies Bitte kam über die hl. Drei Personen in der hl. Familie! Es war damals viel schwerer als heute, für den täglichen Unterhalt einer Familie aufzukommen. Freilich war man auch viel genügsamer und viel zufriedener. Das, was Karl. H. Waggerl, der Salzburger Dichter, in dem schönen Buch über seine Kindheit in seiner Familie „die fröhliche Armut“ genannt hat, das herrschte wohl in der hl. Familie ganz besonders. Vielfach denken die Menschen heute nicht mehr daran, dass alles, was wir täglich brauchen und was wir täglich, oft ziemlich reichhaltig auf dem Tisch haben, von Gott kommt und dass wir ihn darum bitten und ihm dafür danken sollen, auch wenn wir uns das alles selber erarbeitet und verdient haben. Schließlich steckt in der Brotbitte auch die Bitte darin, dass wir täglich wieder gesund aufstehen und an die Arbeit gehen können, um das tägliche Brot zu verdienen…

 

Vater unser im Himmel, vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!

Diese Bitte im Vaterunser wird man in der hl. Familie nicht gebetet haben, weil da niemand sündigte und niemand den anderen kränkte, beleidigte und ihm wehtat und dann Grund gehabt hätte, ihn um Vergebung zu bitten … Oder wurde diese Bitte doch auch in der hl. Familie gebetet, nicht für die eigene Familie, sondern für die Nachbarfamilien in der Stadt Nazareth, in denen man Zank und Streit, Lieblosigkeit und Gehässigkeit beobachten konnte… Und hat die hl. Familie diese Bitte um Vergebung der Schuld schon für die Familien von heute an den himmlischen Vater gerichtet? Wie hat doch in den heutigen Ehen und Familien diese fünfte Vaterunser-Bitte so tiefen Sinn! Wir sind alle Menschen und können uns aneinander immer wieder versündigen, könne uns oft ungewollt oder gar gewollt wehtun. Es gibt so viel zu vergeben… Verzeihen wir doch immer wieder. So wie Gott uns immer wieder alle bereute Schuld verzeiht und vergibt. Das hl. Jahr, das ein Jahr der Versöhnung sein sollte, zu Ende ging, sagte Papst Paul VI. beim Schließen der Porta Sancta: „Die Versöhnungsbereitschaft darf nicht zu Ende gehen, sie muss bleiben!“ Wie oft sollen wir einander verzeihen? Etwa siebenmal? Siebenmal siebzigmal! Die Sonne sollte nie untergehen über einer zerstrittenen Familie, ohne dass man sich wieder versöhnt hat…

 

Vater unser im Himmel, führe uns nicht in Versuchung!

Wie viele Versuchungen zum lieblos-sein kommen doch jeden Tag auf uns zu in der Familie, in der Gemeinschaft! Wir können da so oft und so leicht stolpern. Es brauchen gar keine großen Versuchungen sein, die kleinen sind oft gefährlicher…

 

Vater unser im Himmel, erlöse uns von dem Bösen!

Von den großen und kleinen Übeln, die das Zusammenleben in der Familie unerträglich machen können. Das eigentliche Übel, das eigentliche Böse ist die Sünde. Daraus erwächst dann so vieles andere, das Unheil, Friedlosigkeit und Unglück heraufbeschwört. Davor möge der Herr unsere Familien behüten wie er die hl. Familie in Nazareth davor behütet hat.