3. Adventsonntag

gehalten am 15. Dezember 1968

 

Am letzten Sonntag, 8. Dez., stand die makellos reine jungfräuliche Magd des Herrn als Adventbote vor uns, heute ist es der herbe, harte, höchst unmoderne Bußprediger Johannes d.T.

Aber ist er wirklich unmodern?

Versuchen wir uns klarzumachen, wie modern eigentlich dieser Mann ist!

1) Einer meinte, Johannes d.T. sei sehr modern, weil er jenen langmähnigen, arbeits- und seifefeindlichen Jugendlichen gleicht, die man "Gammler" zu nennen pflegt; er habe auch Ähnlichkeit mit den Protestierern, Revoluzzern und Kommunarden, auch er hat doch gegen das Establishment und gegen die erstarrten Institutionen protestiert.

Stimmt dieser Vergleich?,

Tatsächlich, der Prediger am Jordan war ein ausgesprochener "Nonkonformist“, ein Außenseiter der damaligen Gesellschaft, der sicher keine Parfums verwendete und der so ziemlich gegen alles protestierte, was man damals unter der führenden Schicht als bürgerliche Anständigkeit betrachtet hat.

Wirklich, Ähnlichkeiten des Täufers am Jordan mit den Gammlern und Protestierern von heute sind unverkennbar, die Unterschiede aber sind noch viel größer:

Mag sein, dass Johannes in der Wüste kein Reinlichkeitsfanatiker war, Wasserscheue kann man ihm aber sicher nicht vorwerfen, wenn man an die von ihm im Jordan gespendete Taufe denkt.

Auf jeden Fall aber - und das ist das Entscheidende - besaß Johannes saubere Grundsätze und handelte danach und er wollte dabei nicht niederreißen und zerstören, nur aus Zerstörungswut, wie es bei den modernen Demonstrierern und Protestierern vielfach der Fall ist, Johannes wollte sich und andere besser machen und höher führen, er wusste zudem, wofür er eintrat und sich engagierte: Er wollte wirklich nur Wegbereiter für einen Größeren, Besseren, für den Messias sein. Und die Buße, die er für diese Wegbereitung predigte, hat er selber radikal vorgelebt.

Seine Bedürfnislosigkeit und Anspruchslosigkeit waren echt. Er ließ sich nicht - wie es Dutschke und Genossen getan haben - für das Protestieren bezahlen, er nahm keine Bestechungsgeschenke an, er beurlaubte sich von der Gesellschaft, aber nicht um sich vor einer Verpflichtung zu drücken, sondern um eine große, schwere Verpflichtung in einem harten Büßerleben und Prophetendasein auf sich zu nehmen.

Dieser Johannes war gewiss kein angenehmer Mensch, kein nett plaudernder Charmeur und Conferencier, wie etwa ein Kulenkampf oder ein Vico Toriani, er sagte allen die Wahrheit, die volle, ganze, harte Wahrheit und die hören die Menschen bekanntlich nicht gerne. Und er sagte allen die Wahrheit so, dass sie glaubwürdig klang im Munde dieses unbestechlichen, charaktervollen, geraden Rufers in der Wüste.

Er warnte die Zöllner vor dem Wucher und der Ausbeutung der Armen, er warnte die Arbeiter vor Unzufriedenheit und schlechter Arbeitsmoral, er hielt den .Soldaten ihre Gewalttätigkeit vor, er schrie vor allem den heuchlerischen, selbstgerechten Pharisäern ins Gesicht: "Ihr Natternbrut, wer hat euch gelehrt, dem kommenden Zorngericht zu entrinnen? Bringt darum Früchte der Buße und bekehret euch!“ Dem Vierfürsten Herodes Antipas hielt er vor: "Es ist dir nicht erlaubt, deines Bruders Frau zu haben und einfach Weibertausch vorzunehmen!"

Mit solchen Reden macht man sich keine Freunde!

