Das Marienbild der Kirche

Predigtzyklus in der Kollegienkirche, Salzburg, 19.-22.Mai 1946

 

1. Maria als Gegenstand des Glaubens

2. Mariens Unbefleckte EmpfŠngnis

3. Mariens GnadenfŸlle.

4. Mariens Gottesmutterschaft.

 

3. Predigt: Mariens GnadenfŸlle, 21.5.1946

 

Katholische Jugend, katholische Frauen und MŠnner!

Mit dem Glaubenssatz von der Unbefleckten EmpfŠngnis Mariens bekommt das Bild, das uns die Kirche von der Schšnsten der Frauen entwirft, seine besondere Leuchtkraft. Mit der Unbefleckten EmpfŠngnis hat der gro§e Meister Gott auf dem Goldgrund seiner Offenbarung aber erst nur das Kšnigskleid Mariens in blendend wei§er, strahlender Farbe entworfen. Die Schšnheit jener aber, die in diesem makellos wei§en Kleide steckt, ist noch viel grš§er. Sie lŠsst sich zusammenfassen in dem Begriff, den die Kirche zu dem der Unbefleckten EmpfŠngnis Mariens hinzufŸgt:

Mariens GnadenfŸlle!

ãTota pulchra es Maria... Ganz schšn bist du Maria! Von diesem Geschšpf Gottes strahlt so berŸckende Schšnheit aus, dass Er selbst, der Meister dieses Kunstwerkes, in Verwunderung ausbrach und seinem Boten den Auftrag gab, Maria zu grŸ§en mit dem Gru§e, der niemals noch auf Erden erklungen war: Sei gegrŸ§t, du Gnadenvolle, der Herr ist mit dir!

Das EntzŸcken Gottes selber klang aus diesem Gru§ heraus: gratia plena, Gnadenvolle!

Was muss doch wohl in dieser GnadenfŸlle Mariens liegen, wenn Gott voll Bewunderung darŸber war?

Wenn Gnade hier vor allem den Liebreiz bedeutet, den Gott Ÿber ein Geschšpf ergie§t und durch den sich dann Gott zu diesem Geschšpf hingezogen fŸhlt, so ist in dieser GnadenfŸlle Mariens zuerst einmal ganz allgemein jene unbeschreibliche Schšnheit gemeint, die ihr eigen war.

Und sicher fehlte dabei auch die Šu§ere, kšrperliche Schšnheit und Harmonie der rein natŸrlichen Anlagen und Gaben nicht.

Es wird erzŠhlt, dass einst die Mutter Karls VIII., des schšnen von Frankreich beim Betrachten der harmonisch edlen, mŠnnlichen Gestalt ihres kšniglichen Sohnes ausgerufen habe: wie wunderbar schšn bist du doch, mein Kind! – Karl VIII. aber habe darauf kurz entgegnet: Mutter, dein Ebenbild bin ich doch! – Seht, GlŠubige, wie oft mag Maria, wenn sie sich in die Schšnheit des menschgewordenen Gottessohnes, der ihr Sohn geworden war, vertiefte, mit dem Psalmisten ausgerufen haben: O schšnstes von allen Menschenkindern! – Und der Heiland konnte darauf erwidern: Mutter, dein Abbild und Ebenbild bin ich doch!

Wie aber mag erst die innere Schšnheit, die Schšnheit ihrer makellos reinen Seele gewesen sein, wenn der hl. Geist selbst im Hohenlied (4,1) bewundernd ausruft: "O wie schšn bist du meine Freundin, ganz abgesehen davon, was erst in Deinem Innern an Schšnheit sich verbirgt!" Im Innern, im Seeleninnern der Gottesmutter mag wirklich ein ganzer Himmel von Schšnheit verborgen gewesen sein.

Von einem gro§en italienischen Meister der Renaissance-Zeit wird berichtet, dass er einst von einem hohen KirchenfŸrsten den Auftrag bekam, in einer Kirche Roms im DeckengemŠlde die Herrlichkeit des Himmels darzustellen. Der KŸnstler Ÿberlegte lange, wie er diese schwere Aufgabe lšsen kšnne. Aber es kam ihm kein rettender Gedanke. Er wartete und Ÿberlegte weiter. Als aber der KirchenfŸrst immer wieder drŠngte und ungeduldig wurde, da half sich der KŸnstler auf folgende Weise aus seiner Verlegenheit: Er malte den Šu§eren Himmel, das Firmament mit zahllosen hellglŠnzenden Sternen besetzt und von Sonne und Mond erleuchtet. Und dann fŸgte er in Goldbuchstaben die Umschrift darunter: Pulchriora latent! Das Schšnere steckt dahinter.

