Das Marienbild der Kirche

Predigtzyklus in der Kollegienkirche, Salzburg, 19.-22.Mai 1946

 

1. Maria als Gegenstand des Glaubens

2. Mariens Unbefleckte EmpfŠngnis

3. Mariens GnadenfŸlle.

4. Mariens Gottesmutterschaft.

 

  1. Maria als Gegenstand des Glaubens:

Katholische Jugend, Katholische Frauen und MŠnner!

De Maria numquam satis, Von Maria hšrt man nie genug! So hat der feurige Prediger der Kreuzzugszeit, der hl. Bernhard von Clairvaux gesagt. Und er soll auch in unserer Zeit wieder Recht behalten. Oder sind unsere Maiandachten nicht Beweis dafŸr?  Es ist doch wirklich eine gewaltige Maidemonstration, nicht blo§ am 1.Mai, sondern nun schon zum 19.Mal, wie sich Abend fŸr Abend die gro§e Kollegienkirche fŸllt: Und jeder der zahlreichen GlŠubigen ruft durch sein Kommen Abend fŸr Abend dem wechselnden Prediger auf der Kanzel zu: Ja, es soll stimmen: De Maria numquam satis, Von Maria hšren wir nie genug!

So soll es also auch in dieser neuen Woche gelten, liebe GlŠubige!

Wenn in der ersten Maiwoche Ÿber das Bild Mariens in Volk und Zeit und dann in der zweiten Woche Ÿber das Marienbild im Christen gesprochen wurde, so soll diese dritte Maiwoche dem Marienbild der Kirche und der Bibel gelten.

Liebe GlŠubige! Mir kam bei den verhangenen Maiandachten und Maipredigten, wŠhrend ich unten sa3 und lauschte und mitbetete u. mitsang, der Gedanke: Was wŸrden wohl jetzt UnglŠubige denken, wenn sie Abend fŸr Abend zu unserer Maiandacht hereinkŠmen? Und ich sah im Geiste einen solchen Vertreter des Unglaubens in unseren betenden und singenden Reihen: ãZuerst war ich hasserfŸllt und voll von verŠchtlichem, Ÿberlegenem Spott und schlecht verhaltenem €rger. Wie ich aber Abend fŸr Abend euer Sprechen Ÿber Maria und Beten und Singen zu ihr anhšrte und merken musste, wie ernst euch dabei war, schwand allmŠhlich meine Voreingenommenheit u. mein Vorurteil, und mein €rger wandelte sich in heimliches Wundern u. Staunen. Ich wunderte mich nur mehr, dass ihr Katholiken so froh, so begeistert, mit so viel Liebe und PietŠt und Hingabe von Maria redet. Zuletzt ging ich aus der Kirche mit dem Wort auf den Lippen: O diese Katholiken, TrŠumer sind sie. Und die Verse Heinrich Heines kamen mir in den Sinn: "Aus alten MŠrchen winkt es/Hervor mit wei§er Hand/, Da singt, es und da klingt es/ von einem Zauberland!" So sind die Katholiken: Wenn von Maria die Rede ist, singen sich die Katholiken in das MŠrchenland fraulicher UnberŸhrtheit und Reinheit hinein und sprechen immer wieder von jener wundersamen Kšnigin voll Hoheit und Schšnheit und Macht, von jener Mutter mit dem Herzen fŸr alle Not ....O diese Katholiken, o diese TrŠumer.

Hat dieser UnglŠubige wirklich Recht?

Ist es wirklich nur ein MŠrchenland, ein Zauberland, ein Traumland, wenn wir auf Maria, dieses Ideal menschlicher Reinheit und UnberŸhrtheit blicken und sie unserem sittlichen Ringen und Streben als leuchtendes Vorbild voransetzen?

Ist es wirklich nur ein frommer Wunsch, wenn wir beten und rufen und schreien zu dieser Mutter der Barmherzigkeit, die helfen kann in aller Not und helfen will?

