Maria im Advent

Der Advent der katholischen Frauenjugend im Schatten Mariens

Einkehrtag für die Schülerinnen der Lehrerinnenbildungsanstalt am 8.12. 1950

 

1.    Vortrag: Die Frauen und unsere Frauenjugend im Advent des Zeitgeschehens:

Wir wollen den heutigen Hohen Frauentag der Unbefleckten Empfängnis Mariens unter den Gedanken stellen, dass Maria uns auf die Ankunft des Herrn bereiten soll. Durch Gebet und Gesang wollen wir uns heute einstimmen, um uns wie Maria vorzubereiten auf das gnadenvolle Kommen des Herrn! Aber bloßes einstimmen, bloßes Stimmung-machen wäre hier zu wenig. Vergesse wir bitte nicht: Advent ist keine sentimentale Angelegenheit der Stimmung und des Gefühls. Wir wollen das Gefühl und die Stimmung nicht ausschalten und nicht missachten. Es gehört zum Wesen und zur Eigenart der Frau dazu, über Gefühl und Gemüt und Stimmung zum Wesen eines Dinges vorzustoßen und es gehört zur Feier des Advents - wenigstens wie wir sie in deutschen Landen zu begehen gewohnt sind, dazu, über heimelige Gefühle und Stimmungen des Gemütes zur Herzmitte des Weihnachtsgeheimnisses, das ja in der Menschwerdung, in der Fleischwerdung der ewigen, göttlichen Liebe besteht, vorzustoßen. Wir wollen bei allem aber nicht übersehen, dass es beim Begriff Advent um Großes, Ernstes, Entscheidungsvolles geht. Es geht im Advent, wenn er richtig gesehen wird, um Ent-Scheidungs-Volles. Seht euch dies einmal genauer an: Adventus Domini, Ankunft des Herrn, das ist das große Thema, um das sich alles dreht in der Weltgeschichte; Adventus Domini, Ankunft des Herrn, das ist das große Ereignis, durch das eine ganz gewaltige Scheidung vorgenommen wird:

1. Durch sein Kommen im Fleische in der ersten heiligen Nacht in der Geburt aus der jungfräulichen Mutter Maria zerfällt für immer die Weltgeschichte in zwei Teile: "Vor Christi Geburt" - "Nach Christi Geburt".

2.Durch sein kommen im Geiste, in die Herzen der Menschen: mit seiner Gnade, mit seiner Liebe, mit seiner Lehre, mit seinen Heilswahrheiten und sittlichen Grundsätzen für das Privatleben, für das Ehe- und Familienleben, für das öffentliche Leben scheiden sich die Menschen in Christen oder Heiden, in Warm oder Kalt, in Gut oder Bös: Scheidung der Geister, je nachdem, wie die Menschen und Völker zu Christus und seiner Lehre stehen.

3. Durch sein Kommen in Herrlichkeit, wenn der Herr kommt zum Gericht, zum besonderen in der Sterbestunde eines jeden, und zum allgemeinen, jüngsten Gericht in der Sterbestunde der Weltgeschicte, scheidet sich die Menschheit: Denn das Tun der einen wird bewertet und belohnt mit dem ewigen, ewig glücklichen, ewig seligen "Beim-Herrn-sein", das Tun der anderen aber wird als wertlos beurteilt und gerichtet und verurteilt zu ewiger Gottesferne in der Verdammnis, weil all ihr Tun und Leben immer nur ein Enteilen aus der Nähe des Herrn, ein Sich-Stürzen in die Gottesferne der Sünde und des Lasters war.

Das ist der große ent-scheidungsvolle Ernst des dreifachen Advents, des dreifachen Kommens des Herrn im Fleische, im Geiste, in Herrlichkeit. Und Wie sollten die Menschen, voran die Frauen und die Frauenjugend zu diesem dreifachen Advent des Herrn stehen, wenn die Menschen, voran die Frauen beurteilt und bewertet werden nach dem Vorbild der "Gebenedeiten unter den „Frauen"? Gerade die Frau hat doch im dreifachen Advent des Herrn ihre bedeutungsvolle, entscheidungsvolle Stellung:

1. Die Geschichte der Menschheit und des AT beginnt mit einer Frau: Eva! Die Geschichte des erlösten Menschengeschlechtes und des NT beginnt mit einer Frau: Maria!

