3.Adventsonntag

gehalten in St. M. Loreto am 15.12.1980

 

 

Die Frage des Täufers: „Bist Du es, der da kommen soll, oder...?“ Die Antwort Jesu: „Geht und meldet dem Johannes, was ihr seht und hört:

Blinde sehen wieder,

Lahme gehen

Aussätzige werden rein,

Taube hören,

Tote werden auferweckt

und den Armen wird die Frohbotschaft verkündet.

Und selig, wer an Mir nicht Ärgernis und Anstoß nimmt!

 

All das gilt auch heute noch: Die Wunder Christi heute noch! Nur sind es heute meist Gnadenwunder an den geistig Blinden, an den geistig Lahmen, an den vom Sündenaussatz Befallenen, an den für das Wort Gottes taub Gewordenen, an den seelisch Toten und Erstorbenen und an den Armen...

In seiner Kirche wirkt Christus immer noch diese Gnadenwunder. Es ist nur jammerschade, dass wir das viel zu wenig beachten. Wenn jemand in Lourdes oder an anderen Gnadenstätten von leiblichen Gebrechen geheilt wird, macht das vielleicht noch Eindruck. Dass aber Menschen, die jahrelang, jahrzehntelang in der Sünde und im Laster dahinvegetierten, auf einmal, von der Gnade Gottes getroffen, sich in Medjugorje oder anderswo bekehren, ein neues Leben beginnen und mit ergreifendem Eifer, mit erschütternder Bußgesinnung und Opferbereitschaft nun sich engagiert für die Sache Gottes einsetzen, das tun viele als unbedeutend und nichtssagend ab und doch geht es dabei um die viel größeren Wunder.

Achten wir aber vor allem noch auf das letzte Wort in der Antwort Jesu auf die Frage des Täufers Johannes: „Selig, wer an Mir nicht Ärgernis und Anstoß nimmt!“

Auch dieses Christuswort trifft heute noch genau so zu wie damals, als es gesprochen wurde. Sein Volk, das Volk der Juden, ist damals an Ihm gescheitert, weil sie Ihn, den Messias nicht so wollten, wie Er nun wirklich erschienen war als Mensch. Sie hatten sich ein ganz anderes Bild vom verheißenen Messias ausgemalt. Die Juden von heute, so weit sie an die Weissagungen der alttestamentlichen Propheten von einst glauben, warten noch immer auf einen anderen Messias, einen jüdischen Exklusiv-Heiland, einen nationalen Helden, einen Bringer wirtschaftlicher Blüte, aber nicht auf einen Gekreuzigten, der zur Nachfolge aufruft, die sich kundgibt in der Umkehr und in der Opferbereitschaft und in der treuen Erfüllung der Gebote Gottes.

Aber die Fehlhaltung des jüdischen Volkes von einst und von heute ist kein trauriges Privileg dieses Volkes. Auch unter den Christen entstanden und entstehen immer wieder neue Wunschbilder von einem Heilbringer, einem Messias: So und so müsste Er sein, damit wir an Ihn glauben könnten! Einem selbsterträumten Heiland und Erlöser, der nach dem eigenen Bild gestaltet ist, würde man Anbetung und Huldigung darbringen. Aber dieser so menschliche Christus, der sagt uns zu wenig! Man nimmt Ärgernis an Ihm. Christus wird heute vielfach umfunktioniert zu einem Sozialrevolutionär, die Aufgabe der Kirche und ihrer Priester wird heute umfunktioniert in Sozialrevolution. Durch Sozialengagement sucht man heute die Frohbotschaft Christi von der Sündenvergebung, vom ewigen Leben im Himmel umzuinterpretieren.

Selig, wer sich an mir nicht ärgert! Das kann die Kirche Christus nachsprechen. So viele nehmen Ärgernis an ihr und am Menschlichen und Allzumenschlichen an ihr. Aber Christus hat nun einmal die Kirche nicht auf Engel, sondern auf schwache Menschen aufgebaut. Und Christus hat nun einmal seine Kirche nicht als humanitäre Gesellschaft für immer höheren Lebensstandard geschaffen, sondern als Künderin der ewig Offenbarungswahrheiten, als Spenderin der von Christus am Kreuz verdienten Gnaden, als Verwalterin der hl. Sakramente, dieser nie erschöpfbaren Quellen der Gnade, als Führerin zum ewigen Heil und ewigen Glück im Himmel. Bei progressistischen Christen und Priestern sträubt sich heute alles, wenn man die erste Seligpreisung der Bergpredigt wiederholt: „Selig die Armen, ihrer ist das Himmelreich!“ Und doch ist genau das die Frohbotschaft Christi und genau dafür ist der Sohn Gottes Mensch geworden. Es ist eigentlich gar nicht echtes Engagement oder Mut, wenn heute an Stelle echter Seelsorge Zeit und Kraft eingesetzt werden im Sozialdienst. Es steckt vielmehr Kleingläubigkeit dahinter, wenn man der Welt von heute nicht mehr die eigentliche Frohbotschaft Christi zutraut, die auf das Jenseits und das ewige Heil zielt. Von Christus haben die modernen Christen etwas anderes erwartet. Aber er blieb seiner eigentlichen Sendung treu. „Deine Sünden sind dir vergeben, sagte er zum Gelähmten, den man zu ihm gebracht hatte, wo doch alle eine wunderbare Heilung des kranken Leibes von Jesus erwartet hatten. Und nur um einigen murrenden Pharisäern zu zeigen, dass er wirklich Sünden vergeben kann, fügte er dann auch noch das Heilungswunder hinzu. Der eigentliche Auftrag des Vaters, der eigentliche Sinn seiner Sendung ging nicht auf das Leibliche, Irdische, sondern auf das Seelische, auf das Ewige. Unsterbliche Seelen suchen und retten für die Ewigkeit, was durch die Sünde verloren und vom rechten Weg abgekommen war, wieder ewig glücklich machen. Wir wollen nichts rückgängig machen oder auch nur einengen, was an caritativen und sozialen Unternehmungen und Leistungen sich in der Kirche im Lauf der Geschichte herauskristallisiert hat. Nur verhindern sollten wir, dass man das Wesentliche aus dem Auge verliert: Dass das Leben mehr ist als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung und folgerichtig der Himmel mehr als die Erde und das ewige Leben mehr als das zeitliche. Verhindern müssen wir bei allen Aktionen im Dienste der Menschen und der unsterblichen Seelen, dass all der gute, edle, notwendige Einsatz, um wahrhaft zu helfen, losgelöst wird von der Frage: Wozu sind wir überhaupt auf Erden? Wir dürfen Christus nicht zu einem Sozialrevolutionär uminterpretieren lassen. Wer meint, nur in dieser Form Christus noch predigen zu können, der „ärgert sich am eigentlichen Christus“. Es bleibt seine Warnung: „Selig, wer sich an Mir nicht ärgert!“ Christus, wie Er wirklich ist und war, Seine Frohbotschaft, wie sie wirklich lautet, sind heute nicht gefragt und doch ungemein zeitgemäß, nie modern und doch brennend notwendig...

Weil so viele auf einen anderen warten, ist die Welt so heillos. Weil wir selbst nicht von ganzem Herzen auf Ihn warten, sind wir noch so wenig erlöst!