Magnificat

8. Dez. 1973

 

Gerne singen wir jetzt im Advent wieder unsere schšnen alten Advent- und Marienlieder. Ein Marienlied, das im 1. Advent entstanden ist und nicht nur Ÿber Maria handelt, sondern auch von Maria stammt, dingt die Kirche tŠglich in der Vesper des Stundengebetes: das Magnificat! Wir wollen es heute am Hochfest der unbefleckten EmpfŠngnis Mariens einmal in seiner Bedeutung und AktualitŠt Ÿberdenken; die drei Strophen dieses einmalig schšnen Liedes handeln vom demŸtigen Einblick Mariens in das Gnadenleben der eigenen Seele (in der 1. Strophe), vom vertrauensvollen Aufblick zu Gott, der alle menschliche Auflehnung gegen sein Gebot zu brechen vermag (in der 2. Strophe) und vom dankbaren RŸckblick auf die Geschichte des auserwŠhlten Volkes im Všlkeradvent (in der 3. Strophe).

Nach der VerkŸndigung durch den Engel Gabriel, an dessen wahrer, personaler Existenz wir glŠubig festhalten wollen und nach dem geheimnisvollen Geschehen im jungfrŠulichen Scho§ Mariens hat sich die werdende Mutter in ihrem Advent auf den Weg gemacht zu ihrer betagten Verwandten Elisabeth.

Bei der Begegnung der beiden wunderbar gesegneten Frauen, da die eine die Grš§e der anderen vom Hl. Geist erleuchtet erkannte, brach Maria in den Jubelgesang des Magnificat aus:

ãMagnificat... Hochpreiset meine Seele die Grš§e des Herrn und mein Geist jubelt Ÿber Gott, meinen Retter; denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er herabgeschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der MŠchtige hat Gro§es an mir getan,  und sein Name ist heilig. ER erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht Ÿber alle, die ihn fŸrchten.Ò

So lautet die 1. Strophe dieses einmalig schšnen Liedes Mariens. Es geht dabei um den demŸtigen Einblick Mariens in das Gnadenleben der eigenen Seele. Und was konstatiert sie bei diesem Einblick? Maria erkennt die GŸte Gottes in ihrer persšnlichen Lebensgeschichte: Gott hat herabgeschaut auf die Kleinheit und Niedrigkeit seiner Magd! Als bei der Begegnung der beiden gesegneten Frauen Elisabeth den Gru§ Mariens vernommen hatte, war Elisabeth vom Hl. Geist erleuchtet worden und hatte ausgerufen: ãWer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? ... Selig, die geglaubt hat, dass in ErfŸllung geht, was ihr vom Herrn gesagt wurde!Ò Maria aber lie§ den Lobpreis auf ihre Person nicht gelten, sie gab diesem Lobpreis gleichsam sofort eine neue Adresse: Nicht ich bin selig zu preisen, Gott ist dankbar hochzupreisen. ãHochpreiset meine Seele den Herrn! Das Magnificat ist kein Hymnus auf Maria, es ist ein Hymnus von Maria auf die GŸte und Allmacht und treue des Herrn, der auf seine kleine, niedrige Magd ganz ohne ihr Verdienst herabgeschaut hat mit einem Gnadenblick voll wunderbarer Wirkkraft: Gott schaut aus der Hšhe in die Tiefe der Seele Mariens schon im ersten Augenblick ihrer Existenz und bewahrte sie vor der Erbschuld rein und unbefleckt. Gott hat diese Seele vom ersten Augenblick an eingehŸllt in den Mantel seiner gšttlichen Gnade und Liebe in der unbefleckten EmpfŠngnis. Und als die FŸlle der Zeit am Ende des langen Všlkeradvents angebrochen war, warf Gott wieder einen Gnadenblick voll wunderbarer Wirkkraft auf seine kleine, niedrige, demŸtige Magd und wirkte in ihrem jungfrŠulichen Scho§ das Wunder der Menschwerdung des Sohnes Gottes! Wahrlich, wer diese Wunder in seiner gewaltigen, heilsgeschichtlichen Bedeutung und Grš§e recht bedenkt, der kann es Maria nur bestŠtigen: Gott hat herabgeschaut auf seine kleine, niedrige Magd und hat Gro§es, unsagbar Gro§es an ihr getan!