Eva gebar Abel, der von seinem Bruder getötet wurde. So zog der Tod in der Welt ein, auf Grund der Sünde, die Eva begangen hatte in der ersten Entscheidung gegen Gott.

Maria gebar Jesus, der von seinen Brüdern getötet wurde, um durch seinen Tod das Leben wiederzubringen. So zog das Leben und die Gnade in der Welt wieder ein, auf Grund der Gehorsamstat des Leidens und Sterbens, in der sühnenden Entscheidung für Gott: „Vater, nicht mein Wille geschehe, sondern der deine!"

2. Zwischen diesen beiden Frauen: der Urheberin der Schuld und der Gehilfin im Erlösungswerk ist das menschliche und göttliche Drama eingeschlossen, das sich auf dieser Erde abspielen sollte: Eva brachte die Sünde in die Welt und wurde aus dem irdischen Paradiese vertrieben mit allen ihren Nachkommen.

Maria wurde ohne Sünde geboren, erklärte sich bereit, demütige Magd des Herrn zu sein, empfing so und gebar in makelloser Jungfräulichkeit den einzigen Sohn, die gebenedeite Frucht ihres Leibes, durch den allen das himmlische Paradies wieder eröffnet wurde.

Maria, die Makellose, die Gnadenvolle, die Gebenedeite unter den Frauen, hat nach der Gottesferne und Nacht der Sünde, in die die Menschheit durch Eva gestürzt worden war, das Kommen des Herrn zum Heile, zur Rettung und Erlösung ermöglicht! Ihr ist die große Wende zu verdanken, die mit dem Kommen des Herrn im Fleische anbrach. Sie hat das rechte `Wort, die rechte Ant-Wort auf das Wort Gottes gefunden, da Gott um Marias Bereitschaft und Einwilligung in den göttlichen Heilsplan fragte und sie die Antwort gab: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte!

Da hat es das demütige Wort einer Frau gleichsam erzwungen, dass das Wort Gottes Fleisch wurde und unter uns Wohnung nahm: Kommen des Herrn im Fleische! Und dann bereitete sich Maria in den neun Monaten ihres Advents auf das Kommen des Herrn vor in felsenfestem Glauben, in unerschütterlicher Hoffnung, in starker Liebe. So können wir ihr dann dankbar zujubeln: Alma Redemptoris mater, quae pervia coeli porta manes et stella maris....

Was ich da von Eva und Maria zu sagen versuchte, das wiederholt sich gleichsam in der Geschichte jedes Menschenlebens und gerade daraus solltet ihr wieder erkennen, welch gewaltige Adventbedeutung jeder Frau, jedem Mädchen zukommt im Lichte der "Gebenedeiten unter den Frauen".

Die Geschichte des Menschenlebens beginnt immer wieder mit einer Frau und Mutter: An der Herzenswiege und an der hölzernen Wiege des Kindes steht die Frau und Mutter. Und vielfach hängt es von dieser Frau und Mutter ab, ob das Geborenwerden des Kindes ein Eintritt in wahres Leben oder ein Eintritt in den Tod bedeutet. Denn was die Mutter dem Kinde mitgibt ins irdische Leben an Bereitschaft Gott gegenüber, ist vielfach entscheidend fürs ganze Leben und oft schon für die Ewigkeit.

2. Am Scheideweg des jungen Mannes steht wieder eine Frau; die künftige Mutter unter seiner Kinder; und im Leben des Mannes, in seinem Wirken in Beruf und Öffentlichkeit steht immer wieder die Frau und Mutter als Raterin, als Gehilfin als Gefährtin. Mittelpunkt und Herz der Familie ist die Frau und Mutter, lebendiges Gewissen, Zukunft oder Untergang, Glück oder Schicksal eines Volkes sind die Frauen und Mütter.

