4. Adventsonntag

Die jungfräuliche Mutter und ihr göttliches Kind

gehalten in St. M. Loreto am 24.12.1995

 

Zum Kind, dessen Geburt wir gläubig, froh und festlich zu Weihnachten wieder feiern wollen, gehört auch die Mutter, die es empfangen und geboren hat in der Armut des Stalls von Bethlehem. Beide gehören in die weihnachtliche Besinnung hinein und gehören bedacht in ihrer unsagbar hohen Würde und Größe, sonst feiert man nicht Weihnachten, sondern irgendein bürgerliches Fest mit einer netten Familienidylle.

Wie sehr man heute sogar im katholischen Raum darauf aus ist, Weihnachten zu verharmlosen, ja sogar zu entsakralisieren, das zeigt die Tatsache, dass man dem Kind von Bethlehem die Würde seiner Gottheit und seiner Mutter den Glanz ihrer unverletzten Jungfräulichkeit rauben will. Das tun heute nicht mehr bloß Glaubensfeinde, sondern modernistische Theologen, die in ihrem Rationalismus das Dogma der Gottheit Jesu Christi und das Dogma seiner jungfräulichen Empfängnis und Geburt aus Maria der Jungfrau aufzuweichen oder gar offen zu leugnen suchen und dies dann als letzte Erkenntnisse moderner Schrifterklärung (Exegese) anpreisen.

Wir aber wollen am Glaubenssatz, der seit dem Anfang des Christentums in den Glaubensbekenntnissen steht, unerschütterlich festhalten, weil nur das die volle Wahrheit ist: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater.. .und an seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus, empfangen vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau!“

„Großes hat an mir getan, der da mächtig und dessen Name heilig ist!“ So hat es Maria in ihrem “Magnificat“ aus übervollem Herzen herausgejubelt. Sie musste gleichsam die Allmacht und Heiligkeit des ewigen Gottes selber zu Zeugen anrufen für das Große, das Er in ihrer Seele gewirkt hatte, als Er sie unbefleckt und makellos, frei von der Erbschuld, im Glanz der Gnade der Gotteskindschaft entstehen ließ. Aber noch viel Größeres hat der ewige Gott an ihr getan, als sie von der Kraft des Allerhöchsten überschattet wurde und vom Hl. Geist empfing und Mutter des Sohnes Gottes wurde. Das ist Mariens ganze Größe, das ist Mariens höchste Würde: Ihre jungfräuliche Gottesmutterschaft! Alle anderen Gnadenvorzüge, die wir gläubig an ihr bewundern, sind nur Voraussetzungen für diese höchste Würde ihrer jungfräulichen Mutterschaft, in der sie ohne Zutun eines Mannes den Sohn Gottes empfing und gebar. Ihre unbefleckte Empfängnis, ihre Gnadenfülle, ihre Sündelosigkeit, ihr Tugendreichtum, alle diese Vorzüge Mariens sind gleichsam nur der goldene Rahmen für das herrliche Bild, das vor uns ersteht, wenn wir bekennen: Maria ist wahrhaft und wirklich jungfräuliche Gottesmutter. Größeres, Gewaltigeres lässt sich von Maria nicht aussagen als dies. Es ist darum nicht zu verwundern, dass gegen diesen höchsten Ehrentitel Mariens die Glaubensfeinde außerhalb und innerhalb der Kirche angestürmt sind, von dem Irrlehrer Nestorius im 5. Jahrhundert angefangen bis hin zu den rationalistischen, modernistischen Theologen in unseren Tagen.

