„Selig der Leib, der dich getragen!“

Maria Himmelfahrt 1976

Als der 1976 so plötzlich verstorbene Münchner Erzbischof Kardinal Julius Döpfner wenige Wochen vor seinem Heimgang am 12. Juni im Bayerischen Radio über seine "fränkischen Jahre" als Bischof von Würzburg ganz persönliche Erinnerungen von sich gab, rühmte er, der sonst so nüchtern und ungemein zeitaufgeschlossen denkende Bischof seine fränkische Heimat als "Marienland mit seinen vielen kleinen und größeren Marienwallfahrtsorten und Marienbildern, die sich gerade dort so häufig an den Wänden der Häuser und in der Landschaft finden" (DT 13.7.1976, S.8)

Wie das Frankenland und das Bayernland insgesamt, so ist auch Salzburg und ganz Österreich ein Marienland seit seiner Christianisierung und soll es auch bleiben unter dem Schutz der "Magna Mater Austriae" und unter dem Schutz der Gnadenmutter von Altötting, das einst zu Salzburg gehörte.

Dorthin wanderten in den letzten Wochen und Tagen immer wieder unsere Gedanken, weil dort der große Marienverehrer Alterzbischof Andreas sterbenskrank darniederlag...

In jenem Radiovortrag über seine "fränkischen Jahre" hat Kardinal J. Döpfner, der trotz der vielen Arbeit ein täglicher Rosenkranzbeter war, u.a. auch erwähnt: "Wie oft habe ich doch in Predigten und Hirtenbriefen den Gedanken einer marianischen Prägung christlichen Lebens variiert."

Was da Kardinal Döpfner von sich gesagt hat, das müsste eigentlich so von jedem katholischen Bischof und Priester gelten, dass er nicht von Christus reden und predigen kann, ohne immer wieder auch auf die Mutter Christi zu sprechen zu kommen, weil sich schon nach dem Zeugnis der Hl. Schrift der Sohn und die Mutter nicht voneinander trennen lassen. Heißt es doch von den Weisen aus dem Morgenland, dass "sie das Kind mit Maria, seiner Mutter, sahen und niederfielen und huldigten“ (Mt 2,11).

Dem hl. Joseph aber wurde wegen der Gefahr, die vonseiten des grausamen Königs Herodes drohte, der Auftrag gegeben: "Nimm das Kind und seine Mutter"(Mt 2,13).

Auch im Lobpreis und in der Verherrlichung gehören der Sohn und seine Mutter eng zusammen. Das zeigt sich so eindrucksvoll schön in jener Szene, die uns der Evangelist Lukas im 11. Kapitel seines Evangeliums aufgezeichnet hat: Aufgeklärte, für den Glauben an das Wort Gottes unzugängliche Menschen hatten dem Herrn Jesus Christus nach Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen, die er vor ihren Augen gewirkt hatte und deren Tatsächlichkeit sie nicht bestreiten konnten, den sinnlosen, zu tiefst beleidigenden Vorwurf ins Gesicht geschleudert, Er stehe mit der Hölle, mit dem obersten der Teufel, mit Beelzebul im Bunde. Da war es eine schlichte, einfache Frau aus dem Volke, die sich über diese gemeine Lästerung des Gottmenschen empörte und mit lauter Stimme - gleichsam zur spontanen Wiedergutmachung der Christus zugefügten Beleidigung - Ihm zurief: „Selig der Leib, der Dich getragen und die Brust, die Dich gestillt hat!“ Mit echt fraulichem Empfinden richtete diese Frau ihren Segensgruß an die Heilandsmutter, nicht unmittelbar an die Person des Heilands.

Die Antwort Jesu auf die Seligpreisung seiner Mutter lautete: "Ja, selig, die das Wort Gottes hören und es befolgen!“

Manche wollten aus dieser Antwort eine Ablehnung der Marienverehrung herauslesen, als ob der Herr der Frau aus dem Volk und allen übrigen Menschen sagen wollte: "Ihr dürft meine Mutter nicht seligpreisen und verehren!" Nein, so war die Antwort Jesu sicher nicht gemeint. Seine Antwort war sicher nicht negativ, sondern ganz positiv, nur wollte Er, daß Mariens Größe nicht einseitig im Biologischen ihrer Mutterschaft gesehen werden sollte, sondern darüber hinaus im seelischen Bereich. Mit Recht hat ein sehr guter Kenner der Hl. Schrift, der verstorbene Münchener Erzbischof Kardinal Michael Faulhaber, einmal bemerkt, mit seiner Antwort wollte Jesus den Menschen sagen:"Ihr habt einen doppelten Grund, meine Mutter seligzupreisen: erstens weil sie durch ihre jungfräuliche Mutterschaft in einzigartiger Weise mit Mir blutsverwandt ist, und zweitens weil sie mit Mir aber auch in einzigartiger Weise seelenverwandt ist, denn sie hört aufgeschlossener als alle anderen Menschen auf das Wort Gottes und befolgt es auch! Derjenige gelangt nämlich wirklich zur Seligkeit, der das Wort Gottes hört, in gläubigem Herzen bewahrt und es auch befolgt und danach lebt. Das aber hat meine jungfräuliche Mutter Maria bisher schon in vorbildlicher Weise getan. Macht es ihr nach!“