3. Und immer wieder wird es davon abhängen, wie die Frau zum Kommen des Herrn im Geiste steht und wie die Frau hilft, dass der Geist Christi, die Frohbotschaft Christi, das Gesetz Christi, das der Wahrheit und Liebe, hineindringt in das Privatleben, in das Familienleben, in das öffentliche Leben des Staates und der Völker. Versteht es die Frau, das rechte Wort zu finden: "Siehe ,ich bin die Magd des Herrn“, um dem Kommen des Herrn den Weg zu. bereiten, auf dass alles durchdrungen werde vom Geiste des Herrn, vom Geiste Christi, vom Geist der Wahrheit und der Liebe, vom Geist der Reinheit und Sittlichkeit, vom Geist klarer, aus dem Glauben erwachsener Grundsätze, dann glücklich die Familie, glücklich das Volk: Die Frau wird immer wieder die Retterin der Familie und des Volkes, weil sie mit ihrem Beten und Opfern, mit ihrer dienenden Liebe und Güte, mit ihrem starken Glauben und mit ihrem Heldenmut im Ertragen und Entsagen den Segen Gottes und seine Gnade herabzieht. Wehe aber dem Volke, wo die Frauen nicht mehr geformt sind nach dem Vorbild der ersten Adventbotin: Maria!

Corruptio optimi pessima, die Verdorbenheit der Besten ist das größte Übel, diesen Erfahrungssatz möchte man an Erfahrungstatsachen aus der Geschichte und aus der Gegenwart abwandeln in den Satz: Corruptio feminae pessima: Wenn die Frauen nicht mehr auf der Höhe sind, auf der Höhe des Glaubens und sittlicher Reinheit, auf der Höhe verzichtender, opferbereiter Liebe, dann ist der Sturz ins Unglück und Verderben den Familien und den Völkern gewiss!

Unser Hl. Vater hat dies vor kurzem einmal (11. Sept. 1948) in einer großen Rede vor katholischen Frauen und Mädchen so formuliert: "Niemals, so glauben Wir, niemals im Laufe der Geschichte der Menschheit, haben die Ereignisse vonseiten der Frauen so viel Initiative und Kühnheit, so viel Verantwortungsbewusstsein, so viel Treue und sittliche Kraft, so viel Opfergeist und Starkmut in jeder Art von Leiden, mit einem Wort, so viel Heldenmut gefordert, wie heute. - Aber die Tränen kommen einem in die Augen, und die Schamröte ins Gesicht, dass die verkehrten Auffassungen aber die Würde der Frau, über Ehe und Familie, über eheliche Treue und Ehescheidung selbst über Leben und Tod, bis in katholische Kreise hinein unmerklich in die Geister dringen, und wie ein nagender Wurm das christliche Leben der Frau und der Familie in ihren Wurzeln angreifen!"

Hier seht ihr, welche Aufgabe, welche Verantwortung den Frauen und darum auch euch schon, der Frauenjugend, zufällt

Von den Frauen hängt es weithin ab, wie die Kinder, wie die Jugend, wie die Männer, wie die Familien aussehen und gesinnt sind! Jetzt schon dem Kommen des Herrn im Geiste den Weg bereiten helfen, dadurch dass ihr euch selbst bereitet zu wahrhaft katholischen Frauenpersönlichkeiten nach dem Vorbild Mariens! Glaubt mir´s, es geht beim Gedanken an den Adventus Domini wirklich nicht um rührselige Stimmungsmacherei.

Das Kommen des Herrn im Fleische. Es war gebunden an die Gehorsamstat und Bereitschaft der Gebendeiten unter den Frauen.

Das Kommen des Herrn im Geiste. Es ist weithin gebunden an die Bereitschaft der nach dem Vorbild Mariens geformten Frauen.

Und das Kommen des Herrn in Herrlichkeit? Zum Gerichte? Welche Rolle spielt dabei sie Gebenedeite unter den Frauen? Und welche Rolle fällt dabei den katholischen Frauen zu und euch, der katholischen Frauenjugend, auf die wir unsere Hoffnung setzen?

Wie am Anfang, so steht auch am Ende der HI. Schrift des NT ein Wort geschrieben über die Frau, über die Gebendeite unter den Frauen, über Maria: Das Weib mit der Sonne umkleidet, den Mond zu Füßen, einen Kranz von 12 Sternen um das Haupt gewunden, dem höllischen Drachen den Kopf zerschmetternd. Sie, die "Siegerin in allen Schlachten Gottes", wie der Hl. Vater Maria nennt, wird auch beim Endsieg und endgültigen Triumph des Herrn über alle gottfeindlichen Mächte, also beim Kommen des Herrn in Herrlichkeit in vorderster Reihe stehen und mit ihrem Sohn die letzte Entscheidung herbeiführen.