Wir gläubigen Menschen aber bekennen mit der Kirche, die hier ihre Überzeugung niemals geändert hat: „Wir glauben an Gott, den allmächtigen Vater. Wir glauben an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn, der empfangen ist vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau!“ Und weil wir an die Menschwerdung Gottes und an die Gottheit Jesu Christi glauben, darum glauben wir auch, dass Maria wirklich im vollen Sinn der Ehrentitel „jungfräuliche Gottesgebärerin“ zusteht, wie er schon im ältesten außerbiblischen Gebet zu Maria (aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts) ausgesprochen wird: „Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin..“

Wir wissen uns in diesem Glauben in Übereinstimmung mit dem Glauben der Blutzeugen der Katakombenzeit, wir wissen uns darin im Einklang mit dem Konzil von Ephesus im Jahre 431, wir wissen uns darin im Einklang mit der gesamten Überlieferung herauf durch die Jahrhunderte bis hin zu den Erklärungen des II. Vatikanischen Konzils im 8.Kapitel der Dogmatischen Konstitution über die Kirche und bis hin zu den eindeutig klaren Sätzen des verstorbenen Papstes Paul VI. in seinem “Credo des Gottesvolkes“.

Wir wissen uns darin vor allem aber auch im Einklang mit der göttlichen Offenbarung in der Hl. Schrift, die in geschichtlicher Genauigkeit und Zuverlässigkeit und frei von Mythologie von der größten Stunde der Menschheitsgeschichte berichtet: „In den Tagen des Königs Herodes wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt Galiläas namens Nazareth zu einer Jungfrau...“

Da erklingt dann jene gewaltige Botschaft, die der Prophet Jesaja Jahrhunderte vorher vorausgesagt hatte: „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären...“. In Erfüllung dieser Prophezeiung sagt der Bote Gottes zur Jungfrau Maria: „Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden.. .und seine Königsherrschaft wird kein Ende haben!“ Maria, die makellose Jungfrau, fragte in ehrfurchtsvollem Staunen: „Wie soll dies geschehen, da ich keinen Mann (geschlechtlich) erkenne?“ Sie wollte mit ihrer Frage nicht Zweifel setzen in Gottes Wort, sie wusste sich nur schon gebunden an ihren Entschluss, ganz Gott zu gehören in immerwährender Jungfräulichkeit. Da gab nun der Bote Gottes Aufklärung und Antwort: „Der Hl. Geist wird über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das aus dir geboren werden soll, Sohn Gottes genannt!“ Der allmächtige Gott bot hier der Jungfrau Maria die Krone erhabenster Mutterwürde an mit der Versicherung, den Lilienkranz ihrer Jungfräulichkeit nicht zu zerstören. Und die Begründung: „Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich!“ Diese Begründung aber will der kleingläubige Mensch von heute nicht mehr wahrhaben. Selber schafft er heute Dinge, die noch vor wenigen Jahrzehnten einfach unmöglich schienen, und greift nach den Sternen und traut sich zu, das Unmöglichste möglich zu machen. Dieser übermütig gewordene Mensch aber streitet Gott die Allmacht ab. Und was menschliche Forscher in ihren Manipulationen vereinzelt sogar schon im Tierreich zustandegebracht haben (nämlich eine sogenannte „parthenogenetische“ Fortpflanzung), das hält man dort für pure Unmöglichkeit, wo doch die Hl. Schrift auf Grund eines einzigartigen wunderbaren Eingreifens Gotte klar davon berichtet. Wie hochmütig ist doch der Mensch von heute in seinem Rationalismus!

Maria war nicht von dieser Art, sie beugte sich in Demut vor dem undurchschaubaren Geheimnis des allmächtigen Gottes und sprach in heiliger Bereitschaft und in ganz tiefer Demut zugleich das größte Wort ihres Lebens: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn! Mir geschehe nach deinem Wort!“ Dieses Wort der Bereitschaft machte aus der demütigen Magd die erhabenste Mutter und besiegelte die geheimnisvolle Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen dem ewigen Gott und dem Menschengeschlecht. Nach diesem Jawort Mariens wurde es still in der Kammer der Jungfrau, so still wie es einst bei der hl. Wandlung in unseren Kirchen gewesen ist: „Geheimnis des Glaubens!“ Und wie wir nach der hl. Wandlung auf den Ruf des Priesters oder Diakons „Geheimnis des Glaubens!“ zu antworten pflegen: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir...“, so können wir beim Gedanken an das Glaubensgeheimnis von der jungfräulichen Empfängnis und Geburt des Sohnes Gottes aus Maria der Jungfrau antworten: „Deine Menschwerdung, o Herr, verkünden wir und Deine Geburt aus der Jungfrau preisen wir, bis  Du kommst in Herrlichkeit!“