Ist es wirklich nur ein verbohrter Gedanke und ein Fliehen aus der bitterernsten Wirklichkeit, wann wir sie als die Vermittlerin aller Gnaden und als die Kšnigin des Friedens bestŸrmen, dass sie der friedlosen Heimat, den friedlosen Seelen, der friedlosen Welt den Frieden vermittle?

Marienverehrung nur sentimentale TrŠumerei? Oder steckt dahinter nicht doch tiefste Wirklichkeit?

Da tritt jetzt die Kirche als die HŸterin des wahren Glaubens und der Offenbarung Gottes vor uns hin und entwirft uns ihr Bild von Maria:

Und dieses Marienbild der Kirche ist nicht das Bild der Dichter, die eine MŠrchenkšnigin ersinnen.

Und dieses Marienbild der Kirche ist auch nicht das Phantasiegebilde jener allzu Frommen, die nur mehr alle mšglichen und unmšglichen Privatoffenbarungen zu kennen scheinen.

Dieses Marienbild der Kirche ist zu allererst das auf dem Goldgrund unverfŠlschter Offenbarung Gottes gemalte PortrŠt jener geschichtlichen Persšnlichkeit, die dem Manne Jesus von Nazareth das Leben geschenkt hat:

Ich nehme das Credo, das Glaubensbekenntnis der Kirche. Unter lauter metaphysischen Aussagen mit lapidarer KŸrze hei§t es da auf einmal: "sub Pontio Pilato": Die Prozessdatierung im Prozess gegen Jesus, um damit feierlich zu erklŠren, dass es hier nicht hei§t: Es war einmal. Hier ist nicht MŠrchen und Mythus, hier ist Geschichte, Geschichte von diesem Jesus von Nazareth, der unter dem ršmischen Kaiser Tiberius wŠhrend der Statthalterschaft des Pontius Pilatus den Kreuzestod gestorben ist. Und unmittelbar vorher hei§t es im gleichen Credo von diesem geschichtlichen Jesus: Natus ex Maria Virgine, geboren aus Maria, der Jungfrau.

Und da schlŠgt uns jetzt die Kirche das Buch des griechischen Geschichtsschreibers und Arztes Lukas aus Antiochien auf und liest uns vor: "In jenen Tagen erging vom Kaiser Augustus ein Befehl, das ganze Reich aufzuzeichnen, Alle gingen hin, sich aufschreiben zu lassen, ein jeder in seine Stadt. auch Joseph reiste von GalilŠa aus der Stadt Nazareth nach JudŠa in die Stadt Davids, die Bethlehem hei§t,...um sich mit Maria, der ihm verlobten Frau, die gesegneten Leibes, war, aufschreiben zu lassen. Und wŠhrend sie dort waren, kam fŸr sie die Zeit ihrer Niederkunft. Sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil fŸr sie in der Herberge Kein Platz war".

Auch dieser Bericht beginnt nicht mit "Es war einmal", sondern mit einer klaren geschichtlichen Datierung: Kaiser Augustus!

Und dann lŠsst uns diese gleiche Kirche neun Monate zurŸckrechnen, die es braucht fŸr die Menschwerdung eines jeden Menschen, auch des Jesus von Nazareth. Und da liest sie uns wieder aus dem gleichen geschichtlich zuverlŠssigen Geschichtsbuch des Geschichtsschreibers Lukas vor: "In den Tagen des Herodes, des Kšnigs von JudŠa... wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt GalilŠas mit Namen Nazareth zu einer Jungfrau. Sie war verlobt einem Manne namens Joseph, aus dem Hause Davids. Der Name der Jungfrau aber war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sprach: Sei begrŸ§t, Du Gnadenvolle! Der Herr ist mit Dir! Du bist gebenedeit unter den Weibern. Maria erschrak Ÿber seine Rede und dachte nach, was dieser Gru§ bedeuten solle. Der Engel aber sprach zu ihr: FŸrchte Dich nicht, Maria .Denn Du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, Du wirst empfangen und seinen Sohn gebŠren. Dem sollst Du den Namen Jesus geben. Dieser wird gro§ sein und der Sohn des Allerhšchsten genannt werden... und seines Reiches wird kein Ende sein. Da sprach Maria: Wie wird dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete: Der Hl. Geist wird Ÿber Dich kommen und die Kraft des Allerhšchsten wird Dich Ÿberschatten. Deswegen wird auch das Heilige, das von Dir geboren werden soll, Sohn Gottes hei§en. ...Da sprach Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach Deinem Worte!"