Dass dann beim Gericht unsere Frauen und unsere katholische Frauenjugend, ihr, liebe Mädchen, bestehen könnt in der schweren Verantwortung, die euch aufgegeben ist, das möge Maria, die Gebenedeite unter den Frauen, die erste und größte eures Geschlechtes euch erbitten. Und sie wird es tun, wenn ihr selbst euch immer und allezeit eurer Verantwortung auch bewusst seid! Ihr ahnt oft nicht, wie viel von Euch und von den Frauen abhängt! Beim Weltgericht wird es sich zeigen und offenbar werden. "Das ewig Weibliche zieht mich hinan!" Ja, richtig verstanden stimmt das. Aber darum auch Wehe, furchtbares Wehe über jene Frauen und Mädchen, die nicht Führerinnen zu lichten Höhen der Reinheit, die nicht Hüterinnen des Lebens, die nicht Künderinnen der Liebe waren, sondern Verderberinnen, Mörderinnen, und Botinnen des Hasses!

Es ist das Wort gefallen vom "Priestertum der Frau".

Oda Schneider, die katholische Wienerin, die darüber ein vielsagendes Buch geschrieben hat, ist vor zwei Jahren nach dem. Tod ihres Mannes in den Karmel eingetreten in Wien-Baumgarten, um nun als büßende Karmelitin erst recht ernst zu machen mit dem Priestertum der Frau, deren Aufgabe es ist, zu opfern, zu. büßen, zu sühnen, die Herzen zu bereiten für das Kommen des Herrn Den Menschen Christus bringen, jede Frau hat wie Maria diese schöne große Aufgabe und das ist eine eminent adventliche Aufgabe!

Vergesst bitte das nicht!

Und unter dieser Rücksicht, im Bewusstsein des Ernstes, der dem Advent, der Ankunft Christi im Fleische, im Geiste und in Herrlichkeit zueigen ist und im Bewusstsein der Verantwortung, die in diesem dreifachen Advent gerade den, Frauen und euch kommenden Frauen und Müttern unseres Volkes zukommt, möchte ich euch nun in den folgenden paar Vorträgen des heutigen Einkehrtages aufzeigen, wie Maria für ihre Adventaufgabe, den Menschen Christus zu bringen, von Gott bereitet worden ist und sich bereitet hat.

Und daraus sollt ihr selber dann die Folgerungen ziehen, wie Ihr euch bereiten sollt in eurem Advent:

Jetzt im Advent des Kirchenjahres und im Advent der Bereitung auf den schönen, so verantwortungsvollen Beruf einer christlichen Lehrerin, Erzieherin oder Mutter und im Advent eures ganzen Erdenlebens.

Schließlich ist es für uns gläubige Menschen immer Advent: Ankunft des Herrn. Wir haben hier keine bleibende Stätte. Wir erwarten etwas. Wir erhoffen etwas: Adventus Domini! Adventliche Menschen sein! Das heißt Menschen mit Lebensernst, die um die entscheidungsvolle Bedeutung des kurzen Erdenlebens wissen. Adventliche Menschen sein, das heißt jenseitige Menschen sein, die nicht kleben bleiben am Diesseits und am Diesseitigen, Materiellen, Sinnlichen, Vergänglichen!

Adventliche Menschen, die den Herrn erwarten mit brennenden Lampen, mit dem Öl des Glaubens, der Sehnsucht, der Liebe!

Und die in jedem Mitmenschen, der in leiblicher oder seelischer Not ist, den Herrn sehen, der da zu ihnen kommt, um sie vor die Ent-Scheidung zu stellen.

Und die in der Kirche den fortlebenden Christus sehen, dem es dienen gilt in apostolischem Eifer.

Adventus Domini: Maranathal Komm Herr Jesus!

 

 

 

 

 

3.Vortrag beim Einkehrtag am 8. Dezember 1950

 

Der reine, lautere, ganz auf Gott ausgerichtete, ganz Gott hingegebene, ganz von Gott durchglühte, edle, feine, liebende, jungfräuliche  Mensch! So stand zuletzt Maria vor uns. So finden wir sie wieder in der Stunde der Berufung, da der erste Teil ihres Advents, ihrer Bereitung, ihres Wartens seinen Abschluss findet in einem wundersamen "Gaudete", in einer alle Erwartung übertreffenden Vorweihnacht !