Wenn wir dem unsagbar großen Geheimnis der Menschwerdung Gottes nachsinnen, wie es uns der Evangelist Lukas berichtet, so ahnen wir, welch unbeschreiblich hohe Würde in jenem Augenblick Maria zuteil wurde: Gott Sohn bot sich in unbegreiflicher Herablassung und Liebe dem Vater an, die sündige Menschheit zu erlösen. Er wollte dabei auf alle Herrlichkeit seines göttlichen Wesens und Lebens verzichten und uns Menschen in allem gleich werden, alles mit uns teilend: Armut und Not, Obdachlosigkeit und Heimatlosigkeit, Hunger und Durst, Sorge und Leid. Nur eins wollte Er sich dem himmlischen Vater gegenüber ausbedingen: eine ganz reine, makellose, jungfräuliche Mutter, die Ihm die denkbar innigste, reinste Liebe schenken sollte.

Als dann die Fülle der Zeit nach dem langen Völkeradvent dunkelsten Heidentums und tiefster Sündennot anbrach, da vollzog sich unter dem unbefleckten Herzen Mariens das große Geheimnis: Die zweite göttliche Person, der Sohn Gottes nahm im Geheimnis der hypostatischen Union die Menschennatur an, er wurde Mensch, um für uns leiden und sterben zu können: „Empfangen vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau!“

So begann die menschgewordene ewige Liebe - „Gott ist die Liebe!“ - ihren Herzschlag auf dieser Welt am Herzen der Jungfrau-Mutter Maria, der einzigen Mutter unter allen Jungfrauen, der einzigen Jungfrau unter allen Müttern.

Und der erste Blick des gottmenschlichen Kindes in der Krippe fiel auf diese reinste Mutter. Und die erste Liebe, die der Gottmensch sich schenken ließ, war edelste Mutterliebe. Und das erste Wort, das über seine kindlichen Lippen kam, war sicher in irgendeiner Form das Wort „Mutter“ Und seine heiligen, ehrwürdigen Hände, die sich einmal ausbreiten sollten, um alle Menschen an sich zu ziehen, streckten sich beim ersten Mal zart und klein der jungfräulichen Mutter entgegen. Am Mutterherzen Mariens ward Er dann in den Tempel getragen, um zum ersten Mal „Hostia immaculata“ (makellose Opfergabe) zu sein in den Händen der „Virgo Immaculata“ (der makellosen Jungfrau). Am Mutterherzen geborgen floh Er dann vor den Nachstellungen des Königs Herodes nach Ägypten. Den größten Teil seines Erdenlebens verbrachte der Gottmensch dann in der Verborgenheit von Nazareth in der Nähe seiner jungfräulichen Mutter. Das letzte Pochen seines zermarterten Herzens am Kreuze galt dann noch seiner jungfräulichen Mutter, die Er uns Menschen als kostbarstes Vermächtnis hinterließ.

Wahrlich, Jesus und Maria, diese zwei gehören nach dem Plane Gottes untrennbar zusammen. Auch in unserem Glauben, in unserer Liebe und Verehrung! „Nimm das Kind und seine Mutter!“ So lautete der Auftrag des Engels an den hl. Joseph! Dieser Auftrag gilt auch uns. Die beiden lassen sich nicht auseinanderdividieren, auch und erst recht nicht zu Weihnachten! Darum wollen wir es  in einem echten Ökumenismus  in diesem Punkt mit dem Reformator Martin Luther halten, der in seinem Weihnachtslied seine Anhänger ganz katholisch zu singen lehrte: „Gelobet seist Du, Jesu Christ, dass Du Mensch geboren bist/ von einer Jungfrau, das ist wahr,/ des freuet sich der Engel Schar. Kyrieleis! Den aller Welt Kreis nie beschloss, der lieget in Mariens Schoß;/ Er ist ein Kindlein worden klein,/ der alle Ding erhält allein/ Kyrieleis!“