Und auch dieser Bericht ist in seiner GŠnze, trotz des Wunderbaren, das er mitteilt, geschichtlich zuverlŠssiger Bericht und nicht ein frommes MŠrchen, das spŠtere Generationen etwa dazu gedichtet haben.

Maria aus Nazareth, Jungfrau, Gnadenvolle, die auf wunderbare Weise empfŠngt und Mutter des Sohnes Gottes, des Gottmenschen Jesus Christus, wird, das also ist die geschichtliche Persšnlichkeit, die uns im Marienbild der Kirche dargestellt wird in klar und fest umrissenen ZŸgen.

Und die Kirche sagt uns: Wie unser Glaube an den menschgewordenen Sohn Gottes Jesus Christus nicht Mythologie, sondern geschichtlich beglaubigte Offenbarungsreligion, Offenbarung des ewigen Gottes in dieser Erdenzeit, in dieser unserer Menschheitsgeschichte ist, so auch unser Reden und Sprechen von Maria, der Mutter Jesu.

Und darum ist alles, was uns die Kirche Ÿber Maria berichtet, nicht blo§ Gegenstand der Fršmmigkeit und der Aszese, sondern ist in erster Linie Gegenstand des Glaubens.

Und die Kirche wird da ernst und fordernd in ihren Lehrentscheidungen und satt uns: Wer an Christus glaubt, der muss auch an Maria glauben. Wer an den Gottmenschen Jesus Christus glaubt, der muss auch an die Gottesmutterschaft Mariens glauben.

Und wer an die Gottheit Jesu Christi glaubt, der muss gleichzeitig auch an die immerwŠhrende Jungfrauschaft Mariens, an ihr wunderbares Empfangen vom Hl. Geiste, an ihre persšnliche Unbefleckte EmpfŠngnis, an ihre GnadenfŸlle und SŸndelosigkeit glauben, sonst ist er kein wirklich christusglŠubiger Mensch: Sohn und Mutter lassen sich nicht voneinander trennen, auch im Glauben nicht: Maria ein Gegenstand des Glaubens, und nicht blo§ der Fršmmigkeit, und noch weniger blo§ Gegenstand unverbind­licher Privatoffenbarungen: Die Christologie, die Lehre vom Gottmenschen Jesus Christus, lŠsst sich nicht von der Mariologie, von der Lehre Ÿber die jungfrŠuliche Gottesmutter Maria, trennen. Sie gehšren unzertrennlich zusammen.

Und wer nicht an Maria, ihre wunderbare Berufung zur GottesmutterwŸrde, ihre gnadenvolle AuserwŠhlung zu immerwŠhrender JungfrŠulichkeit trotz ihrer Mutterschaft, und ihre GnadenfŸlle und Unbefleckte EmpfŠngnis glaubt, dem schleudert die Kirche das furchtbare Wort entgegen: Anathema sit! Der sei ausgeschlossen aus der Gemeinschaft der RechtglŠubigen. Es klingt furchtbar hart. Und doch ist es so: Es geht der Kirche um das wahre Marienbild, das sie nicht verfŠlschen lŠsst:

Es ist ein klar umrissenes Bild mit scharfen ZŸgen und Konturen, es fehlt ihm jede Verwaschenheit und Verschwommenheit der Mythologie. Es ist nicht das PhantasiegemŠlde einer MŠrchengestalt, sondern das klar erkennbare Portrait der grš§ten Frau und Mutter der ganzen Menschheitsgeschichte, ge­malt auf dem Goldgrund der Offenbarung des ewigen Gottes mit dem Kolorit der palŠstinensischen Landschaft und des israelitischen Volkes, dem diese Frau entstammt: Maria, die unbefleckt empfangene, makellos reine Jungfrau aus Nazareth, die Gott in unerforschlicher Gnadenwahl berufen hat, Mutter seines Sohnes zu werden und die vor der Geburt, in der Geburt und nach der Geburt in Gottes wunderbarer Allmacht Jungfrau blieb und so zu jenem gro§en Weibe wurde, das schon am Anfang der Menschheitsgeschichte verhei§en war und das am Ende der Menschheitsgeschichte nochmals auf treten wird als die Siegerin Ÿber den hšllischen Drachen.