Maria im Gebet! Wie ein Schrei der Sehnsucht mag ihr Beten und Flehen zum Thron des Allmächtigen emporgedrungen sein. 0 ewiger Vater, gib den Zeiten das Maß ihrer Fülle, beschleunige die Stunde der Ankunft des Messias, die Not ist zu groß geworden, schicke den Erlöser, den Retter, den Seligmacher, sende endlich den Langersehnten, den so stürmisch begehrten! Tauet Himmel den gerechten, Wolken regnet ihn herab!

Sie singt und betet und weiß es nicht, dass der Augenblick der Erfüllung unmittelbar nahe ist, sie ahnt es nicht, dass aus ihr geboren werden soll die Sehnsucht der Völker, das Heil der Welt!

Gabriel, der Gottesbote, einer der Großen im Reiche der himmlischen Geister, erhält einen Auftrag, wie er selbst im Himmel in alle Ewigkeiten nur ein einziges Mal gegeben wird....

Schweigend und ergriffen steigt er hernieder.

Und da klingt auch schon der Gruß in die Stille des vom Gebet der Jungfrau durchzitterten Raumes: Ave, gratia plena... !

Der Gruß eines Engels in einer menschlichen Behausung. Und welch ein Gruß! „Voll der Gnade" nennt er sie. Kennt sie und nennt sie doch nicht mit dem Namen, weil ihm dieser Titel "Gnadenvolle" jetzt noch richtiger dünkt als der Name, um das Wesen dieses Menschen zu charakterisieren. Sei gegrüßt, du Gnadenvolle! Da ward. Mariens Seele von Staunen erfüllt und von der Furcht vor etwas Großem, Geheimnisschwerem, das hinausreicht über die Fassungskraft eines Menschenverstandes und eines Menschenherzens. Der Engel versteht ihr Erschrecken und beruhigend klingt sein Wort: "Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden vor Gott!"

Klar und hell wie vorweihnachtliches frohes Glockenläuten fällt nun Wort um Wort in die heilige Stille: "Du wirst empfangen und einen Sohn gebären, und du wirst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben.... Er wird herrschen in Ewigkeit und Seines Reiches wird kein Ende sein!" Welch eine Botschaft!

Wer hielte da nicht unwillkürlich den Atem an....

Maria, als gänzlich unverdorbener, reiner Mensch, dem alles Natürliche gut ist, weil es so gottgewollt ist, gewollt vom Urheber der Natur, sie weiß um das Geheimnis des Lebens, um das Werden eines Menschenkindes unter dem Herzen der Mutter. Und ein Gedanke springt da in ihr auf: Jungfrau und Mutter zugleich, das geht natürlicherweise nicht zusammen. Sie steht auf dem Boden voller Wirklichkeit. Sie schaut den Tatsachen fest und klar ins Auge. Heilig ist ihr das Gelöbnis an den Herrn, dass sie zeitlebens ihm in Jungfräulichkeit dienen will. Heilig ist ihr auch die Botschaft des Engels Doch wie soll dies geschehen? Jungfrau und Mutter zugleich? "Wie soll dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?"

Und die Antwort des Engels : "Der Hl. Geist wird auf Dich herabkommen, die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten...“

Da fragt Maria nicht weiter.

Sie hat sich dem Herrn geweiht. Sie ist sein Tempel. Seine Opferschale. Mag er nun über sie verfügen nach seinem Belieben: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn! Mir geschehe..."

Da ist auch schon das Wunder vollbracht.

Mit ihrem Fiat, Mir geschehe... klingt jenes andere Fiat zusammen, das der eingeborene Sohn Gottes nun zum Vater spricht, droben in der unendlichen Herrlichkeit, die er verlassen wird, um herniederzusteigen in das Tal der Tränen, um sich einschließen zu lassen in den Schoß einer Jungfrau: "Einen Leib, Vater, hast du mir bereitet. Siehe, ich komme, deinen Willen zu erfüllen!" Maria trägt nun ein Kindlein unter dem Herzen, ein Kindlein, das der ewige Sohn Gottes selber ist, der die Menschennatur annahm und nun den naturgemäßen Verlauf jeder Menschwerdung, die neun Monate unter dem Herzen der Mutter, durchmacht: "Non horruisti virginis uterum!"