BrŸder und Schwestern im Herrn! Wiederholt sich dieses huldvolle Herabschauen Gottes auf seine kleine, niedrige Magd im rein natŸrlichen Bereich nicht immer wieder, wenn im Mutterscho§ einer Frau das ãWunderÒ des Werdens eines neuen Menschen vom Herrn des Lebens, vom Urheber des Lebens, gewirkt wird? Wer etwa bei Kundgebungen der ãAktion LebenÒ den Film Ÿber das Werden, wachsen und Reifen neuen menschlichen Lebens im Mutterscho§ gesehen hat, musst wohl unwillkŸrlich ehrfŸrchtig staunen Ÿber das, was da geschieht von der Kleinwinzigkeit des durch den mŠnnlichen Samen befruchteten weiblichen Eis bis hin zum voll entwickelten Kind, das sich schon im 3. Monat zu regen beginnt und dann im 7., 8., 9. Monat reif wird, um das Licht der Welt zu erblicken! ãWunderÒ der Menschwerdung, Ÿber das man nicht ehrfŸrchtig genug staunen kann! Wie schrecklich aber ist es, wenn in diesen wunderbaren Entwicklungsprozess eingegriffen wird durch willkŸrliche Tštung dieses neuen menschlichen Lebens in der Abtreibung! Wir werden darum mit allen gut gesinnten Menschen in …sterreich immer tief traurig darŸber sein, dass am Freitag, den 28. November 1974 der Nationalrat mit minimaler Mehrheit das Gesetz der Fristenlšsung, also der straffreien Tštung eines ungeborenen Kindes in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft beschlossen hat. Mit Recht hat man diesen Freitag einen ãschwarzen TagÒ genannt, an welchem es eigentlich aus naturrechtlichen und religišsen GrŸnden angebracht gewesen wŠre, an allen unseren šffentlichen GebŠuden und Kirchen Trauerbeflaggung anzubringen. Gott schaut im Wunder der ãMenschwerdungÒ und im ãWunderÒ des Werdens eines neuen Menschen auf die niedrige Magd, die er zur Mutterschaft berufen hat, herab. Eine Mutter aber, die an sich die Abtreibung vornehmen lŠsst, bekennt nicht wie Maria: ãGott hat gro§es an mir getan!Ò sie ma§t sich vielmehr zusammen mit dem Gesetzgeber das Recht an, dem Herrn des Lebens, dem Urheber des Lebens, in die Arme zu fallen!

Ob wir uns da heute nicht mit besonderer AktualitŠt an das erinnern sollten, was Maria in der 2. Strophe ihres Magnificat singt?

Diese 2. Strophe lautet: ãGott vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten. Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind! Er stŸrzt die MŠchtigen vom Throne und erhšht die Niedrigen! Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lŠsst die Reichen leer ausgehen!Ò