Das ist das Marienbild unserer Kirche, der HŸterin des  wahren Glaubens und der geoffenbarten Wahrheit.

Und zu diesem Marienbild wollen wir aufschauen mit starkem Glauben, mit brennender Liebe und mit grenzenlosem Vertrauen, weil wir wissen, dass Jesus Christus, unser Herr und Heiland, diese seine makellos reine, jungfrŠuliche Mutter uns testamentarisch vermacht hat in jenem am Kreuze mit seinem Herzblut unterschriebenen Testament: "Sohn, siehe Deine Mutter!"

Und bei diesem Aufblick zum Marienbild der Kirche wollen wir es dem Herrn im Sakrament mit festem, starkem Glauben versprechen: Heiland Jesus Christus, so wie wir an Dich und Deine Gottheit und Dein Erlšsungswerk und Deine Kirche glauben, so glauben wir auch fest und stark und unerschŸtterlich an Deine Mutter, die auch unsere Mut ter sein und bleiben muss.

GlŠubiges Volk! Eine Maiandacht in meinem Leben werde ich nie vergessen. Es war vor mehreren Jahren am Abend eines schšnen Maientages in den unterirdischen GŠngen der Katakomben Roms. Mit einer Schar deutscher Pilger wanderten wir - ein jeder mit einem Lichtlein in der Hand- durch die dunklen GŠnge der Priscillakatakombe, vorbei an den GrŠbern der urchristlichen Glaubenshelden und Blutzeugen, bis wir in einen grš§eren Kapellenraum kamen. Von der Hauptwand dieser Kapelle grŸ§te das Šlteste erhaltene Bild Mariens auf uns herab, ein Marienbild, gemalt am Anfang des 2.christlichen Jahrhunderts in der schlichten, kindlichen GlŠubigkeit der ersten Christen, die fŸr ihren Glauben mit Heldenmut zu sterben verstanden.

Als wir alle vor diesem Bild der Gottesmutter versammelt waren, trat ein deutscher Bischof, der die Pilgerfahrt mitgemacht hatte, (es war der gro§e Bekennerbischof Graf Galen von MŸnster), vor und erklŠrte uns das Bild in einer kurzen Ansprache: Das Bild zeigt Maria mit dem gšttlichen Kind auf dem Arm. Links neben der Gottesmutter steht die Gestalt des gotterleuchteten Propheten Isaias, der mit erhobener Rechte auf Maria hinweist, als wollte er das Wort wiederholen, das er Jahrhunderte vor der Geburt Christi gesprochen hatte: "Seht, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebŠren. Sein Name wird sein Emmanuel, Gott mit uns!Ò Dann sprach der Bischof zu uns, wie dieses uralte Marienbild Zeugnis dafŸr ablegt, dass die Christen der Katakomben Zeit das Gleiche geglaubt haben wie wir: Dass nŠmlich Christus der menschgewordene Sohn Gottes und Maria darum Gottesmutter ist. Und wie in den Herzen jener Helden und Heiligen der Urkirche die gleiche Liebe zu Christus und Maria glŸhte, die auch in den Herzen aller glŠubigen Katholiken des 23.Jahrhunderts brennt, wenn wir mit glŠubig frohem Herzen beten und singen: Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn....Und nachdem der Bischof vom GlŸck gesprochen hatte, Maria zur Mutter zu haben und vom UnglŸck derer, die ihr ferne stehen, weil sie nicht mehr glauben kšnnen und glauben wollen, klang es begeistert durch die unterirdischen GŠnge: Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn.

So habe ich damals das Marienbild der Kirche gesehen. So wollen wir alle es wieder sehen, mit starkem, festem Glauben an Christus und seine jungfrŠuliche Mutter.