Maria im Augenblick gnadenvollster Segnung, die ihr widerfährt, da sie empfängt...

Eigentlich müsste sie nun aufjubeln vor Glück, vor Freude, vor Staunen, vor Ergriffenheit ob solcher Begnadung und Auserwählung.

Sie aber will in diesem Augenblick nichts sein als nur Magd des Herrn! Sie ist die Sündelose, die einzig Erkorene unter allen Frauen der Erde… . Vor ihr neigen Gottes Engel in Ehrfurcht sich, und sie nennt sich - Magd! Das kostbarste Wunderwerk Gottes des Schöpfers ist sie, das Meisterwerk Gottes, voll von unfassbarer Lieblichkeit, einer goldenen Schale gleich, die von wundersamem Segen überfloss und sie nennt sich - Magd! So groß ist Gottes Wohlgefallen an ihr, dass er sie zu seiner Mutter haben will, und sie nennt sich - Magd!

Der Jubel der seligen Geister ist fortan Maria, die Herrin, die Königin der Engel. Und sie nennt sich - Magd!

Ja, so übervoll der Demut ist ihre Seele, dass sie selbst in dieser Stunde höchster Begnadigung keinen anderen Ausdruck für ihre Seligkeit zu finden weiß als nur den: Siehe ich bin die Magd des Herrn Dank, Liebe, Lobpreis, Staunen, Jubel, Frohlocken, eine Fülle lebhaftester Empfindungen und Stimmungen mussten doch in dieser Stunde alle Tiefen und Höhen ihrer gnadeerfüllten Seele durchwogen und durchtönen gleich vielstimmigem Orgelpräludium, das durch die weiten Hallen eines gotischen Domes himmelan braust. Und doch werden all die freudigen, innigen und stürmischen Regungen ihres Herzens übertönt von ihrer wundersamen Demut und Innerlichkeit.

Erst drei Monate später wird sie vor einem Zeugen, den der hl. Geist selbst in ihr Herzensgeheimnis eingeweiht hat, vor Elisabeth, ihr Preis- und Jubellied singen.

So sehr ist sie mit ihrem ganzen Sein und Wesen auf diesen Gedanken demütigen Dienens eingestellt, dass nicht einmal angesichts dieser einzigartigen Gnade der Berufung ein anderer Gedanke ihre Seele streift. Sie hatte sich dem Herrn geschenkt von früher Jugend an. Sie wollte in aller Stille blühen und verblühen zur Ehre Gottes, ganz seiner heiligen Liebe hingegeben, eine brennende Kerze, die sich ganz im Gottesdienst verzehrt. So hatte sie sich ihr Leben ausgedacht.

Da ergeht der Ruf der Mutterschaft an sie, ein völlig unerwarteter Gottesruf. Was weiß sie darauf zu erwidern?

Nichts als das schlichte Wort der Demut, das voll ergreifender Größe ist: Siehe, ich bin die Magd des Herrn!

Mädchen, lernt von diesem eurem herrlichsten Vorbild: Das ist echtestes schönstes, tiefstes, vollendetstes Menschsein: In Demut - dienen wollen - dem Herrn!

Seid auch ihr das, im Glauben, im Hoffen, im Lieben, im Sorgen und Arbeiten, im Pläneschmieden für die Zukunft und im Gehorchen: Allezeit nur Magd des Herrn!

Maria trägt nun keimendes Gottesleben unter dem Herzen. Der zweite Teil ihres Advents hat begonnen. Die vierte Kerze am Adventkranz ist entzündet. Zur goldenen Schatztruhe ist Maria geworden. Zur Bundeslade. Zum Tabernakel. Zur Monstranz. Kostbarsten Reichtum birgt sie in sich. Angefüllt ist sie mit Gottes wundersamstem Geheimnis. Der Schimmer ewigen Lichtes ruht auf ihrem Antlitz. Das Leuchten Gottes umflutet ihre Gestalt. - Moses stieg strahlenden Angesichtes vom Berge hernieder, auf dem er kurze Zeit nur den Allmächtigen geschaut. (Wie hat dieses Leuchten Michaelangelo zum Ausdruck gebracht an der berühmten Mosesstatue in Rom, S. Pietro in Vincoli).