In der letzten Konsequenz ist die Antwort, die Jesus damals auf die auf die Seligpreisung seiner Mutter durch die Frau aus dem Volk gegeben hat, eine Bestätigung dessen, was wir am heutigen Tag als Festgeheimnis freudig feiern und als definiertes Dogma im Glauben festhalten wollen: dass nämlich Maria sowohl wegen ihrer geheimnisvollen Blutsverwandtschaft mit Jesus Christus als auch wegen ihrer noch größeren Seelenverwandtschaft mit Ihm bereits mit Leib und Seele zur Seligkeit gelangt ist und darum mit Recht seliggepriesen werden kann und darf. "Selig der Leib Mariens, der den menschgewordenen Sohn, Gottes in sich getragen und geboren, und die Brust Mariens, die den Heiland der Welt ernährt hat. Selig aber noch mehr die Seele Mariens, die durch das Hören des Wortes Gottes und durch dessen Befolgung zu vollendeter Heiligkeit herangereift ist!“

Durch aufgeschlossenes, gläubiges Hören auf das Wort Gottes und durch opferbereites, allzeit gehorsames Befolgen des Wortes Gottes in frohen, aber auch in schweren Stunden, in ehrenvollen, aber auch in leidvollen Aufgaben ist Maria heilig geworden und zur Seligkeit gelangt, die nicht bloß ihrer makellos reinen Seele, sondern auch schon ihrem jungfräulichen Leib zuteil geworden ist. Hören auf das Wort Gottes und es befolgen, was ist das anderes als Gehorsam gegen Gottes Wort und Gebot. Darin ist uns Maria in jeder Hinsicht Vorbild. Das hat ihr göttlicher Sohn vor allem an seiner Mutter gerühmt. Das hat auch die Verwandte Mariens, Elisabeth, vom, Hl. Geist erleuchtet, an ihr gepriesen: "Selig, die du geglaubt hast, dass in Erfüllung gehen wird, was dir vom Herrn gesagt worden ist!" (Lk 1,45) Das ist es auch, was das II. Vat. Konzil mit Recht an Maria ganz besonders herausgestellt hat, dass nämlich Mariä gerade durch ihren Glauben an Gottes Wort und Verheißungen zum "überragenden und einzigartigen Glied der Kirche" geworden ist.

Gerade in ihrem unerschütterlichen Glauben an das Wort Gottes und im Befolgen desselben, auch dort, wo man seine Weisungen nicht einsieht und begreift, müssten wir Maria nachahmen und gerade darin müsste die Zeitgemäßheit echter Marienverehrung aufleuchten. Gerade darum heißt es in der Kirchenkonstitution "Lummen Gentium" des II. Vaticanum (Art. 67): "Die Gläubigen sollen eingedenk sein, dass die wahre Marienverehrung weder in unfruchtbaren und vorübergebenden Gefühlen noch in irgendwelcher Leichtgläubigkeit besteht; sondern in der Nachahmung der Tugenden Mariens, vor allem ihres Glaubens. Einer von den vielen Märtyrern, die unter der grausamen Königin Elisabeth in England des katholischen Glaubens wegen hingerichtet wurden, befand such auch der Laie John Post aus Pereth in der Grafschaft Cumberland. Dieser war ein großer Verehrer der Gottesmutter. Das bewies er noch unmittelbar vor seinem Blutzeugentod. Denn als er zum Galgen geführt wurde, kniete er auf der untersten Stufe nieder und betete laut: "Der Engel des Herrn..." Dann folgte ein Ave Maria. Hierauf stieg er auf die zweite Stufe hinauf zum Galgen, kniete nieder und betete: "Maria sprach..." Und wieder folgte ein andächtiges Ave Maria. Endlich betrat er die dritte und letzte Stufe, die zum Galgen hinaufführte. Wieder kniete er nieder und betete: "Und das Wort ist Fleisch geworden..." Nun folgte das dritte und letzte Ave Maria in seinem Leben. Denn gleich darauf überließ er sich dem Scharfrichter und erlitt den Märtyrertod. - Wir alle, Brüder und Schwestern im Herrn, sind seit dem Sündenfall der Stammeltern zum Tod verurteilt, wir alle müssen sterben. Nur zwei, die freigeblieben sind von der Erbschuld, Christus und Maria, mussten nicht sterben, sondern starben freiwillig im Dienst der Erlösung. Wir alle aber müssen sterben. Jeden Tag kommen wir dem Tod näher, gewissermaßen morgens, mittags und abends um je eine Stufe. Machen wir es jenem englischen Märtyrer nach und beten wir morgens, mittags und abends den Gruß an Maria im “Engel des Herrn”. Wie Mariens Lebensende ein seliger Heimgang war hinein in die himmlische Herrlichkeit mit Seele und Leib, so wird sie auch uns dann, wenn wir sie true auf Erden verehrt und ihr Beispiel gläubig nachgeahmt haben, helfen, dass auch unser Sterben einmal zum Heimgang und Eingang in die himmlische Herrlichkeit wird. “Gegrüßet seist du, Maria … Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.”