So Šhnlich geht es uns beim Marienbild der Kirche, wenn wir von Marie. innerer Schšnheit und GnadenfŸlle sprechen sollen:

Himmelsschšnheit ist blo§ ihr Šu§eres Geschmeide, die Sonne ist ihr golddurchwirkter Lichtmantel, wie der Seher von Patmos in der Geh. Off (12,1) berichtet, der Mond ihr Fu§schemel, die Steine sind die Edelsteine in ihrer Krone. Aber "pulchriora latent", das Schšnste ist in ihrem Seeleninnern verborgen. Ein Lichtglanz strahlt von ihrem unbefleckten Herzen aus, unbeschreiblich herrlich: Es ist die LichtfŸlle der heiligmachenden Gnade, die sie vom ersten Augenblick ihrer EmpfŠngnis an besa§. Und zu dieser heiligmachenden Gnade vom ersten Augenblick ihres Lebens an kamen dann Gnaden Ÿber Gnaden, bis sie die Gnadenvolle geworden war.

Gott gab ihr Gnade Ÿber Gnade und hatte dabei immer die Gewissheit: Bei diesem Menschenkind geht keine meiner Gnaden verloren! Sie wirkt mit jeder Gnade auch mit, um Mir immer nŠher zu kommen, um Mir immer Šhnlicher zu werden.Ò

Es fehlt uns oberflŠchlichen, so materialistisch eingestellten Menschen leider allzu sehr das VerstŠndnis fŸr die Gnade Ÿberhaupt, um diese Seelenschšnheit Mariens recht zu begreifen und zu verstehen. Aber wenigsten ahnen sollten wir es kšnnen und staunend zur Kenntnis nehmen, was Gro§es darin doch liegen muss, dass der ewige Gott selber vor diesem Ge= schšpf in Verwunderung gerŠt. Er sieht, wie er sich in diesem Meisterwerk seiner Schšpfung gleichsam selber Ÿbertroffen hat: Gnadenvoll!

Und in dieser GnadenfŸlle und im Mitwirken Mariens mit jeder Gnade liegt Ÿberdies noch ihre SŸndelosigkeit mit eingeschlossen, sodass sie, die Immaculata, die vom ersten Augenblick ihres Daseins an von der ErbsŸnde freigeblieben war, zeitlebens auch freiblieb von jeder persšnlichen SŸnde, auch von der kleinsten, lŠsslichen. Niemals hat sich auch nur ein StŠubchen auf das makellos reine, strahlend wei§e Kleid ihrer AuserwŠhlung und Gottesfreundschaft gelegt: Der Strom von SŸndenschmutz, der sich durch die Menschheit wŠlzt, reichte niemals an sie heran: "hinter ihr in wesenloses Scheine lag, was uns alle bŠndigt, das Gemeine!"(Goethe). Was diese SŸndelosigkeit Mariens wieder an Hellem und Lichtem und Schšnem an ihrem Bild bedeutet, wie wenig begreifen das jene Menschen, denen der Begriff SŸnde vielfach so fremdgeworden ist, dass sie von ihrer HŠsslichkeit und Gemeinheit scheinbar nichts mehr wissen, sodass viele Menschen die SŸnde, auch die gemeinsten und schwersten, skrupellos in sich hineintrinken und dann in Ÿberheblichem Stolz verkŸnden: Es gibt nur eine SŸnde, das Leben nicht zu genie§en. Und wie nichtssagend sind auch vielen guten Menschen die lŠsslichen SŸnden geworden:

Ach ja, das ist eben nur eine lŠssliche SŸnde, ohne die geht es eben nicht ab im Menschenleben, so sagt man. Und doch, wie viel Undank und Gemeinheit liegt auch schon in der kleinsten, freiwillig und bewusst  begangenen lŠsslichen SŸnde, wenn man Gottes GŸte und Grš§e bedenkt, der dadurch beleidigt wird. Und auch die kleinste freiwillige SŸnde raubt doch der Seele immer wieder etwas von ihrer Schšnheit: Mit jeder SŸnde legt sich Reif auf die Seele und sie verliert etwas von jenem Reiz, den sie im Stand der heiligmachenden Gnade auf Gott auszuŸben vermochte. Und nun in Maria.: SŸndelosigkeit! GŠnzliche SŸndelosigkeit: Niemals fiel auch nur der Schatten einer SŸnde auf ihr unbeflecktes Herz, nicht die ErbsŸnde, aber auch keine persšnliche SŸnde, niemals Undank gegen Gott, niemals Gemeines und Niedriges. In ihr blieb alles immer edel, schšn und gro§!

So liegt gerade auch durch die SŸndelosigkeit eine lichtvolle Klarheit und strahlende Schšnheit von so eigener Art auf Mariens Seele, dass sie wirklich die Bewunderung Gottes auf sich zog.

Und doch ist diese SŸndelosigkeit erst das Negative im Kranz der Schšnheit Mariens. Die SŸndelosigkeit macht Mariens ganze Schšnheit und GnadenfŸlle noch nicht aus. Denn die FŸlle der Gnaden die ihr zuteilwurde, wurde in ihr durch ihr treues Mitwirken mit der Gnade auch zu einer FŸlle von Tugenden, die in ihr heranreiften, bis dieses Meisterwerk Gottes am Ende des Lebens, beim Heimgang Mariens, vollendet war.

Es wŸrde viel zu weit fŸhren, Mariens Tugenden der Reihe nach aufzuzŠhlen und zu beschreiben.

Nur auf die wichtigsten aus diesem Tugendkranz sei kurz noch hingewiesen: Mariens Demut: Trotz ihrer Schšnheit u. GnadenfŸlle anerkennt sie immer die unendlich grš§ere Schšnheit des ewigen Gottes und gibt zu, wie sie aus sich selber doch wieder nichts ist, sondern alles nur von ihm geschenkt bekommen hat. Und in dieser Demut sieht Maria ihre beglŸckendste Lebensaufgabe nur darin, dem ewigen Gott zu dienen als seine geringste Magd. – Und zu dieser Demut gesellt sich in unzertrennlicher Verbundenheit die Liebe, die Gottes- und die NŠchstenliebe in einem Ausma§, das nur bei derjenigen mšglich war, die der menschgewordene Sohn Gottes Mutter nennen wollte.-Und zur Liebe kam Fršmmigkeit, im schšnsten und tiefsten Sinn des Wortes, in der sie sich gebunden wusste an Gottes hl. Willen in frohen und in schweren Stunden, im Jubel des Magnificat Ÿber das GlŸck heiligster Mutterschaft und in der furchtbaren Stunde des ãStabat MaterÒ da sie dem gekreuzigten Sohn in die brechenden Augen schaute und dann mit seinem Leichnam auf dem Scho§ zum blutigen Karfreitag das Abendgebet letzter Opferbereitschaft und Hingabe sprach.

Keine der Tugenden fehlt im Kranze, der sich um die Stirne derer windet, die wir mit Recht "Kšnigin aller Heiligen" nennen.

So also sieht Mariens GnadenfŸlle aus!  Ach, ich wei§, wie armselig mein Gestammel ist; es fehlen eben die Worte, um begreiflich zu machen, was der Gottesbote in den einen Titel hineinlegen wollte: Gratia plena! Und es fehlen die Worte, um das zu schildern, was Maria selbst zum Ausdruck bringen wollte, als sie aus Ÿbervollem Herzen in die Welt hinausjubelte: "Gro§es hat an mir getan, der da mŠchtig und dessen Name heilig ist!" Sie, die demŸtige Magd des Herrn, muss damals, als sie Ÿber das Gebirge zu ihrer Verwandten  Elisabeth eilte, beim Anblick der herrlichen FrŸhlingspracht gespŸrt haben, wie unbeschreiblich grš§er die Pracht und Schšnheit ihres Seelenreichtums ist, wenn sie die Allmacht und Heiligkeit Gottes zu Zeugen anrief fŸr das Gro§e, das er an ihr getan! -Der hl. Germanus von Konstantinopel ruft da Maria staunend zu: "Alles an dir, o GottesgebŠrerin, ist wunderbar, alles Ÿberragt das Gewšhnliche, alles Ÿbersteigt unsere Fassungskraft!"