Wie erst mag Maria von göttlichem Leuchten nun durchhellt sein, da sie die Herrlichkeit Gottes in ihrem Schoße trägt. Kraft eines Wunders schließt sie den in sich, den die Himmel nicht zu fassen vermögen!

Welcher Art mögen wohl die Empfindungen gewesen sein, die ihre Seele erfüllten! Ein Kindlein in sich tragen, das Gott ist! Es staunt ja jede werdende Mutter über das neue Leben, das in ihr heranreift! Wie erst mag sie gestaunt haben, Maria, über das Gottesleben, das da in ihr heranreifte. Gestaunt mag sie haben in heiliger Freude, aber auch in Bangigkeit ob der Größe göttlicher Liebe, die nicht bloß Mensch werden wollte, sondern auch ... leiden und sterben wollte.

Maria wusste ja um die Leidensverheißungen des AT, der Propheten vor allem, Jeremias voran. Sie mag auch dies in der Zeit der Erwartung nachgelesen und überdacht haben und darüber auch sicher geweint haben!

Wer müsste da nicht weinen bei aller Freude? Auch wenn sie Gott selber, die Urquelle aller wahren Freude in sich trug, hatte sie doch allen Grund zur Bangigkeit! Wenn eine Mutter vorauswüsste: Das Kind, das sie trägt, wird einmal ein unsäglich leidvolles Leben führen und eines schrecklichen Todes sterben - arme Mutter, in die Freude ihres Hoffens würde vernichtend die Qual ihrer Betrübnis fallen wie der Reif auf Blüten fällt. - Aber Gottes gütige Vorsehung hat für unsre Mütter das Dunkel undurchdringlichen Geheimnisses über das künftige Los des werdenden Lebens gebreitet. Darum hoffen sie meist das Schönste und Beste für ihr Kindlein und träumen den uralten und ewig jungen Traum vom Glück ihres Lieblings. - Maria aber weiß, was kommen muss und unfehlbar sicher kommen wird. Es steht ja geschrieben beim Propheten Jeremias: "Er, der Messias, wird ein Mann der Schmerzen sein, zerschlagen ob unserer Missetaten....".

Doch gab es für Maria, selbst in der Bedrängnis dieser schweren Gedanken, nur eines: "Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe...." Verfüge über mich, o Gott, tu mit mir, was dir gefällt! Nicht, was meine Natur ersehnt, sondern was Dein Erlösungsplan fordert; nicht was mein Frauenherz sich wünschen möchte, sondern was deinen Absichten dient, du ewiger Gott! So wird nun Maria in dieser Zeit der Erwartung ihren Haushaltspflichten nachgekommen sein mit einer Seele voll Ausgeglichenheit und Ruhe, voll Gefasstheit und Hingabe, voll Stille und anbetender Liebe. Jede Bewegung voll heiliger Ehrfurcht, jeder Gedanke voll glühender Liebe, jede Tätigkeit ein Akt vollkommener Hingabe... und so vergeht die Zeit ihres Gesegnetseins, ihrer immerwährenden Kommunion, ihres stillen, seligen Advents. Tage voll Glück sind es, und doch auch immer wieder Tage voll Bangigkeit.

Das Kindlein in ihrem Schosse aber wächst... es geht Weihnachten und Bethlehem entgegen. Dass doch die gotterfüllte seligste Jungfrau es uns lehrte, dass Christus auch in uns wachsen und zunehmen möchte Tag um Tag, und dass Er auch uns ganz erfüllen möchte, unser Denken, unser Beten, unser Leben, unser Lieben unser Leiden.

Und das auch wir die innige Zweisamkeit des Betens und Betrachtens lernten und uns immer wieder in der Hast des Tages und der Berufsarbeit Zeit dazu nähmen: Zweisamkeit mit Gott in stiller Ehrfurcht vor dem Geheimnis: "Gott in mir!" - Durch seine Allgegenwart - erst recht durch die heiligmachende Gnade - und noch viel mehr, wenn ich Ihn etwa täglich in mich aufnehme in der hl. Kommunion.

Eins gehört in den Advent Mariens noch hinein: Ihre Pilgerfahrt! Ihr Liebesgang über das Gebirge!

