Mariä Himmelfahrt, 15. August 1973 (Loreto)

Ein großes Marienfest feiert die Kirche heute, ja das größte und älteste aller Marienfeste, das bis in die frühchristliche Zeit zurückreicht. Dieser "große Frauentag", wie das heutigen Fest im Volksmund heißt, ist gleichsam inmitten des Erntemonats August der große Erntetag Gottes, da hier die kostbarste und edelste Frucht, die auf dem Ackerfeld Gottes herangereift ist, heimgeholt wurde in die Scheunen der Ewigkeit. Maria, die jungfräuliche, unbefleckt empfangene Gottesmutter, die mit Seele und Leib in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde am Ende ihres Erdenlebens.

Mariä Himmelfahrt – so nennt das Volk den heutigen Festtag. Der Name klingt heute im Zeitalter der Weltraumfahrt, in der noch drei Männer im Skylab um die Erde kreisen, etwas irreführend: Maria ist ja keine Astronautin wie auch Christus in seiner Himmelfahrt kein Astronaut war. Offiziell in der Sprache der Kirche heißt das heutige Fest "Assumptio BMV, Aufnahme der seligen Jun f rau Maria in den Himmel mit Seele u.Leib:/Sie,die unbef leckt Empfangene die kraft der ihr zuteil gewordenen Anfangsbegnadigung im allerersten Augenblick ihrer irdischen Existenz von der Erbschuld frei blieb, ist am Ende ihres Erdenlebens in ihrer Endbegnadigung mit Seele und Leib in die himmlische Herrlichkeit hinaufgenommen, hineingenommen worden. Das glaubt die Kirche. Darüber freut sie sich und wir freuen uns mit der Kirche über diese Herrlichkeit, die Maria, dem vornehmsten Glied der Kirche, zuteil wurde. Und der Grund unserer Freude ist dabei nicht etwa nur der gleiche, wie sich halt Kinder freuen, wenn ihrer geliebten Mutter eine Ehrung und Auszeichnung zuteil wird. Wir freuen uns vielmehr deshalb, weil das, was Maria zuteil wurde, auch uns einmal zuteil werden soll. Das ist nämlich das Beglückende und Tröstliche, dass Mariens Hinaufnahme und Hineinnahme in die himmlische Herrlichkeit mit Seele und Leib keine Ausnahme, sondern nur eine Vorausnahme war! Was ihr zuteil wurde, soll auch uns allen einmal nach dem wunderbaren Erlösungsplan Gottes zuteil werden, wenn wir in der Gnade Gottes sterben...

Also keine Ausnahme, aber doch eine berechtigte Vorausnahme und zwar aus einem dreifachen Grund ist diese Aufnahme und Hineinnahme Mariens mit Seele und Leib in die himmlische Herrlichkeit gleich am Ende ihres Erdenlebens. Dieser dreifache Grund lässt sich stichwortartig kurz angeben mit dem Hinweis auf 1. Mariens Gnadenfülle (gratia plena), auf 2. Mariens Benedeitsein über alle Frauen hinaus und auf 3. Die Tatsache,dass Maria die kostbarste Bundeslade war.

Der 1.Grund, warum bei Maria die Auferstehung und Verklärung, wie sie allgemein erst am Jüngsten Tag erfolgen wird, vorausgenommen wurde, ist ihre Gnadenfülle: Vom 1.Augenblick ihrer irdischen Existenz an voll der Gnade kraft ihrer unbefleckten Empfängnis: so war Maria! Und sie blieb allezeit in der Gnade, nie wurde der Lichtglanz der Gnade und Heiligkeit in ihr verdunkelt. Was der Dichterfürst Goethe von seinem jüngeren Dichterfreund Friedrich Schiller bei dessen Tod von diesem gesagt hat: "Und unter ihm in wesenlosem Scheine-lag, was uns alle bändigt, das Gemeine!", das stimmt nur von ihr, der Gnadenvollen, deren Seele und deren Leib niemals durch die Sünde entweiht wurde, Bei ihr stimmt es wortwörtlich: Unter ihr in wesenlosem Scheine-lag, was uns alle bändigt, das Gemeine; sie hat niemals auch nur das Geringste damit zu tun gehabt. Dieses Heiligtum des Hl. Geistes (dieses sacrarium Spiritus Sancti) erlitt niemals eine Entsakralisierung!

Der 2. Grund, warum bei Maria auch dem Leibe nach die Verklärung und Verherrlichung vorausgenommen wurde, hat Elisabeth, die greise Verwandte Mariens, ausgesprochen, als sie im Augenblick der Begegnung dieser beiden gesegneten Frauen, die guter Hoffnung waren, zu Maria sagte: "Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes!"