Aber darf man Ÿberhaupt so Gro§es sagen von einem Geschšpf - und Maria ist doch auch nur Geschšpf, ist doch auch nur Mensch wie wir? Darf man so Gro§es, so Herrliches von ihr behaupten?

Zweifel mšchten sich regen, wenn uns die Kirche so von der GnadenfŸlle Mariens sprechen lŠsst. Und Unwille regt sich bei manchen, die meinen, das alles sei ma§lose †bertreibung u. SchmŠlerung der Ehre Gottes und Vergštzung eines Geschšpfes. Sie meinen, wer Maria so hoch erhebt raube Gott die Ehre und stelle ihn in den Schatten. Das Morgenrot strahlt ihnen zu hell und sie fŸrchten, es werde dadurch die Sonne verdunkelt.

Aber nein, liebe GlŠubige, das Morgenrot verdunkelt die Sonne nicht. Das Morgenrot kŸndet, je schšner es ist, von der umso strahlenderen Schšnheit der Sonne!

Und wer ein Kunstwerk lobt, der lobt ja damit auch den KŸnstler, der es erdacht und geschaffen.

Als Gott darin ging, den Menschen zu schaffen, ging er mit sich zu Rate: ãLasset, uns den Menschen machen nach unserem Ebenbild und Gleichnis!Ò Und dann schuf er den Menschen, dieses kŸhnste Wagnis Gottes, wie man ihn nannte, dieses Geschšpf, das die grš§ten Spannungen und GegensŠtzlichkeiten in seiner eigenen Brust trŠgt, das zwischen Tier und Gott steht und das in der Kšrperlichkeit eines Tieres Gšttliches in sich ausprŠgen sollte. Aber der erste Mensch trat in Revolte gegen Gott und verriet in der SŸnde Gott an das Tier. Und so missglŸckte das kŸhne Experiment Gottes. Und es missglŸckt immer wieder, so oft in jeder neuen SŸnde der Mensch Gott an das Niedrige und Gemeine verrŠt. Nur in einem Menschenkind missglŸckte das Experiment Gottes nicht: Da Ÿbertraf sich Gott gleichsam wirklich selber in seiner Meisterschaft: Maria, die Gnadenvolle im Glanze sŸndenloser Reinheit und leuchtender TugendfŸlle! Und dieses herrliche Meisterwerk Gottes wird zum schšnsten Lobpreis auf die Allmacht und Grš§e und Heiligkeit Gottes, der solches ersonnen und erschaffen.

Und wieder wollen wir auch heute nichts anderes tun als dies: Dankbar froh und glŠubig fest aufzuschauen zu diesem Marienbild der Kirche! Es ist wirklich eise Gnadenbild, zu dem wir immer wieder nur das eine hinauf rufen kšnnen:  Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte fŸr uns arme SŸnder: Gnadenvolle, du Schšnste von allen, du vermagst so viel am Throne der ewigen Schšnheit, wir empfehlen dir die schšnheitshungrigen Menschen, die sich statt dir anheimzustellen in Verehrung und Nachahmung der Gemeinheit und dem Laster in die Arme werfen! Wir empfehlen dir unsere Jugend, bei der Reinheit und Seelenadel so vielfach bedroht ist. Gib uns allen, Gnadenvolle, wieder mehr Sinn und einen tieferen Blick fŸr wahre Schšnheit, fŸr die Schšnheit einer im Glanze der heiligmachenden Gnade erstrahlenden Seele, damit wir uns in Ehren deine Kinder und BrŸder und Schwestern Jesu Christi nennen kšnnen:

 

"Immaculata, Himmelszier, o Herrin, reine gro§e,

Wir scharen uns um Dein Panier, das wei§e, makellose.

Dir sei des Lebens schšnste Zeit,

Der Jugend BlŸtenkranz geweiht.

O wolle ihn bewahren, in StŸrmen und Gefahren. Amen!Ò