Seht, da ist noch ein großer Unterschied zwischen den Gammlern und Johannes d.T. Während die Gammler über kurz oder lang wieder in die Zivilisation zurückehren, weil für jede Kopfhaut die Zeit kommt, in der sie gebieterisch nach dem "Weißen Riesen" und vielleicht sogar nach dem Friseur schreit, führte der Weg des Täufers Johannes aus der Einöde ins Gefängnis und zur Enthauptung…

Johannes hat wahrlich seinen Auftrag und seine Sendung bis zum Äußersten durchgehalten und nie verleugnet durch Kompromisse an den Zeitgeist und an die Bequemlichkeit.

Christus selbst hat dem Johannes das schönste Zeugnis ausgestellt. Er nannte ihn einen Propheten, ja "mehr noch als einen Propheten", einen Menschen, der nicht wie ein Schilfrohr vom Wind hin und her bewegt wird. Christus sagte sogar: "Unter den vom Weibe Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes d.T.

Johannes war der Größte, weil er als unmittelbarer Vorläufer und Wegbereiter Christi an der Schwelle stand, an der die neutestamentliche Heilsordnung anbrach.

Johannes hat immer wieder auf den Mächtigeren verwiesen, der nach ihm kommen wird, der nicht mehr bloß mit Wasser, sondern mit "Hl. Geist und Feuer" taufen und so die große Scheidung zwischen Gerechten und Ungerechten, zwischen Weizen und Spreu vollziehen wird.

Im Verhör, das die jüdischen Priester und Leviten im Auftrag des Hohen Rates vornahmen (nach dem Bericht des heutigen SoEv), gab Johannes die klare Antwort: "Ich bin die Stimme des Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! ...Mitten unter euch steht Er schon, den ihr nicht kennt. Dieser ist es, der nach mir kommen wird, obgleich er vor mir schon gewesen ist; ich bin nicht würdig, ihm die Schuhriemen aufzulösen!'

Im Täufer Johannes, begegnet uns an der Schwelle zum Neuen Bund die Demut, der Opfergeist, die Bußgesinnung, der Verzicht, die Wahrhaftigkeit, der Glaube an Christus, den Messias, den Heiland und Erlöser.

2) Ist Johannes unmodern? Oder ist er vielleicht überaus modern? Ein zweites Mal stelle ich diese Frage.

Und ganz kurz noch die Antwort. Ihr könnt sie selber geben in dieser Zeit der Wohlstandsverwahrlosung, der Auflösung aller Sittlichkeit, der immer mehr anschwellenden Sexwelle und der Rauschgiftsucht, in dieser Zeit, wo man eine ganze Industrie, eine Vergnügungsindustrie aufbauen musste, um zu vermeintlichen Freuden zu kommen, die ganz an der Oberfläche bleiben und meist nur innere Leere und Katerstimmung zurücklassen: Ach, wie modern wäre da doch der Bußprediger Johannes!

Wir brauchen nicht seine Lebensform in der Wüste nachahmen und brauchen uns nicht von Heuschrecken ernähren – Hunderttausende hungernder und verhungernder Menschen müssen heute mit noch Bescheidenerem zufrieden sein in Pakistan, in Indien, in den Notstandsgebieten Südamerikas und Afrikas. Was wir nachahmen sollten von Johannes: seine Grundsatztreue und klare Lebenshaltung: weniger Schilfrohr, mehr Rückgrat, weniger Weichheit und Verweichlichung, mehr Konsequenz und Selbstbeherrschung, mehr Bereitschaft zum Helfen und zum Teilen in echter Brüderlichkeit...

Wie gut täte uns solche Haltung, nicht bloß jetzt im Advent...

Und wir würden dann durch unser Beispiel und unsere Opfer dem Herrn den Weg bereiten nicht bloß ins eigene Herz hinein, sondern auch in die Herzen vieler, vieler anderer, die vielleicht nur durch unser Opfer und Gebet gerettet und wieder auf den rechten Weg gebracht werden können.