Einst, nach dem Sündenfall, wurde über die Frau der Fluch ausgesprochen, der sich nicht nur auf die Geburtswehen, sondern auch auf Krankheit, Leid und Tod mit der ihm nachfolgenden Auslösung des Leibes in Staub und Asche erstrecken sollte; Maria aber als die Gebendeite unter den Frauen, gebenedeit in einzigartiger Weise, ganz und gar, durch und durch, hat mit diesem Fluch nichts zu tun, weil sie der Erbsünde und ihren Folgen entzogen blieb; Mariens Benedeiung über alle Frauen hinaus steht zudem auf gleicher Stufe mit der Benedeiung der Frucht ihres Leibes: "Du bist gebendeit unter den Frauen UND gebenedeit ist die Frucht deines Leibes Jesus!" Der gebendeite Sohn Mariens überwand siegreich den Tod in seiner glorreichen Auferstehung und Himmelfahrt. Darf dann nicht ähnliches auch von Maria angenommen werden? Die Kirche bejaht jedenfalls diese Frage: Maria ist durch Christus und in seiner Kraft auf Grund der innigsten Verbindung mit Ihm gebenedeit in ihrem makellosen Anfang und auch im verklärten Ende ihres Erdenlebens. Und wenn im Wort Gottes, nach dem Sündenfall, zur teuflischen Schlange gesprochen:"Feindschaft will ich setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen" unter dem Samen der Frau der über den Teufel den Sieg davontragende Messias Jesus Christus, unter der Frau aber - wenigstens schattenhaft angedeutet - Maria zu verstehen ist, darf dann nicht mit vollem Recht gefolgert werden, dass Maria wie am Kampf Christi gegen den Teufel, so auch am Sieg Christi über den Teufel, sein Werk (die Sünde) und deren Folgen (Tod und Verwesung), innigsten Anteil hatte?

Der 3. Grund, warum bei Maria auch dem Leibe nach die Verklärung und Verherrlichung vorausgenommen wurde, ist sicher darin zu sehen, dass Maria in ihrer jungfräulichen Gottesmutterschaft wahrhaftig zur Bundeslade des Neuen Bundes geworden ist: "Selig der Leib, der dich getragen", so rief jene schlichte Frau aus dem Volke aus, als ob sie geahnt hätte, dass jener Leib, der neun Monate lang das fleichgewordene ewige Wort Gottes in sich barg, jenes Gefäß der Auserwählung, das kostbarer war als die kostbarste Monstranz, jene Bundeslade, die in voller Wirklichkeit das Allerheiligste in sich trug, nicht der Verwesung anheimfallen, sondern unversehrt und unverwest in den Tempel Gottes, in den Himmel versetzt würde. So dürfen wir darum jene Stelle in der Offb 11,19 deuten, wo es heißt: "Aufgetan ward der Tempel Gottes im Himmel, und seine Bundeslade ward in seinem Tempel gesehen!" Die Bundeslade im ewigen Tempel Gottes im Himmel ist der unversehrt, unverwest dorthin aufgenommene Leib Mariens!

Aufgenommen ward Maria in den Himmel. Und das ist nicht Ausnahme, sondern nur Vorausnahme, damit wir es nie vergessen, zu welcher Größe und Herrlichkeit auch wir berufen und bestimmt worden sind, nicht bloß der Seele, sonder auch dem Leibe nach! Welche Würde kommt also nicht bloß der menschlichen Seele, sondern auch dem menschlichen Leib zu, der heute in dieser Zeit von Porno- und Sexwelle oft so gemein geschändet wird!

Maria, die in den Himmel aufgenommene jungfräuliche Gottesmutter, ist DAS große Zeichen am Himmel, die Frau mit der Sonne umkleidet...

Als 1940 in Rumänien König Carol II. abgesetzt wurde und sein Sohn Michael den Königsthron bestieg, da war es etwas vom Ersten, was dieser junge König tat, dass er seine vom lasterhaften König Carol verstoßene Mutter aus der Verbannung, in der sie seit Jahren leben musste, zurückrief. In feierlichem Triumphzug wurde die Mutter des jungen Königs aus der Verbannung nach Rumänien zurückgeholt. Und dann erließ der König ein Gesetz, in welchem er erklärte, dass seiner Mutter der Ehrentitel "Königinmutter" zustehe.

Seht, Brüder und Schwestern im Herrn, ein ähnliches, aber viel erhabeneres und schöneres Ereignis bildet das Festgeheimnis der Aufnahme: Auch hier hat ein König, und zwar der König der Könige Jesus Christus seine innigst geliebte Mutter, die gnadenvolle und gebenedeite unter den Frauen, aus der Verbannung dieses Tränentales heimgerufen in sein himmlisches Reich. In einem Triumphzug sondergleichen wurde dabei Maria auch dem Leibe nach in den Himmel aufgenommen und von den Scharen der Engel vor den Thron ihres göttlichen Sohnes geleitet. Und dort wurde Maria dann zur ''Königinmutter" erklärt und feierlich als solche proklamiert und zur Königin der Engel, zur Königin aller Heiligen, zur Königin des Himmels und der Erde gekrönt. Da hat sich die Sohnesliebe des göttlichen Heilands zu seiner jungfräulichen Mutter am schönsten gezeigt und da hat Mariens Mutterliebe zu ihrem göttlichen Sohn den herrlichsten Lohn empfangen. Mariens Heimgang, Mariens Aufnahme in den Himmel, Mariens Krönung, das ist das dreifache Geheimnis des heutigen frohen Festes.

Heute und immer wieder wollen wir aufschauen zu ihr, wollen sie anrufen um ihre Hilfe, damit auch wir das letzte Ziel erreichen und nicht verfehlen und wollen glauben und vertrauen, glauben an die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben, das jenseits der Todeslinie für einen jeden von uns einmal beginnen soll, wenn wir uns betend, opfernd, liebend abgemüht und bewährt haben als Söhne und Töchter des himmlischen Vaters, als Brüder und Schwestern Jesu Christi, als Kinder unserer himmlischen Mutter und Königin! Amen.