"Da machte sich Maria auf und wanderte über das Gebirge.“

Freude will sie bringen in Elisabeths Haus, will der hoffenden Mutter die Not der letzten Monate tragen helfen, will ihr beistehen in ihrer schweren Stunde. Ganz gütig, ganz fraulich ist da ihr Herz!

Und auf dem Weg mag sie immer wieder hineingelauscht haben ins eigene Herz, in Besinnlichkeit, in Ergriffenheit, über das Wunder ihrer geheimnisvollen Mutterschaft nachdenkend. Und voll Innigkeit mag sie immer wieder das Kindlein unter ihrem Herzen angebetet haben. Und was mag sie ihm alles gesagt haben an köstlichen Worten der Liebe, der Ehrfurcht und der Sehnsucht, bei diesem Eilen über das Gebirge.

Elisabeth sieht Maria des Weges kommen und jubelnd eilt sie ihr entgegen. Vom Hl. Geist erfüllt, ruft sie aus: "Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Woher geschieht mir dies, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?"

Wie muss die Herrlichkeit Gottes aus ihr gestrahlt haben, dass Elisabeth sogleich bei ihrem Anblicke spürt, dass Maria zum Tabernakel geworden! Dieser Wissenden gegenüber vermag Maria den Jubel und die Seligkeit, die ihr das Herz bis zum Rande füllen, nicht länger mehr in sich zu verbergen. So bricht es dann in seligem Frohlocken aus ihr, das Adventlied und Weihnachtslied, das Gotteslob und Marienlied des Magnificat:

"Hochpreiset meine Seele den Herrn und mein Geist frohlockt in Gott meinem Heiland! Denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd, siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter. Großes hat an mir getan, der da mächtig und dessen Name heilig ist! Er ist barmherzig von Geschlecht zu Geschlecht, denen, die Ihn fürchten. Er übet Macht mit seinem Arme, zerstreut, die da stolz sind in ihres Herzens Sinn! Die Gewaltigen stürzt er vom Throne und die Niedrigen erhöht er. Die Hungrigen erfüllt er mit Gütern, leer lässt er ausgehen die Reichen. Angenommen hat er sich Israels, seines Knechtes, in Erbarmen eingedenk, wie er zu unseren Vätern gesprochen, zu Abraham und seinen Nachkommen ewiglich.“

„Hochpreiset meine Seele den Herrn und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland!“

Herr nennt sie Ihn voll Ehrfurcht ob Seiner Größe und im Bewusstsein dessen, dass sie auch als Seine Mutter nur Seine Magd sein will! Magd des Herrn.

Heiland, nennt sie ihn, der da kommen will als Retter, Helfer und Erlöser, um zu suchen und zu retten, was verloren war.

Mein Heiland nennt sie ihn voll Zärtlichkeit, sich dessen bewusst, dass Er in unvergleichlicher Weise ihr Eigen ist, dass Er in ihr lebt, von ihrem Blute genährt, von ihrer Liebe getragen, von ihrem Mutterschoß umschlossen.

"Denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd."

Er hat angesehen... ein Blick also nur vonseiten Gottes, und eine Menschenseele weiß sich vor Seligkeit nicht mehr zu fassen. 0 Seligkeit!

Die Niedrigkeit seiner Magd: Was ist sie denn auch im Vergleich zu Gott? Und alles, was sie ist, ist sie nur aus Gnade! Maria ist sich dessen bewusst in Demut. Nochmals bekräftigt sie es: Sie will nichts anderes sein als die demütige Magd des Herrn!

„Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter..."

Welch ein Wort, welch ein kühnes Wort! Passt dies zur demütigen Magd des Herrn? Wann haben je Menschenlippen so Unerhörtes auszusprechen gewagt? Seliggepriesen, gefeiert, bejubelt von der Welt durch alle Jahrhunderte wird sie sein, sie weiß das, und nennt sich dennoch die demütige Magd des Herrn! Da ist nicht falsche, buckelige Demut, die die eigene Größe und Würde etwa übersieht; sie weiß um ihre Würde, weiß aber zu gut, dass sie von Gott kommt, diese Würde, und weiß darum, dass alle Ehre und Verherrlichung, die ihr zuteil wird, letztlich immer auf den zurückfällt, der sie erwählt, der sie so begnadet hat. Das spricht sie auch sogleich aus:

"Großes hat an wir getan der Mächtige und dessen Name heilig ist!"