Aus dem demŸtigen Einblick Mariens in das Gnadenleben ihrer eigenen Seele und in das gro§e, das Gott an ihr und in ihr trotz ihrer Kleinheit und Niedrigkeit gewirkt hat, geht Maria nun Ÿber zu einem vertrauensvollen Aufblick zu Gott, der machtvoll in der Weltgeschichte waltet und die ŸbermŸtigen Scheingrš§en unter den MŠchtigen der Erde von ihrem Thron zu stŸrzen vermag! Es sind – wie Kardinal M. Faulhaber einmal gesagt hat – ãvor allem drei irdische Gro§mŠchte, die dem machtvollen wirken des gšttlichen Armes entgegenwirken: die hochfahrenden Geister einer gottfeindlichen Wissenschaft, die Machthaber einer gottlosen Politik und die Reichen eines gottverhassten Kapitalismus. Und dennoch, selbst im Dreibund miteinander wŸrden Geistesmacht, politische Macht und Geldmacht gegenŸber der Allmacht Gottes letztlich doch nicht aufkommen.Ò Gott ãzerstreut, die im Herzen voll Hochmut sindÒ, er wirft in den Staub die hochfahrenden Geister der Auflehnung gegen seinen Schšpfungsplan und gegen sein Gesetz! Gott stŸrzt die in Auflehnung gegen sein Gesetz regieren, vom Throne! Gott lŠsst die ŸbermŸtigen, selbstsŸchtigen, egoistischen Reichen, die die BrŸder in Not hungern und verhungern lassen, zuletzt leer ausgehen!

Was Maria in den prophetischen Worten des Magnificat vorausgesagt hat, das hat doch unserer Generation wie keine andere schon mehrmals in furchtbarer Weise erlebt: wir sahen Throne stŸrzen, die fŸr tausend Jahre aufgerichtet worden waren. Wir werden noch andere, Šhnliche Beweise der gšttlichen Macht gegen alles RŠnkespiel ŸbermŸtiger Menschen erlegen, ganz sicher!

Schauen wir jetzt noch kurz zur 3. und letzten Strophe im Magnificat Mariens: hier geht es jetzt noch um einen dankbaren RŸckblick auf die Geschichte des auserwŠhlten Volkes. Maria besingt hier Gottes treue in der FŸhrung des Volkes Israel aus dem Alten in den Neuen Bund  hinein: ãGott hat sich Israels, seines Knechtes, angenommen, eingedenk seines Erbarmens, das er unseren VŠtern verhei§en hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig!Ò

Die Geschichte des Volkes Israel, das die Offenbarung Gottes hŸten und dem verhei§enen Messias im Všlkeradvent die Wege bereiten sollte, ist umsŠumt mit DenkmŠlern gšttlicher Treue und Barmherzigkeit! Dem Patriarchen Abraham hat Gott die Verhei§ung gegeben, dass in einem seiner Nachkommen die Všlker der Erde gesegnet werden wŸrden. Isaak gegenŸber wurde diese Verhei§ung bestŠtigt und dann geht die Verhei§ung des Messias von den Patriarchen auf die spŠteren Geschlechter und Generationen weiter. Und trotz der Untreue Israels bleibt Gott seinen Verhei§ungen treu und die Propheten Jesajas, Jeremias, MichŠas kŸndigen es immer deutlicher an: die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebŠren und Bethlehem wird die Geburtsstadt des verhei§enen Messias sein. Alle Versuche der Menschen aber, alle AnschlŠge der Hšlle gegen den Erlšsungsplan Gottes konnten die Treue Gottes nicht erschŸttern. Es kam dann in der FŸlle der Zeit die Stunde, in der die Verhei§ung der VŠter- und Prophetenzeit eingelšst wurde, da der Engel des Herrn Maria die Botschaft brachte und sie empfing vom Hl. Geist!

Gott ist treu! Er zeigte es in der Heilsgeschichte und zeigt es auch in der Kirchengeschichte. Er wird sein Volk nicht verlassen, auch jetzt nicht in dieser Zeit der Krise und Verwirrung. ãSeht, ich bin bei euch alle Tage...Ò. Wir vertrauen darauf. Und vertrauen auf die FŸrsprache Mariens, der ãSiegerin in allen Schlachten GottesÒ, die zusammen mit ihrem gšttlichen Sohn der hšllischen Schlange den Kopf zertreten hat!

Was Maria schon in ihrem Magnificat angekŸndigt und in Fatima verhei§en hat: ãAm Ende wird ihr unbeflecktes Herz triumphierenÒ und ihr gšttlicher Sohn, ãcuius regni non erit finisÒ, wir glauben daran und vertrauen darauf. Amen